Passt alles nicht zusammen Bei Wahlsieg ...?
22.09.2009, 18:09 UhrDie Parteien lassen die Wähler kurz vor dem Urnengang weiter im Unklaren über Belastungen in den kommenden Jahren. Für heilloses Durcheinander sorgt die CSU, die Milliarden-Steuersenkungen und keinerlei "unsoziale Einschnitte" (Seehofer) verspricht, fast in gleichem Atemzug aber ein "hartes Jahr" mit Sparkurs (Guttenberg) ankündigt.
Wenige Tage vor der Bundestagswahl wissen die Bundesbürger immer noch nicht, was an Belastungen in den kommenden Jahren auf sie zukommt. Die CSU versprach neben Milliarden-Steuersenkungen: "Es wird nicht zu unsozialen Einschnitten kommen." CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München: "Und dabei bleibt's auch." Dies gelte für die Rente, das Arbeits- und Sozialrecht sowie den Gesundheitsbereich. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier warf Union und FDP vor, im Fall eines Wahlsieges zusätzliche Belastungen für Rentner und Krankenversicherte anzugehen. Die CDU wies dies als absurd zurück.
Das passt nicht zusammen
Seehofer sagte, auch bei öffentlichen Investitionen solle nicht gespart werden. Er ließ aber offen, wo der Staat angesichts von mehr als 1,6 Billionen Euro Schulden, massiver Steuerausfälle und Beitragseinbußen in den Sozialkassen sparen soll.

Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg (CSU) will (oder muss) sich von manchem "Liebgewordenen" trennen
(Foto: dpa)
Steinmeier erklärte im NDR, die von Union und FDP angekündigten Steuersenkungen bei gleichzeitiger Haushaltssanierung passten nicht zusammen. "Wer das machen will, muss tief einschneiden." Nach seiner Ansicht ist absehbar, dass Schwarz-Gelb entweder die staatlichen Zuschüsse für die Rentenkassen von jährlich 80 Milliarden Euro oder die zweistelligen Milliarden-Hilfen aus Steuergeldern für die Krankenversicherung kürzen wolle. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte: "Steinmeier betreibt bewusste Wählertäuschung."
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte zuvor einen Sparkurs vorausgesagt und "ein hartes Jahr" angekündigt. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte klargemacht, dass als Folge der Wirtschaftskrise nach der Wahl am 27. September Maßnahmen für höhere Einnahmen und/oder niedrigere Ausgaben beschlossen werden müssten. Konkrete Aussagen über Kürzungen machten beide Politiker nicht.
Opposition fordert vor Wahlen Klarheit
Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin forderte die Unionsparteien auf, den Wählern ihre Kürzungspläne offenzulegen. "Der Freiherr Guttenberg sollte frei heraus sagen, was er mit der Kürzung sogenannter liebgewonnener Gewohnheiten meint", sagte Trittin der "Berliner Zeitung". "Um bayerischen Villenerben Steuern zu sparen, soll im ganzen Land bei Polizistinnen, Lehrern, Erziehern, Professorinnen gespart werden."
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst, forderte mehr Ehrlichkeit. Seehofers Vorfestlegung auf Steuersenkungen führe zu sozialen Einschnitten nach der Wahl. Die CSU müsse ihre Pläne im Ganzen offenlegen. "Seehofers Steuersenkungswahn nervt. Der Mann leidet unter Realitätsverlust", sagte Ernst.
FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle forderte von der Regierung noch vor der Bundestagswahl einen Kassensturz. Der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" sagte er. Steinbrück und Guttenberg machten "nebulöse Andeutungen" über harte Zeiten. "Offensichtlich verschweigen die beiden wichtige Zahlen." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Westerwelle vor, mit der Forderung "die Wähler restlos für dumm" zu verkaufen. Erst verspreche er Milliarden-Steuergeschenke für Reiche, dann tue er plötzlich so, als sei die Haushaltskrise über Nacht hereingebrochen. Seit Monaten seien Rekordschulden und Finanzlasten bekannt.
Seehofer verteidigt - CDU bleibt skeptisch
Seehofer verteidigte die CSU-Forderung nach raschen Steuersenkungen. Entlastungen in vernünftigem Maße seien ein notwendiger und finanzierbarer Impuls für Investitionen und Wachstum. Der bayerische Ministerpräsident forderte erneut, dass bei der angestrebten schwarz-gelben Bundesregierung rasche Steuersenkungen im Koalitionsvertrag stehen müssten. Seine Prognose sei, dass auch die Jahre 2011 und 2012 als Daten für eine Einkommensteuer-Senkung genannt werden, wie die CSU sie propagiert. CDU und FDP wollen ebenfalls die Steuern senken. Die CDU nennt hierfür keine konkreten Daten. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte aber den Zeitraum 2011 bis 2013 für Entlastungen genannt.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sieht die Forderung der CSU nach Steuersenkungen ab 2011 skeptisch. "Da ist ein Stück Optimismus dabei", sagte der CDU-Vize dem "Hamburger Abendblatt". Zunächst müsse abgewartet werden, ob die Steuereinnahmen ausreichten.
Ökonomen plädieren für höhere Mehrwertsteuer
Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard rechnet mit höheren Steuern. "Sie sind nach der Bundestagswahl programmiert", sagte er der "Passauer Neuen Presse".Die "am wenigsten wachstumsschädliche Form der Steuererhöhung" sei eine höhere Mehrwertsteuer. Der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, forderte im ZDF eine deutliche Erhöhung. Eine Anhebung um einen Prozentpunkt würde acht bis neun Milliarden Euro in die Staatskassen spülen. Eine Mehrwertsteuer-Anhebung hatte Merkel aber ausgeschlossen.
Quelle: ntv.de, dpa