Kein schneller Ökoenergie-Ausbau Bayern drängt, Gabriel zürnt
18.05.2011, 13:05 Uhr
Das Atomkraftwerk Brunsbüttel ist einer der vier Streichkandidaten.
Nach der Präsentation des Berichts der Kommision für Reaktorsicherheit strebt die CSU eine rasche Abschaltung der ältesten Kernkraftwerke an. SPD-Chef Gabriel wirft der Bundesregierung gezielte Täuschung vor. Die sträubt sich derweil gegen einen schnellen Ökoenergie-Ausbau.
Bayern drückt nach den Sicherheitstests für Atomkraftwerke aufs Tempo und drängt die Bundesregierung zum schnellen Handeln. "Der Bund muss nach dem Bericht der Reaktorsicherheitskommission nun rasch für klare Verhältnisse sorgen", sagte der bayerische Umweltminister Markus Söder der Zeitung "Die Welt". Ob das bayerische Atomkraftwerk Isar I dauerhaft vom Netz bleibe, entscheide der Bund allein nach dem Atomgesetz. "Wir wollen das", sagte der CSU-Politiker. "Aber wir brauchen dazu eine Rechtsgrundlage, damit die alten Kernkraftwerke nicht mehr ans Netz gehen."
Einen raschen Ausstieg aus der Atomenergie mit einer klaren Jahreszahl sei auch unter wirtschaftlichen Aspekten geboten, fuhr Söder fort. "Die Energiewende muss schnell beschlossen werden, um Investitionsanreize für die Wirtschaft zu setzen." Aus CSU-Kreisen heißt es, die Partei peile das Jahr 2022 für den Atomausstieg an. Das sei das Ergebnis intensiver Diskussionen der Landtagsfraktion mit Parteichef Horst Seehofer. Der Ministerpräsident favorisierte bisher eine Festlegung auf das Jahr 2020. Die Fraktion hatte jedoch Bedenken gegen die Festlegung auf ein frühes Datum und plädierte eher für ein Ausstiegsdatum bis Mitte des kommenden Jahrzehnts.
Gabriel über Schwarz-Gelb erzürnt
Dahingegen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel der Bundesregierung Täuschung vorgeworfen. Dass nur vier vorübergehend stillgelegte Reaktoren endgültig vom Netz gehen sollen, zeige, dass das Moratorium nicht ernst gemeint war, betonte Gabriel gegenüber dem "Handelsblatt". "Es sollte Zeit schaffen, um über die Landtagswahlen zu kommen und einen faulen Kompromiss mit der Atomwirtschaft zu finden." Gabriel sprach von einer oberflächlichen Scheinprüfung der Reaktorsicherheits-Kommission, die die Bundesregierung zu verantworten habe. Zudem warf er Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, einen "zweiten Atomdeal" mit der Strombranche vorzubereiten. "Wie schon bei der Laufzeitverlängerung soll die Atomwirtschaft erneut einen Sicherheitsrabatt bekommen", sagte der SPD-Chef.
Auch die Bürger reagieren skeptisch. In einer Umfrage für den "Stern" erklärten zwei von drei Befragten (64 Prozent), sie hielten Merkels Anti-Atom-Kurs nach der Atomkatastrophe von Fukushima für unglaubwürdig. Bemerkenswert: Besonders in den eigenen Reihen kann Merkel damit kaum punkten. 43 Prozent der Unionsanhänger betrachten Merkels plötzliche Kehrtwende mit Skepsis. Noch größer sind die Bedenken beim Koalitionspartner FDP: 76 Prozent der FDP-Wähler trauen Merkels Kurs nicht.
CDU-Wirtschaftsrat plant Volksentscheide
Der CDU-Wirtschaftsrat hat sich derweil für Volksentscheide über die Energiewende und den Atomausstieg ausgesprochen. Das Gremium habe den Leipziger Verfassungsrechtler Christoph Degenhart beauftragt, die rechtlichen Grundlagen dafür zu prüfen, sagte der Sprecher des Wirtschaftsrats, Erwin Lamberts, der "Passauer Neuen Presse". Generalsekretär Wolfgang Steiger sagte, das Ziel der Initiative seien aufeinander abgestimmte Plebiszite in den Bundesländern. Eine wirkliche Energiewende könne nur gelingen, wenn alle Beteiligten daran mitwirkten.
Bei den Volksentscheiden auf Länderebene solle es nach der Vorstellung des Wirtschaftsrats zudem auch um die Fragen der künftigen Energiepreise, der verkürzten Planungs- und Genehmigungsverfahren für neue Anlagen und des Imports von Atomstrom aus dem Ausland gehen.
Schneller Ökoenergie-Ausbau kein Thema
Unterdessen strebt die Bundesregierung trotz des geplanten Atomausstiegs keinen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland an. Das geht aus dem Entwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor. Es soll im Zuge von Atomausstieg und Energiewende reformiert werden.
Demnach hält die Regierung am Ziel fest, bis 2020 rund 35 Prozent des Stroms aus Sonnen-, Wasser- und Windkraft oder Biomasse zu gewinnen. Dieses Ziel war auch schon vor der Verlängerung der Atomlaufzeiten verankert worden. Bis 2050 soll der Anteil schrittweise auf 80 Prozent steigen, heißt es in dem Papier.
Insgesamt will die Regierung erreichen, dass Ökoenergien - derzeit vom Verbraucher mit 3,5 Cent pro Kilowattstunde bezuschusst - schneller marktfähig werden. Bei der Förderung setzt die Schwarz-Gelb einen Fokus auf bestimmte Energieformen wie Windkraft auf See; bei anderen - etwa der Biomasse - soll es Kürzungen geben.
DIHK warnt
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht die Gefahr, dass sich Deutschland durch den Atomausstieg international isoliert. "Wer in Deutschland investieren will, muss abschätzen können, ob eine Stromversorgung nachhaltig gesichert ist und zu welchen Preisen", betonte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann der "Neuen Osnabrücker Zeitung. Deutschland sei auf eine Einbindung in den internationalen und europäischen Kontext angewiesen.
Unsicherheiten wirkten sich schädlich auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen aus und sorgten für schlechte Stimmung, vor allem wenn die Rahmenbedingungen in anderen Staaten als verlässlicher empfunden würden. "Wir werden auch international gefragt, wie das denn genau mit der Stromversorgung funktionieren soll, wenn alle 17 Atomkraftwerke für immer vom Netz gehen und gleichzeitig die CO2-Reduktionsziele erfüllt werden sollen", so der DIHK-Präsident.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts