Standing Ovations in Berlin Beck nicht hinterm Baum
21.06.2008, 14:50 UhrBevor die Politik in die Sommerpause eintaucht und die nachrichtenarme Zeit genügend Anlässe bietet, aus Mücken Elefanten zu machen, fordert SPD-Chef Kurt Beck von seiner Partei noch einmal nachhaltig Unterstützung. "Miteinander ist viel schöner als gegeneinander", findet der Parteivorsitze und demonstriert angesichts der Krise seiner Partei und der eigenen schlechten Umfragewerte Durchhaltewillen. "Ich werde nicht hinter den Baum gehen, weil es da bequemer ist", verspricht Beck auf dem Berliner Landesparteitag – "ich werde stehen, auch wenn das nicht immer vergnügungssteuerpflichtig ist." Die Parteispitze habe "nach einigem Geruckel" begriffen, dass "wir zusammenzuarbeiten haben".
Die Entscheidung über einen SPD-Kanzlerkandidaten stehe noch nicht an, so Beck in Berlin. Personalfragen seien wichtig, aber sie würden "zur richtigen Zeit" entschieden, sagt der Parteichef und verlangt erst einmal angesichts des Gezerre um seine Führungsqualitäten von seinen parteiinternen Kritikern eine offene Auseinandersetzung. Wer kritisiere, ohne selber dafür einzustehen, sei "unsolidarisch und feige".
"Wenn sich jemand gegen einen aus unseren Reihen in unfairer Weise stellt, dann müssen wir auch die Kraft haben, für ihn einzustehen", sagt Beck, ohne den Satz ausdrücklich auf sich selbst zu beziehen. "Das ist auch Solidarität."
Standing Ovations für Beck
"Das, was ohne Namensnennung an Kritik geäußert wird, interessiert mich nicht", so Beck. Wer kritisiere, müsse "dazu stehen mit seinem Namen". Beck rief seine Partei zur Geschlossenheit auf. Sie werde nur erfolgreich sein, "wenn wir die Gemeinsamkeiten über die kleinen Nickeligkeiten gegeneinander zu stellen wissen". Von den Delegierten des SPD-Landsparteitags in Berlin bekam er dafür stehenden Applaus.
Beck und die SPD können sich seit Monaten nicht aus immer neuen Tiefs in Meinungsumfragen befreien. Medien hatten in den zurückliegenden Tagen unter Berufung auf ungenannte SPD-Politiker berichtet, dass Beck in der SPD-Führung keine Chancen mehr für die Kanzlerkandidatur 2009 eingeräumt würden. Als Anwärter auf die Kandidatur gilt auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Enten fliegen tief
Ohne Angabe von Quellen berichtet nun der "Spiegel", es gebe Überlegungen in der SPD, Beck noch in diesem Jahr aus dem Amt zu drängen. Im Gespräch im rechten Parteiflügel sei, dass Steinmeier zeitgleich mit der Kanzlerkandidatur auch den Parteivorsitz übernehme. Der konservative "Seeheimer Kreis" widerspricht postwendend: "Der 'Spiegel' erfindet im Wochenrhythmus einen Putsch, der nie stattfindet", erklärt deren Sprecher Klaas Hübner. "Es lohnt sich nicht einmal mehr, das noch zu dementieren, weil absolut nichts dran ist." Laut Medienberichten hatte sich Beck in dieser Woche bei einer Journalistenreise in einem ungewöhnlichen emotionalen Ausbruch über die Herabwürdigung seiner Person in den Medien beklagt.
Flügelkämpfe nicht beendet
Bereits bei dieser Sommertour auf heimatlichem Terrain hatte der rehinland-pfälzische Ministerpräsident betont, er werde um den SPD-Bundesvorsitz kämpfen: "Ich werde die Partei weiter führen - mit aller Klarheit, wie ich das auch bisher getan habe. Ich will weiter politisch gestalten." Zeitgleich erreichen ihn aber neue Brandrufe aus Berlin: "Seeheimer" und "Netzwerker" fallen über die "Denkfabrik" her, eine Debatten-Bühne junger SPD-Parlamentarier, die es gewagt hatten, sich in einem Berliner Cafe mit jungen Abgeordneten der Linken zu treffen. Das eher harmlose Date zwecks Kennenlernens war von einer Mitarbeiterin (früher PDS, jetzt SPD) aus dem Büro von Becks Vize Andrea Nahles organisiert worden. Anlass genug für den konservativen Flügel zu fragen, was Nahles, die selbst der "Denkfabrik" angehört, von dem "Geheimtreffen" wusste, das übrigens schon im Mai angekündigt worden war. Dabei hatte Beck eigentlich gehofft, dass die Flügel seiner Partei ihre Hahnenkämpfe nach dem SPD-Zukunftskonvent in Nürnberg sein lassen werden.
Basis "bis ins Mark verunsichert
Nicht nur in Berlin, auch auf dem niedersächsischen Landesparteitag appelliert die Führung, Geschlossenheit zu demonstrieren. SPD-Landeschef Garrelt Duin fordert, die Reihen zu schließen und mit einer Stimme zu sprechen. Es müsse Schluss damit sein, dass führende Sozialdemokraten und Bundesminister ganz unterschiedliche Meinungen äußerten und sich öffentlich kritisierten, Die eigenen Genossen seien deshalb "bis ins Mark verunsichert", sagte Duin in Hannover beim Landesparteitag, an dem Becks Vize Außenminister Steinmeier teilnimmt. "Ich will, dass wir den Genossinnen und Genossen vor Ort den Stolz zurückgeben, Sozialdemokrat zu sein", so Duin. Zu den internen Querelen in der Landespartei nach der verheerenden Niederlage bei der Landtagswahl meint er: "Die letzten Wochen waren richtig hart."
Hück soll SPD lackieren
Laut einem Medienbericht will die SPD beim Bundestagswahlkampf offenbar den schillernden Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück als Zugpferd für die Arbeitnehmer-Klientel einsetzen. Hück habe bereits zugesagt, die "Stimme der Arbeiter" im Wahlkampfteam zu sein, berichtet das Magazin "Focus" unter Berufung auf Parteikreise. Bei einem Wahlsieg würde ihm womöglich ein Ministerposten winken. Beck wolle Hücks Berufung am kommenden Freitag bei einem Treffen mit dem Gewerkschafter im Stuttgarter Porsche-Werk bekanntgeben.
Der 46-jährige Hück, früher professioneller Thai-Boxer und gelernter Lackierer, ist seit langen Jahren SPD-Mitglied. Der stellvertretende Aufsichtsratschef pflegt ein gutes Verhältnis zu Porsche-Vorstandschef Wendelin Wiedeking. Im Streit um die Besetzung der Betriebsrats-Posten in der geplanten Holding für Porsche und Volkswagen hat er sich mehrfach gegen den als SPD-Domäne geltenden VW-Betriebsrat gestellt, der sich durch die von Wiedeking und Hück ausgehandelte Mitbestimmungsregelung dort stark unterrepräsentiert fühlt.
Quelle: ntv.de, dpa, rts