Politik

Assad statuiert ein Exempel Baida gleicht einer Geisterstadt

Das Morden auf beiden Seiten nimmt kein Ende.

Das Morden auf beiden Seiten nimmt kein Ende.

(Foto: dpa)

Das Dorf Baida an der syrischen Mittelmeerküste war ein malerischer Ort - bis vor Kurzem. Weil seine Bewohner mit den Rebellen sympathisierten, wird es Schauplatz eines der schlimmsten Massakers im Syrien-Krieg. Assad-Getreuen bringen offenbar Dutzende Menschen um, unter ihnen auch Frauen, Kinder und Greise.

Schüsse hatten Ahmad im Morgengrauen geweckt. In seinem Versteck wurde er Anfang Mai hilfloser Ohrenzeuge, wie bewaffnete Männer die Wohnung seines Bruder stürmten und die Familie beschimpften. "Knie nieder vor Baschar, deinem Gott", forderten sie Ahmads Bruder auf und machten den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zum höchsten Wesen. Als die Eindringlinge nach zwei Stunden abzogen, war in dem malerischen Dorf Baida an der syrischen Mittelmeerküste nichts mehr wie früher. Der 5000-Seelen-Ort war Schauplatz eines der schlimmsten Massaker des Bürgerkriegs geworden. Weil das von regierungstreuen Ortschaften umgebene Baida Sympathien für Assads Gegner hegte, wurde an seinen Bewohnern ein Exempel statuiert.

Eine Frau trauert auf einem Friedhof um einen Toten.

Eine Frau trauert auf einem Friedhof um einen Toten.

(Foto: REUTERS)

Seinen toten Bruder fand Ahmad nur wenige Schritte von seinem Haus entfernt. "Sie hatten ihn ausgezogen und ihm in den Kopf geschossen. Die Kugel riss eine klaffende Wunde groß wie eine Hand." Fast 90 Minuten lang berichtet Ahmad, wie er verkohlte Leichen fand: an einer Stelle 30 Männer. Woanders waren es 20 Frauen und Kinder, die in einem kleinen Raum vergebens Schutz gesucht hatten.

Immer wieder stockend liest Ahmad, der in Wirklichkeit anders heißt, die Namen der Toten von einem Blatt ab. Darauf hat er ihr Alter, ihre Berufe und ihre Familienverhältnisse akribisch festgehalten. Jede Einzelheit hat er notiert, auf dass die Geschichte eines Tages über die Täter urteilen möge.

Auch Greise und Honoratioren stehen auf Ahmads Liste. Darunter ist etwa der seit einem Verkehrsunfall einbeinige Mohammed Taha. Der 90-Jährige hatte den Dorfbewohnern seit Jahrzehnten die Schuhe hergestellt. Selbst der Dorf-Imam wurde umgebracht. Dabei war Scheich Omar Bijasi Ahmads Erzählungen zufolge ein loyaler Bürger. "Obwohl er immer gegen die Proteste war, haben sie ihn ermordet."

Geheimdienstmann bestätigt Vorwürfe

Das alles hat sich Anfang Mai in Baida und Ras al-Nabaa abgespielt. Die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte geht von 300 Toten in beiden Orten aus. Die Opfer wurden Regierungsgegnern zufolge in Massengräbern verscharrt, Tausende flohen. Die syrische Regierung äußerte sich nicht zu den Vorfällen. Ein syrischer Geheimdienstmann bestätigte aber hinter vorgehaltener Hand, bei den Tätern habe es sich um Anhänger der Regierung gehandelt. Unter ihnen seien auch Alawiten aus benachbarten Dörfern gewesen.

Die syrische Küste ist hauptsächlich von Alawiten besiedelt. Sie stellen mit zwölf Prozent zwar nur eine Minderheit der Bevölkerung. Aber sie ist mächtig, weil der Assad-Clan zu den Alawiten gehört, die der schiitischen Richtung des Islam entsprungen sind.

Heute bietet Baida ein gespenstisches Bild. Häuser sind niedergebrannt, Menschen zeigen sich kaum auf der Straße. Der von Soldaten eingekreiste Ort war für den Reporter nur auf Umwegen zu erreichen. Die Massaker seien eine Warnung an die Aufständischen gewesen, sagte ein Regierungsgegner dem Reuters-Reporter. "Es ist eine Erinnerung daran, dass die Küste Syriens eine rote Linie ist. Das geschieht den wenigen sunnitischen Muslimen, sollten die Rebellen den Versuch unternehmen, hier Städte erobern zu wollen."

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, der sich mit derartigen Verbrechen befasst, kann nicht tätig werden. Dazu bräuchte er einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dieser wird durch Assads Verbündete China und Russland blockiert. Für Mitte Juni ist eine Friedenskonferenz in Genf geplant, um unter Beteiligung der Bürgerkriegsparteien ein Ende des Tötens zu verhandeln. Seit 2011 sind nach UN-Angaben bereits mehr als 80.000 Menschen getötet worden. Doch die Hoffnungen auf Frieden sind nicht sehr groß.

Quelle: ntv.de, rts

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