Politik

Gegen "Diktat" des Westens BRICS-Staaten kämpfen für andere Weltordnung

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Xi (l.) und Putin suchen gemeinsam mit der BRICS-Gruppe nach einem Gegengewicht zu den westlichen Industrienationen.

Xi (l.) und Putin suchen gemeinsam mit der BRICS-Gruppe nach einem Gegengewicht zu den westlichen Industrienationen.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Einstige Kolonialmächte sind nicht erwünscht. Deshalb verweigern die BRICS-Staaten Frankreichs Präsident Macron die Einladung zu ihrem Gipfel. Sie streben nach einer Änderung globaler Machtverhältnisse - und setzen auf eine Expansion der Gruppe zu "BRICS plus". Russland freut sich.

Die BRICS-Staaten haben große Pläne für ihren 15. Gipfel. Die "Suche nach Alternativen" zu den aktuellen globalen Machtverhältnissen stehe auf dem Programm, sagte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor im Vorfeld des Treffens vom 22. bis 24. August in Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Ziel sei eine "veränderte globale Ordnung", so Pandor. Man wolle dem "Diktat" des Westens unter Führung der USA ein Ende setzen, hieß es auch von Russlands Seite. Die fünf aufstrebenden Volkswirtschaften Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika wollen ab jetzt ganz oben mitmischen, geopolitisch sowie wirtschaftlich. Ihre Taktik: eine massive Expansion der Gruppe zu "BRICS plus".

Mehr als 30 Länder haben ihre Teilnahme am BRICS-Gipfel bestätigt. Dazu sind 67 hochrangige Politiker aus Afrika und dem globalen Süden eingeladen, sowie 20 internationale Vertreter, einschließlich der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften Afrikas. Nur einen Gast wies man zurück: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Interesse bekundet, am Gipfel teilzunehmen - erhielt aber keine Einladung. Ehemalige Kolonialherren und westliche Industriemächte sind nicht erwünscht.

Schon jetzt machen die fünf BRICS-Länder nach eigenen Angaben 42 Prozent der Weltbevölkerung, 30 Prozent der globalen Landfläche und 24 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Nach Angaben von Außenministerin Pandor hätten etwa 40 Staaten unverbindlich Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet, 23 davon konkret, einschließlich Argentinien, Saudi-Arabien, die Vereinten Arabischen Emirate, Algerien, Ägypten, Iran, Kuwait, Bangladesch, Venezuela und Thailand.

Putin nur per Video zugeschaltet

Russland sieht sich dabei voll in seinem Element. Eine Erweiterung von BRICS sei zweifellos eine bedeutende Stärkung und "erhöht ihr Gewicht in den globalen Fragen", wie Russlands Außenminister Sergej Lawrow vorab sagte. Er vertritt Kremlchef Wladimir Putin, der dem Treffen sicherheitshalber fernbleibt. Der 70-Jährige müsste sonst fürchten, wegen seiner Invasion in der Ukraine gemäß dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichts in Den Haag als Kriegsverbrecher festgenommen zu werden.

Nachdem im Westen die Freude groß war über das Fernbleiben des Kremlchefs und seine angebliche Isolation auf der Weltbühne, teilte Putin mit, er nehme ja teil und lasse sich per Video zuschalten. Dabei dürfte er einmal mehr für eine Abkehr vom Dollar werben. Der russische Präsident kritisiert die US-Währung seit langem als Instrument des politischen Machtkampfes Washingtons und setzt sich dafür ein, dass die Staaten ihre Geschäfte in den nationalen Währungen abwickeln.

Dabei solle auch die von den BRICS-Staaten gegründete Entwicklungsbank NDB (New Development Bank) helfen. Für Putin ist BRICS das ideale politische Spielfeld für sein Streben nach strategischer Autonomie und einer diplomatischen Unabhängigkeit. Den Westen hingegen sieht er dem Untergang geweiht. Russland dürfte vor allem darauf drängen, dass das erstmals zum BRICS-Gipfel eingeladene Belarus als Mitglied aufgenommen wird. Südafrikas Ministerin Pandor zeigte sich im Vorfeld diplomatischer. BRICS sei weder anti-westlich noch pro-russisch, betonte sie. Es gehe vielmehr darum, dass westliche Industriemächte die Belange des globalen Südens zunehmend vernachlässigten, erklärte sie mit Seitenhieb auf die G7-Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und die USA.

"Alternativen in einer multipolaren Welt"

Die neue "BRICS plus"-Ausrichtung soll sich auch von der G20-Staatengruppe abgrenzen, zu der Russland, China, Indien und Südafrika zusammen mit den USA, Deutschland und der Europäischen Union gehören. BRICS konzentriere sich laut Pandor auf "Süd-Süd-Zusammenarbeit". "Länder des globalen Südens [suchen] nach Alternativen in einer multipolaren Welt", so Pandor. "Das ist kein Wettbewerb [mit dem Westen], sondern ein klarer Beweis für die Notwendigkeit, die Stimmen der BRICS-Länder zu hören und zu respektieren."

Auf Aufnahmekriterien müssen sich die aktuellen Mitgliedstaaten allerdings noch einigen. Auch China gilt als treibende Kraft einer Erweiterung der BRICS-Gruppe. Peking hofft auf eine "gerechtere und vernünftigere Weltwirtschaftsordnung", heißt es in einem Kommentar der chinesischen Staatszeitung "Global Times". Die in Shanghai ansässige BRICS-Entwicklungsbank hat sich bereits erweitert, zuletzt durften Uruguay, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bangladesch beitreten.

Auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat sich jüngst für die Aufnahme weiterer Länder starkgemacht. Die G7-Gruppe sei ein "Klub", der nicht existieren dürfe, weil seine Form, über Geopolitik zu sprechen, überholt sei, sagte Lula. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar bezeichnete die BRICS-Initiative als "Symbol des Wandels". "Alte Vorgehensweisen können neue Situationen nicht lösen", so Jaishankar.

Unabhängige Beobachter sehen die Werbung für "BRICS plus" trotz gegenteiliger Beteuerungen als klaren Versuch, dem Westen Konkurrenz zu machen. BRICS sei kein neutraler "Verfechter des globalen Südens", sondern sehe sich als "Bündnis gegen den Westen", sagte Peter Fabricius, Analyst des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Südafrika. Beitrittskandidaten wie Iran oder Venezuela könnten diese Sichtweise weiter verstärken.

Quelle: ntv.de, Kristin Palitza, Ulf Mauder und Jörn Petring, dpa

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