Politik

"Kein Rückfall in Kalten Krieg" Berlin gelassen nach Putin-Rede

Die Bundesregierung hat Vorwürfen des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen den Westen widersprochen, wertet sie aber nicht als Zeichen eines neuen Kalten Krieges. "Einen solchen Rückfall sehen wir mit Bestimmtheit nicht", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Die Bundesregierung teile in einer Reihe von Punkten Putins Auffassung nicht, sagte Wilhelm weiter. Konkret nannte er Putins Kritik an der NATO-Osterweiterung. Damit werde der Raum von Frieden und Stabilität vergrößert. Die Bundesregierung werde mit Russland über wichtige Themen im Gespräch bleiben und bei internationalen Fragen wie dem Nahen Osten, Iran und dem Kosovo eng kooperieren, sagte Wilhelm. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe dies in ihrem Gespräch mit Putin in München nach dessen Rede auch so offen angesprochen.

Der russische Präsident hatte in einer scharfen Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende vor allem die USA, aber auch die NATO scharf kritisiert und damit Sorgen vor einer neuen Konfrontation ausgelöst. Zu Putins Kritik an US-Plänen für Raketenabwehrsysteme in Osteuropa sagte Wilhelm, die Regierung begrüße das US-Angebot für einen Dialog mit Russland in dieser Frage.

Deutsche Politik bleibt gelassen

Zumeist wurde die Putin-Rede in der deutschen Politik mit Gelassenheit aufgenommen. Außen- und Verteidigungsexperten der großen Koalition zeigten durchaus Verständnis für Putins Haltung und warnten vor einer Dramatisierung seiner Aussagen. Zum Teil wurde aber auch Besorgnis zum Ausdruck gebracht.

Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische Zusammenarbeit, Andreas Schockenhoff, sagte im Deutschlandfunk, Putin habe in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu einer offenen und kritischen Diskussion eingeladen und durchaus konstruktive Angebote gemacht. Als Beispiel nannte der CDU-Politiker Putins Offerte zur Zusammenarbeit bei der Lösung des Iran-Konflikts.

Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), warnte davor, die Rede zu dramatisieren: "Es war einfach eine poltrige Einladung zum Gespräch." Putin habe berechtigte Sorgen deutlich gemacht, erklärte der Christdemokrat laut "Mitteldeutscher Zeitung" (Halle/Saale). "Beim Thema Raketenabwehr sollte die NATO noch stärker auf Russland zugehen."

Der SPD-Verteidigungsexperte Arnold erklärte in der Tageszeitung "Die Welt", zwar habe Putin eine Rede jenseits der üblichen diplomatischen Gepflogenheiten gehalten. Putin störe allerdings zu Recht die Stationierung von Raketen und die Stationierung zusätzlicher US-Soldaten nahe der russischen Grenze. SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen kritisierte Putins Erklärungen als "psychologischen Fehler". Im Berliner "Tagesspiegel" sagte er: "Putin ist als Macho aufgetreten und hat das Spielen mit den Muskeln überzogen." Dennoch dürfe der Moskauer Regierungschef nicht verteufelt werden. Denn dies würde jene russischen Kräfte stärken, die für eine Abgrenzung vom Westen seien.

SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Struck sah in Putins Äußerungen zunächst nur "Wortgeklingel". Der frühere Verteidigungsminister sagte im ZDF, er "glaube nicht, dass da auch ein ernsthafter Hintergrund dabei zu sehen ist". Was Putin in München ansprechen wollte, sei ihm "eigentlich relativ unverständlich" angesichts der Partnerschaft zwischen der NATO und Russland mit regelmäßigen gemeinsamen Tagungen. In einem nun von manchen befürchteten neuen Kalten Krieg könne "Russland nur der Verlierer sein" sagte Struck.

"Putins Rede war ein unverblümter Großmachtanspruch", sagte dagegen der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden, der "Berliner Zeitung". Putin habe die Gelegenheit verpasst, die Sorgen des Westens über die innen- und außenpolitische Zukunft des Landes zu zerstreuen. "Er hat keine der Fragen über die Entwicklung von Justiz, Pressefreiheit und Pluralismus in Russland beantwortet."

In der "Neuen Presse" (Hannover) sch lug von Klaeden eine Einbeziehung Russlands in den geplanten Raketenschutzschirm über Osteuropa vor. "In der NATO sollten wir erwägen, Russland eine Beteiligung anzubieten." Angesichts der neuen Gefahr eines nuklearen Wettrüstens müsse man darüber nachdenken, wie man sich zum Beispiel vor möglichen iranischen Nuklearwaffen schützen könne, verteidigte von Klaeden die US-Pläne. "Dieser Sicherheitsschirm wäre nicht gegen Russland gerichtet."

Der FDP-Außenexperte Werner Hoyer sagte der "Berliner Zeitung": "Russland meldet sich zurück. Es hat neues Selbstbewusstsein, das sich aus den Energie-Ressourcen speist." Putin habe zwar scharf formuliert, doch nicht gesagt, an welcher Problemlösung er sich wie beteiligen wolle.

US-Botschafter sieht "aggressiv-unkooperative Positionen"

"Aggressiv-unkooperative Positionen" warf der frühere US-Botschafter in Deutschland und bei den UN, Richard Holbrooke, dem russischen Präsidenten vor. Er sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Ich verstehe seine Aussagen zur NATO und seine Angriffe auf die US-Außenpolitik nicht. Nichts davon war von dem kooperativen Geist, in dem wir mit den Russen zusammenarbeiten."

Putin hatte den USA in einer der schärfsten Reden seiner siebenjährigen Amtszeit vorgeworfen, mit exzessivem Einsatz von Gewalt nach der Weltherrschaft zu greifen und das internationale Recht mit Füßen zu treten. Die NATO-Osterweiterung und den Raketenschild nannte er eine Bedrohung für den Frieden. Putin drohte unverhüllt, die Pläne für ein Raketenabwehrsystem in Osteuropa militärisch zu kontern.

In seine Kritik hatte er auch die Europäische Union einbezogen. Allerdings hatte Putin sie nicht ganz so hart attackiert wie die USA. Das Weiße Haus in Washington wies die Kritik zurück. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer nannte die Putin-Rede "enttäuschend und wenig hilfreich".

Quelle: ntv.de

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