Politik

Geiselvideo Berlin will Druck verhindern

Die Bundesregierung will verhindern, dass durch die Videobotschaft der Entführer eines Deutschen in Afghanistan zusätzlicher Druck in dem Geiseldrama entsteht. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes verurteilte das Video erneut als "gezielt lanciertes Dokument der Einschüchterung". Zugleich verweigerte sie jede weitere Aussage zu dem Band, das der Krisenstab unter Hochdruck auswerte.

Der arabische Fernsehsender Al Dschasira hatte das offenbar mehrere Tage alte Video am Dienstagabend ausgestrahlt. Dem Sender zufolge ruft der Ingenieur Rudolf B. darin die Regierungen in Berlin und Washington auf, ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen, sonst werde er getötet. Politische Forderungen - wie sie der Deutsche auf dem Video offenbar unter Druck seiner Geiselnehmer stellte - sind für die radikal-islamischen Taliban typisch. Rudolf B. befand sich aber nach dpa-Informationen zumindest noch am Montag - also nach dem Aufnahmedatum - in der Hand einer örtlichen Taliban-Gruppe mit kriminellem Hintergrund. Die Entführer sollen demnach nur lose Verbindung zu der straffer organisierten Rebellenorganisation von Taliban-Chef Mullah Omar unterhalten.

Al Dschasira strahlte das Video ohne Ton aus. Rudolf B. steht vor einem felsigen Hintergrund. Man sieht, wie er auf einen Felsbrocken zugeht und sich darauf setzt. B. wird von einem der Entführer mit einem Granatwerfer bedroht. Das steinige Tal lässt keine genaue Umgebung erkennen. Die Geisel wirkt auf den Aufnahmen äußerlich unversehrt. Woher der Sender das Video bekommen hat, war unklar. Nach unbestätigten Meldungen sollen die Video-Aufnahmen mehrere Tage alt sein. Dies habe eine erste Auswertung der Bilder durch den Krisenstab im Auswärtigen Amt ergeben, berichtet "Spiegel". Das Material sei auf einem Memory-Stick gespeichert gewesen. Die entsprechende Datei sei am 28. Juli letztmalig verändert worden. Die Experten hätten auch eine Fleece-Jacke auf dem Video erkannt, die die deutsche Botschaft in Kabul Ende vergangener Woche über Vermittler in die Berge geschickt habe.

Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, das Video werde von Experten des ständig tagenden Krisenstabs analysiert. Minister Frank-Walter Steinmeier lasse sich auch auf seiner Afrika-Reise regelmäßig über den Stand unterrichten. Sie lehnte jede Angabe zum Inhalt oder Rückschlüssen auf die Lage in dem Entführungsfall ab.

Der 62-jährige Bauingenieur war vor zwei Wochen gemeinsam mit einem deutschen und mindestens fünf afghanischen Kollegen entführt worden. Sein deutscher Kollege starb entweder an den Strapazen der Entführung oder wurde erschossen. Eine der afghanischen Geiseln kam später frei, die anderen sind wie der überlebende Deutsche weiterhin in der Hand ihrer Entführer. Der Sender strahlte noch ein zweites Video aus, auf dem laut Al Dschasira vier mit dem Deutschen entführte Afghanen zu sehen sind. Diese hätten die afghanische Regierung gebeten, auf die Forderungen der Kidnapper einzugehen.

Nach Erkenntnissen der afghanischen Regierung ist der Gesundheitszustand des 62-Jährigen zufriedenstellend. Der Sprecher des Innenministeriums in Kabul, Semarai Baschari, sagte: "Wir haben weiterhin Hoffnung, dass er freigelassen wird." Angesichts der 21 südkoreanischen Geiseln sagte er: "Wir vergessen auch den Deutschen nicht." Eine eigene Regierungsdelegation arbeite an der Freilassung des Deutschen aus der Geiselhaft.

Lassen uns nicht erpressen

Angesichts der Geiselnahmen hielt die Diskussion um Lösegeldzahlungen und andere Forderungen von Entführern an. SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach sich für eine unnachgiebige Haltung aus: "Wir können solchen Forderungen nicht nachgeben", sagte er im ZDF. "Wenn wir nachgeben würden, würde es natürlich sofort weitere Nachahmungstaten geben." Ähnlich äußerte sich der afghanische Handelsminister Amin Farhang: "Ich bin grundsätzlich gegen Lösegeldzahlungen und direkte Kontakte der betroffenen Staaten mit den Geiselnehmern", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung".

In der durch die Geiselnahme belasteten Debatte über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan sprach sich Struck dafür aus, die Zahl der Soldaten eher zu erhöhen. Die Stabilität solle zunächst durch mehr Ausbilder für die Armee gestärkt werden. "Wenn die Führung (der Schutztruppe ISAF) und die Bundeswehrführung der Meinung sind, dass wir mehr Soldaten brauchen, dann bin ich sehr dafür", sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen". Die Verlängerung der Mandate ist für die SPD heikel, weil Teile der Partei die deutsche Beteiligung am US-geführten Antiterror-Einsatz "Enduring Freedom" (OEF) ablehnen. Die Mandate für ISAF und OEF stehen im Herbst zur Entscheidung an.

Quelle: ntv.de

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