Politik

Und noch ein Gutachten BaWü wartet ab

Die neue Studie zur Gesundheitsreform bildet nach Ansicht des baden-württembergischen Gutachters Jürgen Wasem die finanziellen Folgen für die Bundesländer weitgehend richtig ab. "Ich halte die Größenordnung von Rürup und Wille für wesentlich realitätsnäher als die von dem Kieler Institut", sagte Wasem der Deutschen Presse-Agentur.

Die Sachverständigen Bert Rürup und Eberhard Wille hatten errechnet, dass die Mehrkosten für die Krankenkassen in Baden-Württemberg und Bayern wesentlich niedriger sind als in den Ländern befürchtet. Danach könnten die finanzstarken Länder im Süden nur mit etwa 50 bis knapp 100 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich belastet werden.

Die Studie eines Kieler Instituts hatte im Dezember noch Mehrkosten für Baden-Württemberg von 1,61 Milliarden Euro und für Bayern von 1,04 Milliarden Euro vorhergesagt.

BaWü will eigene Zahlen

Wasem ist Professor für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen und soll im Auftrag der CDU/FDP-Landesregierung in Baden-Württemberg die finanziellen Folgen der Einführung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 erneut berechnen. Weil das Kieler "Institut für Mikrodaten-Analyse" Mehrkosten für Bayern und Baden-Württemberg in Milliardenhöhe vorhergesagt hatte, macht die Regierung in Stuttgart ihre Entscheidung von Wasems Studie abhängig. Er werde sich bei seiner Studie, die bis Ende Januar fertig sein soll, auf neuere Quellen stützen können, die Rürup und Wille aus Zeitgründen nicht zur Verfügung gestanden hätten, sagte der Professor.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hatte in Frage gestellt, ob Rürup alle Risiken in seiner Berechnung berücksichtigt habe. Dazu sagte Wasem, es sei unklar, ob etwa der neue so genannte Morbiditätsausgleich, den Rürup außen vor gelassen habe, berechnet werden könne. Bisher müsse etwa Baden-Württemberg einen Ausgleich an andere Länder zahlen, weil es eine relativ niedrige Altersstruktur habe. Künftig solle auch berücksichtigt werden, welches Land mehr Kranke hat. "Ob man da eine belastbare Zahl vorlegen kann, halte ich momentan für offen", sagte Wasem.

Knickt Stoiber ein?

Aus der CSU, der Hauptkritikerin der Reformpläne, gibt es unterschiedliche Reaktionen. "Mit dem heutigen Gutachten können wir die Diskussion beenden", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion und CSU-Gesundheitspolitiker, Wolfgang Zöller, dem "Münchner Merkur". Das Rürup/Wille-Gutachten sei schlüssig. Die öffentliche Debatte müsse nun ein Ende haben.

Moderat äußerte sich auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Eine schnelle Verurteilung des Gutachtens verbiete sich, sagte er dem Blatt. Dagegen hatte CSU-Generalsekretär Markus Söder zuvor noch erklärt, das Gutachten entkräfte die CSU-Kritik an den Plänen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nicht. Auch Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) beharrte in der "Financial Times Deutschland" auf der Kritik ihrer Partei und plädierte für eine Verschiebung des Gesundheitsfonds. "Bis zur Einführung müssen Modellrechnungen mit validen Zahlen vorliegen."

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt rechnet trotz der Kritik aus Bayern mit einer Einigung. "Ich gehe davon aus, dass die Gesundheitsreform wie geplant verabschiedet werden kann, und dass auch die bayerischen Muskelspiele bald ein Ende haben", sagte sie im ZDF. Vogt meinte, Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) habe nach der Vorlage des neuen Gutachtens zur finanziellen Belastung der Länder durch die Reform bereits eingelenkt. "Und auch Herr Stoiber wird einlenken müssen."

FDP-Chef Guido Westerwelle nannte den "Gutachterkrieg" in der großen Koalition einen "einmaligen Tiefpunkt in der Regierungskunst". Westerwelle deutete zugleich an, dass die drei Landesregierungen mit FDP-Beteiligung in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen "diesem Gesundheitsmurks" nicht zustimmen werden.

Hessen will die Mehrkosten für die hessischen Kassen erst prüfen, hofft aber auf eine Einigung.

Schmidt denkt nicht an Rücktritt

Schmidt indes sieht sich durch das am Donnerstag vorgestellte Gutachten gestärkt und weist die vehemente Kritik entschieden zurück. "Herr Söder soll lieber einmal seinen eigenen Laden in Ordnung bringen", sagte sie der "Leipziger Volkszeitung". Söder hatte Schmidt am Donnerstag eine "Bewährungsfrist" gesetzt und erneut mit Ablehnung der Reform gedroht. Sie werde auch dann Ministerin bleiben, wenn die CSU ein Inkrafttreten der Reform verhindern sollte. "Ich trete überhaupt nicht zurück", sagte Schmidt auf eine entsprechende Forderung Söders.

Klagen vor Verfassungsgericht denkbar

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bemühte sich, die Wogen zu glätten. In derselben Zeitung warnte das CDU-Präsidiumsmitglied vor der Illusion, in einer anderen Regierungskonstellation wäre diese Frage sehr viel leichter zu lösen: "Die notwendige Gesundheitsreform wäre auch dann nicht wirklich einfach zu bewältigen, wenn die Union mit absoluter Mehrheit regieren würde."

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach (CDU) befürchtet, dass die Reform vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird. "Sollte die Gesundheitsreform in der eingebrachten Fassung verabschiedet werden, dann gehe ich tatsächlich davon aus, dass es Klagen geben wird", sagte er der in Erfurt erscheinenden "Thüringer Allgemeinen".

Quelle: ntv.de

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