"Nicht führbar, nicht reformierbar" Baustelle Bundesagentur
26.01.2004, 06:44 UhrMit dem Rauswurf von Behördenchef Florian Gerster ist der Berg an Aufgaben bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht eben kleiner geworden. Zu den Mammut-Vorhaben der eigenen Umstrukturierung und der Umsetzung der Hartz-Reformen kommt auf die BA jetzt auch noch die Suche nach einem neuen "Herren über die Arbeitslosen" hinzu. Wer den Posten übernehmen soll, ist noch völlig unklar. Die Debatte darüber läuft jedoch bereits auf Hochtouren.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der Gersters Rausschmiss "unvermeidlich" nannte, versicherte, die Nachfolge werde "im gesetzlich vorgesehenen Rahmen" geregelt. Der stellvertretende Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates, Peter Clever (CDU), warnte indes vor Schnellschüssen: Man müsse ohne öffentliche Begleitmusik mit in Frage kommenden Persönlichkeiten reden, forderte er im DeutschlandRadio Berlin. Dabei sei es unerheblich, ob der Nachfolger aus der Wirtschaft komme, wie dies die Regierung vorzieht.
Clement dementiert Gerücht um Hartz
Die Grünen traten ebenfalls für eine rasche Neubesetzung ein, wollen sich aber nicht an Spekulationen über Namen beteiligen, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer.
Clement wies einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zurück, er habe mit dem VW-Personalvorstand Peter Hartz über einen Wechsel an die Spitze der BA gesprochen. Er habe mit Hartz am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos zwar ein intensives Gespräch geführt, sagte Clement. Dabei sei es aber nicht um die Nachfolge des scheidenden BA-Chefs gegangen.
Bayerns Arbeits-Staatssekretär Jürgen Heike brachte erneut BA-Vorstandsmitglied Frank-Jürgen Weise in die Diskussion. Für diese Personalie hatte Clement am Sonntag ebenfalls Sympathie durchblicken lassen.
Engelen-Kefer weist "Kampagnen"-Vorwurf zurück
Der Umbau der BA ist derweil in vollem Gange. Die Agentur hatte schon im September 2003 angekündigt, dass die Belegschaft in der Zentrale von 1.100 auf 400 verringert werden soll. In Nürnberg sollen aber weiter 900 Beschäftigte arbeiten, da 500 in so genannte Service-Abteilungen ausgegliedert würden, etwa für EDV oder Abwicklung der Kindergeldzahlungen.
Die Vorsitzende des BA-Verwaltungsrats, Ursula Engelen-Kefer, setzte sich unterdessen gegen den Vorwurf zur Wehr, an einer Kampagne gegen Gerster, mitgewirkt zu haben. Die Gewerkschaften hätten Gerster "in keinem Fall" gezielt demontiert, sagte sie im Deutschlandfunk. Gerster hatte gesagt, er sehe sich als Opfer einer Kampagne. Clement hatte sich ähnlich geäußert. Bütikofer sprach ebenfalls von "Elementen einer Kampagne".
FDP für Auflösung
Die FDP forderte erneut die Auflösung der Nürnberger Behörde und begründete ihren Vorstoß damit, die BA sei "nicht führbar und nicht reformierbar". Parteichef Guido Westerwelle kritisierte zudem, von 90.000 Beschäftigten würden nur etwa zehn Prozent für die Arbeitsvermittlung eingesetzt.
Unionspolitiker wiesen die FDP-Forderung ebenso wie die SPD zurück. Bundesregierung und Union warnten vielmehr eindringlich vor einer Aufweichung der Arbeitsmarktreformen im Zuge des Wechsels an der BA-Spitze. CDU-Chefin Angela Merkel forderte, auch nach der Ablösung Gersters müsse der Reformprozess konsequent weitergeführt werden.
Nach Informationen der "Welt am Sonntag" wird der BA-Verwaltungsrat am 6. Februar zu seiner nächsten Sitzung zusammentreffen und seinen Kandidaten für die Gerster-Nachfolge benennen. "Möglicherweise schon früher", habe ein Verwaltungsratsmitglied der Zeitung gesagt. Der Verwaltungsrat hat vier Wochen Zeit, einen Nachfolger für Gerster vorzuschlagen. Ernannt wird er vom Wirtschaftsminister.
Quelle: ntv.de