Politik

Aufarbeitung Schlesinger-Affäre Bericht: RBB zahlt 1,4 Millionen Euro für Rechtsberater

313682417.jpg

Nach eigenen Recherchen gab der RBB bisher 1,4 Millionen Euro für 31 Anwälte aus.

(Foto: picture alliance/dpa)

Artikel anhören
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Informationen zu unserer Vorlesefunktion finden Sie hier.
Wir freuen uns über Ihr Feedback zu diesem Angebot. 

Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg kehrt keine Ruhe ein. Ein Bericht des Senders selbst legt nun offen, dass ein Millionenbetrag für die Beratung durch zahlreiche Anwaltskanzleien gezahlt werde. Die Staatsanwaltschaft würde selbst kaum tätig. Experten äußern zudem Zweifel, ob wirklich alle Beweise vorgelegt würden.

Die Aufarbeitung der Affäre um Missstände und fehlerhafte Strukturen beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat einem Bericht des Senders selbst zufolge bisher bereits mehr als 1,4 Millionen Euro an Anwaltskosten ausgelöst. Wie es in dem Bericht heißt, seien 31 Anwälte von vier Kanzleien damit befasst. Die genannten Kosten seien alleine in den Monaten Juli bis November 2022 in Rechnung gestellt worden.

Größter Auftragnehmer ist demnach die Kanzlei Lutz/Abel, sie alleine habe über eine Million Euro für 20 Anwälte in Rechnung gestellt. Der Austausch mit den Kollegen, aber auch mit anderen Kanzleien stellten die Anwälte minutiös in Rechnung, heißt es in der RBB-Recherche. Der Stundensatz betrage demnach 250 bis 500 Euro.

Mehrere Rechtsexperten, die sich die Rechnungen angeschaut haben, nannten diese dem Bericht zufolge "absurd und nicht nachvollziehbar". Der Prodekan und Leiter der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität (HU), Martin Heger, sagte demnach, er könne verstehen, dass sich der RBB punktuell Rechtsbeistand holt, zum Beispiel von Arbeitsrechtlern wegen der umstrittenen Dienstverträge. Aber 31 Anwälte zu bezahlen, sei aus seiner Sicht eine Verschwendung von Rundfunkbeiträgen.

Experte sieht kaum Ertrag der Anwälte

Uwe Hellmann von der Universität Potsdam sieht das dem Bericht zufolge ähnlich: "Ich denke nicht, dass der Aufwand zu einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag steht, wenn man ein ganzes Heer von Anwälten beschäftigt für in der Sache eher überschaubare Vorwürfe." Bislang sei der Ertrag tatsächlich überschaubar. Im Zwischenbericht im Oktober 2022 stand nicht sehr viel mehr, als zuvor bereits in der Presse zu lesen war.

Rechtsexperten kritisieren zudem, dass die Anwälte doppelte Arbeit abrechneten und Leistungen für die Generalstaatsanwaltschaft erbrächten, für die der RBB eigentlich gar nicht zuständig sei. Seit August 2022 ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger und vier weitere Personen. Die Generalstaatsanwaltschaft forderte Unterlagen und Beweismittel an, eine Strafrechtskanzlei rechnete ab: "Durchsicht, Zusammenstellung und Übergabe der Unterlagen". Auch Telefonkonferenzen und Treffen mit den Ermittlern stellten sie demnach in Rechnung. Laut Heger bräuchte der RBB die Unterlagen allerdings einfach nur herausgeben, weil Staatsanwaltschaften nichts Illegales verlangen würden: "Ich sehe eigentlich keinen Grund, warum zur Bearbeitung von der Staatsanwaltschaft eingereichten Listen externer Rechtsrat eingeholt und natürlich bezahlt werden muss."

Arbeit wird doppelt erledigt

Aber vorliegende Rechnungen zeigten: Nicht nur die Strafrechtskanzlei, auch die anderen Kanzleien beschäftigten sich damit. Deutlich wird das auch in einem anderen Fall: Lutz/Abel rechnete mehrmals die "Durchsicht (von) Auskunftsverlangen der Generalstaatsanwaltschaft" ab. Im August etwa soll es an zehn Tagen um "Korrespondenz [...] wegen Auskunft an die Generalstaatsanwaltschaft, Abstimmung sowie Planung (der) Besprechung mit der Generalstaatsanwaltschaft" gegangen sein.

Profiteur der vom RBB bezahlten Arbeit sind aber nicht nur die Kanzleien, sondern laut Bericht auch die Generalstaatsanwaltschaft. Experten wie Hellmann verzeichnen hier laut RBB seit Langem den Trend, dass sich Staatsanwaltschaften einfach auf Anwaltskanzleien verlassen. Besonders kritisch werde dies, wenn die Kanzleien von denen bezahlt werden, gegen die ermittelt wird - wie im Fall des RBB. "Der Beitragszahler bezahlt die Aufwendungen für die Anwälte, die letztlich einen erheblichen Anteil der Arbeit der Staatsanwaltschaft übernehmen, die also Material sammeln für die Staatsanwaltschaft, die normalerweise die Staatsanwaltschaft, die durch den Steuerzahler bezahlt wird, selbst sammeln müsste", sagt HU-Professor Heger.

Gefahr gezielter Beweis-Auswahl besteht

Sein Kollege Hellmann erklärt: "Wenn über viele Stunden darüber gesprochen worden ist, welche Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden, dann wird am Ende das Ergebnis gestanden haben, dass nicht alle Informationen weitergegeben worden sind und dann hat die Staatsanwaltschaft eben kein vollständiges Bild erhalten. Also meiner Ansicht nach muss die Staatsanwaltschaft selbst ermitteln." Heger ergänzt: "Es besteht die Gefahr, dass durch die Vorauswahl des Materials durch die Anwälte eine gewisse Schlagseite entsteht."

Mehr zum Thema

Zur Pflicht von Ermittlern gehöre es, sich ein Gesamtbild zu machen, das regele Paragraf 160 der Strafprozessordnung. Und da die Leitungsebene des RBB beteiligt war, hätte die Generalstaatsanwaltschaft von Anfang an in großem Stil selbst beschlagnahmen müssen, erläutert Heger. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass vom RBB nur "passende" Beweismittel herausgegeben oder auch Beweismittel unterdrückt werden. Laut Heger müsste unter Umständen sogar der Straftatbestand der Veruntreuung von Beitragsgeldern geprüft werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin bestätigte derweil die Kooperation mit einer Kanzlei. Weitere "Auskünfte werden wegen andauernden Ermittlungen nicht erteilt", schreibt sie auf Anfrage des RBB.

Quelle: ntv.de, als

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen