"Keine freie Wahl" Berlin kritisiert Russland
03.12.2007, 06:57 UhrDie Bundesregierung hat den Verlauf der russischen Parlamentswahlen als undemokratisch kritisiert. "Gemessen an unseren Maßstäben und unseren Standards war das keine freie, keine gleiche und keine demokratische Wahl", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Man könne das russische politische System nicht demokratisch nennen. "Russland war keine Demokratie und Russland ist keine Demokratie." Steg verwies auf "erhebliche Einschränkungen" gegen die Opposition, bei Bürgerrechten, Meinungs- und Pressefreiheit im Vorfeld der Wahl. "All das hat Anlass zur Sorge gegeben."
Bei der Wahl hatte die Partei Einiges Russland von Präsident Wladimir Putin einen klaren Sieg errungen. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit könnte die Partei die Verfassung ändern und dem Präsidenten, der nach der geltenden Verfassung im kommenden Frühjahr nicht zur Wiederwahl antreten kann, neue Machtoptionen eröffnen.
Die Bundesregierung warnte Putins Partei vor einem Missbrauch ihrer Mehrheit im Parlament. Es sei zu hoffen, dass die Mehrheit nicht für Entscheidungen benutzt werde, die von Rechtsstaatlichkeit und Mehrparteiensystem wegführen könnten, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes.
Steg betonte zugleich, die Bundesregierung halte an der strategischen Partnerschaft mit Russland fest. "Wir wollen mit Russland zusammenarbeiten, um internationale Konflikte am besten mit Russland und nicht gegen Russland zu lösen", so Steg mit Hinweis auf den Status des Kosovo und den Konflikt um das iranische Atomprogramm. Das Verhältnis zu Russland ist in der deutschen Politik seit Jahren umstritten. Aus der Union wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorgeworfen, in der Tradition von Ex-Kanzler Gerhard Schröder zu nachsichtig mit Russland zu sein.
Wahlergebnis verfälscht
Unterdessen kritisierte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einen starken Einfluss der russischen Regierung auf die Parlamentswahl. Dies sei nicht normal und verändere die Ergebnisse, sagte Kimmo Kiljunen, Vize-Präsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. "Wir sollten uns dessen bewusst sein", fügte er hinzu.
Die Parlamentarische Versammlung hat trotz der Absage der OSZE-Wahlbeobachterorganisation ODHIR etwa 40 Beobachter nach Russland geschickt. Die ODHIR hatte ihre Absage mit Visa-Verzögerungen und Behinderungen begründet. Putin hatte die Organisation dafür verurteilt und den USA Einmischung vorgeworfen.
Eine andere Demokratie
Auch FDP-Fraktionsvize Werner Hoyer kritisierte bei n-tv das "Maß an Manipulationen" im Vorfeld sowie den "mangelnden Zugang zu den Medien, die ohnehin ja nur sehr beschränkt frei sind". Dennoch müsse man sich daran gewöhnen, dass "Russland ein wichtiger Partner ist, mit dem wir zusammenarbeiten wollen und müssen - viele Probleme auf dieser Welt können wir nur mit Russland lösen. Aber Russland gehört eben - und das ist gestern deutlich geworden - nicht zu der Gemeinschaft der freien Demokratien nach unserer Vorstellung."
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, sagte, die Abstimmung sei keine demokratische Wahl "in unserem Sinne" gewesen. In Bezug auf die zukünftige Rolle Putins zeigte sich der CDU-Politiker überzeugt davon, dass Putin "auch hier nichts dem Zufall überlassen" werde. Die derzeitige politische Lage in Russland bezeichnete er als "trügerische Stabilität".
Alle für einen - Auch Kleine im Parlament
Nach Auswertung fast aller Stimmzettel übersprangen drei weitere Parteien die auf sieben Prozent angehobene Hürde für den Einzug ins Parlament. Dabei lagen die Kommunisten als zweitstärkste Kraft bei 11,7 Prozent. Die nationalistische Liberaldemokratische Partei (LDPR) erreichte 8,4 Prozent. Die Partei Gerechtes Russland kam auf 8 Prozent. Alle drei Parteien unterstützen in zentralen Fragen den Kurs von Putin, politische Beobachter sprechen von "Blockflöten" Die tatsächlich oppositionellen prowestlichen Parteien Jabloko und SPS blieben deutlich unter 2 Prozent.
Quelle: ntv.de