Politik

Zusätzliche Entschuldungshilfe Berlin verklagt den Bund

Gegen massiven Widerstand der Bundesregierung und vieler Länder will Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht milliardenschwere Finanzhilfen erstreiten. "Wir können nicht zulassen, dass Berlin zum Armenhaus der Republik wird", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Mittwoch bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe. Die mit 60 Milliarden Euro verschuldete Hauptstadt will vor dem Gericht die Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage durchsetzen. Das ist die Voraussetzung für weitere Zuwendungen des Bundes.

Berlin sei aus eigener Kraft nicht in der Lage, sich aus der extremen Haushaltsnotlage zu befreien, argumentierte Wowereit. Als Vertreterin der Bundesregierung wies die Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, Barbara Hendricks (SPD), die Forderungen entschieden zurück. Der Bund und die anderen Länder hätten ebenfalls kein Geld, die Hauptstadt müsse noch mehr sparen und Ausgaben kürzen.

Das Urteil wird erst in einigen Monaten verkündet, möglicherweise aber vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September. Der Berliner Senat hatte die Klage auf Anerkennung der Haushaltsnotlage im Herbst 2003 eingereicht. 1992 hatten bereits Bremen und das Saarland erfolgreich geklagt. Beide Länder reichten inzwischen erneute Klagen auf finanzielle Unterstützung ein. Vertreter aller Bundesländer verfolgten die Verhandlung.

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, sagte in seiner Einführung: "Das ist nicht nur eine Sache zwischen Berlin und dem Bund, sondern eine Sache der Republik." Seine Kollegin Lerke Osterloh, die den Prozess vorbereitete, wies auf die "trübe Verfassung" der Finanzen des Bundesstaates hin. Wichtig bei der Feststellung der Haushaltsnotlage sei der relative Aspekt, also die "wesentliche Differenz zwischen der Durchschnittslage aller Länder und dem Notlagen-Land".

Wowereit sagte, zwei historische Gründe seien entscheidend für die Überschuldung der Hauptstadt: Der Zweite Weltkrieg und die Teilung Deutschlands und Berlins. "Berlin wäre sonst das wirtschaftliche Zentrum Deutschlands." Er betonte, die geforderten Bundeshilfen seien nicht für den Konsum gedacht, sondern sollen nur der Entschuldung dienen.

Finanz-Staatssekretärin Hendricks argumentierte, die Finanzen hätten sich insgesamt deutlich verschlechtert. "Der Bund ist bereits an der Grenze zur Selbstgefährdung angelangt." Sechs weitere Bundesländer hätten keine verfassungsgemäßen Haushalte mehr, Bremen und Saarland würden ihre zweite Haushaltsnotlage geltend machen.

Hendricks warf Berlin vor, das Ausgaben-Niveau der Hauptstadt liege "weit jenseits der Vergleichsmaßstäbe". Eine Neuregelung des Finanzausgleichs sei vorstellbar, wenn das Gericht Vorgaben mache, die sich auch im Bundesrat, der vieles bisher verhindert habe, durchsetzen ließen.

Der juristische Vertreter Berlins, Joachim Wieland, verwies auf die Verantwortung des Bundes für die Regelung der Finanzen. Berlin habe die von der Finanzverfassung geforderten "ausreichenden Eigenanstrengungen" zur Sanierung des Haushaltes unternommen. Im kommenden Jahr lägen die Einnahmen erstmals seit langem über den Ausgaben ohne Zinsen. Der Vertreter des Bundes, Professor Peter Selmer, meinte hingegen, erst "im äußersten Notfall" müssten Finanz-Hilfen fließen. "Gerät der Durchschnittsfall zum Ausnahmefall, verliert der Anspruch seine Berechtigung."

Die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen wiesen die Forderungen Berlins strikt zurück. Sie seien selber "bis an die Grenze des Zumutbaren belastet", sagte der Rechtsprofessor Ulrich Häde als Vertreter der vier Bundesländer. "Es darf keinen Automatismus auf Bundeshilfen geben." Das würde das "Bundesprinzip überdehnen" und hätte "fatale Auswirkungen". Er forderte Berlin auf, zuerst sein "immenses Vermögen" in Form von Unternehmensbeteiligungen oder Wohnungen zu verkaufen. Der Vertreter von Nordrhein-Westfalen kritisierte, Berlin habe sein Sparpotenzial noch nicht ausgeschöpft.

Quelle: ntv.de

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