Politik

Attacken vor Amtsantritt "Azubi folgt Schlafpille"

Der bisherige CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg wird Nachfolger des amtsmüden Bundeswirtschaftsministers Michael Glos. Das kündigte CSU-Chef Horst Seehofer in München an. Die Entscheidung sei im Einvernehmen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen worden.

Guttenberg tritt sein neues Amt bereits am Dienstag an. Bundespräsident Horst Köhler werde Guttenberg am Mittag (14.15 Uhr) die Ernennungsurkunde überreichen, teilte das Präsidialamt mit. Glos werde seine Entlassungsurkunde erhalten. Glos hatte am Samstag völlig überraschend in einem Brief an Seehofer seinen Rücktritt angeboten, den dieser zunächst ablehnte.

Der 37-jährige Guttenberg wird der bisher jüngste Bundeswirtschaftsminister. Neuer CSU-Generalsekretär soll der oberbayerische Bundestagsabgeordnete Alexander Dobrindt werden, stellvertretende Generalsekretärin seine unterfränkische Kollegin Dorothee Bär.

Merkel sicherte dem neuen Wirtschaftsminister ihre volle Unterstützung zu. "Ich bin davon überzeugt, dass er die Arbeit exzellent machen wird", sagte sie. Guttenberg habe eine "sehr anspruchsvolle Aufgabe" in Zeiten der Wirtschaftskrise übernommen.

"Von der Schlafpille zum Azubi"

Die Opposition nutzte die Querelen um den Glos-Rücktritt zu heftigen Attacken gegen die Union. Die FDP kritisierte die Nominierung Guttenbergs als "Notlösung". Guttenberg sei bisher Außenpolitiker gewesen, betonte FDP-Vize Rainer Brüderle bei n-tv. "In der Wirtschaftspolitik hat er sich bisher nie hervorgetan." Auch die Linke bezweifelt Guttenbergs Kompetenz: "Bisher ist nicht bekannt, was ihn für dieses Amt auszeichnet", sagte ihr Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin lästerte, man habe "jetzt eine Situation, wo man sozusagen in den Personen der Wirtschaftsminister von der Schlafpille zum Azubi übergeht".

Der Parteienforscher Florian Hartleb sieht Guttenberg ebenfalls als Notlösung. "Es war nicht das Ergebnis einer politischen Strategie", sagte der CSU-Experte im Interview mit n-tv.de. "Die Strategie Seehofers wäre gewesen, einen erfolgreichen mittelständischen Unternehmer wie Schatzmeister Thomas Bauer zu positionieren."

"Partei der Personalwechsel"

Seehofer sei in der CSU nicht unumstritten: Der Glos-Rücktritt zeige, "dass in der CSU einige Kreise über den neuen Anspruch des Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Horst Seehofer verärgert sind", so Hartleb. Dies betreffe vor allem die "altgedienten Parteileute", die "Opfer der radikalen Verjüngung durch Seehofer geworden sind".

Dass Guttenberg nach so kurzer Zeit seinen Posten als Generalsekretär räumen muss, hält Hartleb für "fatal". Die CSU stehe unmittelbar vor den für sie so wichtigen Europa- und Bundestagswahlen. "Die CSU war immer die Partei der Kontinuität, nun ist sie die Partei der Personalwechsel."

Seehofer gibt sich friedlich

Der bayerische Ministerpräsident hatte offen eingeräumt, von Glos' Rückzug am Wochenende kalt erwischt worden zu sein. Er sprach von einer "unerfreulichen Entwicklung". Seehofer kritisierte, dass er erst am Samstag über die Pläne von Glos informiert worden sei und Schwierigkeiten gehabt habe, an das Fax mit dessen Rücktrittsgesuch zu kommen, weil es in sein Privathaus statt in die Staatskanzlei oder Parteizentrale geschickt worden sei. "Dass das nicht schön war, ist klar." Aber: "Ich habe nicht den geringsten Groll."

Er habe Glos auch nicht unterstellt, seinen Rücktrittswunsch mit Bedacht zu einem ungünstigen Zeitpunkt öffentlich gemacht zu haben. Anlass für eine Änderung des Umgangs mit dem CSU-Spitzenpersonal sehe er "überhaupt nicht", sagte Seehofer. Der CSU-Chef hatte sowohl Glos als auch andere CSU-Spitzenpolitiker in den vergangenen Monaten verärgert, weil er ihre Amtsführung intern kritisiert hatte.

Jobwechsel nach 100 Tagen

Guttenberg war von Seehofer erst vor gut 100 Tagen zum CSU-Generalsekretär berufen worden. Er sei sich der großen Herausforderung bewusst, sagte der Oberfranke. Einem Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft fügte er hinzu: "Ich glaube nicht, dass wir in unserer Gesellschaft ein Übergewicht des Staates brauchen." Er werde mit Kraft, Zuversicht, Mut und der notwendigen Bodenhaftung die Aufgabe angehen.

Seehofer betonte, Guttenberg werde ein "guter Anwalt der Wirtschaftsinteressen der Bundesrepublik Deutschland sein". "Ich bin von ihm sehr überzeugt." Er lobte vor allem die internationalen Beziehungen des früheren Außenpolitikers, dessen "beneidenswertes Auftreten" und die Sprachkenntnis - Guttenberg spricht Englisch und Französisch. Nun gehe es darum, dass die Aufgaben schnell erfüllt würden.

Gabriel hofft auf kurze Einarbeitungszeit

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nannte die Vorgänge um Glos "ein Symptom der Unionskrise". Merkel habe CDU und CSU "programmatisch in den Nebel geführt", sagte Heil im Deutschlandradio. Er rief die Kanzlerin auf, "Seehofer in den Griff zu bekommen".

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) setzt darauf, dass Guttenberg sich verstärkt des Themas Energieeinsparung annimmt. Das sei neben dem Ausbau erneuerbarer Energien der Kern der Energie- und Klimaschutzpolitik, sagte Gabriel. Wenn die Energieeffizienz wie bisher vom Wirtschaftsministerium vernachlässigt werde, dürfe man sich nicht wundern, wenn jetzt die Forderung nach neuen Atomkraftanlagen komme.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen