Politik

Erste Rede zur Lage der Union Barroso fordert EU-Steuer

Barroso wirbt um die Unterstützung der EU-Parlamentarier.

Barroso wirbt um die Unterstützung der EU-Parlamentarier.

(Foto: REUTERS)

"Entweder wir schwimmen zusammen oder wir sinken einzeln", mahnt Kommissionpräsident Barroso die EU in seiner ersten Rede zur Lage der Union. Ihn ärgert, dass manche Regierungen seine Vorschläge ablehnen, bevor sie wissen, worum es geht. Barroso fordert eigene Einnahmen für Brüssel. Auch andere Vorschläge haben Konfliktpotential.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat seine erste "Rede zur Lage der Union" vor dem europäischen Parlament in Straßburg gehalten. Darin skizzierte er die Arbeit der Kommission für die nächsten 12 Monate. Der Kommissionspräsident will jährlich eine solche Rede vor den Abgeordneten halten.

Barroso betonte, die Wirtschafts- und Finanzkrise habe gezeigt, wie stark die EU-Staaten voneinander abhängig sind. Zugleich habe die Krise die Solidarität der EU auf die Probe gestellt. "Ich glaube, wir haben den Test bestanden." Seine Botschaft an jeden einzelnen Europäer sei, "dass Sie sich darauf verlassen können, dass die Europäische Union tun wird was notwendig ist, um Ihre Zukunft zu sichern".

"Manche sagen Nein, ohne zu wissen, worum es geht"

Für das kommende Jahr mahnte Barroso Reformen an. "Entweder wir schwimmen zusammen oder wir sinken einzeln." Für die Finanzierung des EU-Haushalts forderte Barroso eigene Einnahmen. Das derzeitige System, das vor allem auf Überweisungen der Mitgliedstaaten beruht, sei "an seine Grenzen gestoßen", sagte Barroso. Die Kommission werde daher ein "faireres und effizienteres System" für mehr Eigenmittel vorschlagen.

Erst vor vier Wochen war ein Vorschlag von Haushaltskommissar Janusz Lewandowski zur Schaffung einer EU-Steuer auf harten Widerstand unter anderem aus Berlin gestoßen. Barroso sagte dazu, dass einige nicht mit allen Vorschlägen der EU-Kommission übereinstimmen werden: "Ich finde es außergewöhnlich, dass manche sie schon zurückweisen, ohne zu wissen, worum es geht."

Barroso schlug auch die Einführung von EU-Anleihen vor, mit denen große Infrastrukturvorhaben finanziert werden sollten. Bisher sind derartige Ideen bei vielen Mitgliedstaaten auf große Zurückhaltung gestoßen. Zudem wolle die Kommission noch in diesem Herbst Vorschläge für die ebenfalls von mehreren Regierungen abgelehnte Steuer auf Finanztransaktionen machen.

Werben für gemeinsame Verteidigungspolitik

Ungeachtet der Widerstände von militärisch neutralen EU-Mitgliedern wie beispielsweise Irland und Österreich forderte Barroso auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik: "Wir werden nicht das Gewicht haben, das wir brauchen, wenn wir keine gemeinsame Verteidigungspolitik haben." Im Oktober werde die Kommission auch ein "umfassendes und ehrgeiziges" Gesetz zur Vertiefung des EU-Binnenmarktes vorschlagen.

Sozialisten, Liberale und Grüne kritisieren, dass Barroso kein Gegengewicht zur deutsch-französischen Dominanz bilde.

Sozialisten, Liberale und Grüne kritisieren, dass Barroso kein Gegengewicht zur deutsch-französischen Dominanz bilde.

(Foto: AP)

Ohne auf die französische Rückführung von Roma direkt einzugehen, sagte Barroso: "Jeder in Europa muss das Gesetz respektieren, und die Regierungen müssen die Menschenrechte respektieren. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben keinen Platz in Europa." Er fügte hinzu: "Ich fordere dazu auf, nicht die Gespenster der europäischen Vergangenheit wieder zu erwecken."

"Keine ehrliche Analyse"

Der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz kritisierte ebenso wie Daniel Cohn-Bendit (Grüne) und Guy Verhofstadt (Liberale), dass Barroso der "sich bildenden Direktorialregierung unter deutsch-französischer Führung" nicht entschlossen genug entgegengetreten sei.

Der deutsche Grünen-Abgeordnete Sven Giegold kritisierte auf seiner Facebook-Seite, die Rede basiere leider "nicht auf einer ehrlichen Analyse der Re-Nationalisierungstendenzen und der Tiefe der Wirtschaftskrise". Im Wesentlichen wiederhole Barroso "die bekannten Vorschläge".

Parlament verzichtet auf Präsenzkontrolle

Der Appell wirkte: Das Parlament war ungewöhnlich gut besetzt.

Der Appell wirkte: Das Parlament war ungewöhnlich gut besetzt.

(Foto: REUTERS)

Nach heftigen Protesten vieler Abgeordneter hatte das Europaparlament während der Rede auf eine ursprünglich geplante Präsenzkontrolle verzichtet. Es solle nun zunächst über andere Mittel nachgedacht werden, um die Anwesenheitsquote bei Debatten zu verbessern, teilte Parlamentspräsident Jerzy Buzek den EU-Volksvertretern mit.

Die Fraktionschefs wollten sicherstellen, dass Barroso nicht vor weitgehend leeren Bänken sprechen musste. Dazu sollten die Abgeordneten während der Rede und der anschließenden Debatte drei Mal aufgefordert werden, per Knopfdruck ihre Präsenz anzuzeigen. Parlamentariern, die durch Abwesenheit glänzten, sollte ein Teil ihrer Spesenpauschale von 298 Euros pro Tag abgezogen werden. Diese Pläne hatten im Parlament für erheblichen Unmut gesorgt. In der Nacht zum Dienstag machte das Präsidium daher einen Rückzieher und verzichtete auf die geplante Sanktion.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen