"Mutterkuchen des Sommerlochs" Bestechungs-Paragraph für Ärzte
03.09.2009, 08:21 UhrKrankenkassen fordern eine Gesetzesänderung, um gegen bestechliche Ärzte vorzugehen. Unterstützung erhalten sie von der SPD. Gesundheitsexperte Lauterbach warnt gegenüber n-tv, dass durch die Bestechungspraxis Patienten "stark geschädigt, im Notfall sogar zu Tode kommen" könnten.
Der Bestechungs-Paragraf 299 des Strafgesetzbuches müsse so geändert werden, dass er auch auf niedergelassene Ärzte angewendet werden könne, verlangte die Chefermittlerin der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Dina Michels, in der "Frankfurter Rundschau". Bestechliche niedergelassene Ärzte würden bisher nicht verfolgt: "Ich weiß von keiner einzigen Anklage gegen einen Arzt", sagte Michels.
Laut Michels ist die Bestechung niedergelassener Ärzte auch jenseits der Krankenhäuser verbreitet - etwa bei der Zusammenarbeit mit Sanitätshäusern und Hörgeräteakustikern. Manche Anbieter hätten "die Gebiete regelrecht unter sich aufgeteilt". Manche zahlten den Ärzten die Kosten für eine Arzthelferin oder die Auto-Leasingrate der Frau.
Lauterbach erwägt Meldepflicht

Lauterbach warnt vor Folgen für die Patienten.
Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht davon aus, dass sich die Praxis der Bestechungspraxis ausgebreitet hat. "Das muss unbedingt sofort gestoppt werden, weil das nicht nur ein Wirtschaftsdelikt alleine ist, das ist nicht nur Bestechung, sondern der Patient kann durch so einen Vorgang sogar stark geschädigt werden, im Notfall sogar zu Tode kommen", sagte Lauterbach gegenüber n-tv.
Lauterbach unterstützte zudem die Forderung der Ärzte, die Bestechungsparagraphen einzusetzen. "Das sind Formen von Bestechung und das sind keine erlaubten Zuwendungen." Auch müsse man über eine Art Meldepflicht für Krankenhäuser und Ärzte nachdenken, falls derartige Fälle beobachtet würden.
"Mutterkuchen des Sommerlochs"
Die Ärzte zeigten sich unterdessen empört über die Vorwürfe. Es gebe zwar Einzelfälle, in denen Ärzte illegal Geld von Kliniken genommen hätten, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, in Berlin. Die Patienten könnten trotzdem weiter auf verantwortungsbewusstes Handeln ihres Arztes vertrauen. Die Debatte gehe voll zulasten der Kranken. "Hier werden im Moment massiv die Patienten verunsichert", sagte Köhler. "Da krieg ich das Kotzen." Die Angriffe seien Nachwehen des Sommers: "Das ist der Mutterkuchen des Sommerlochs."
"Das ist Betrug"
Angesichts der Vorwürfe forderte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ein hartes Durchgreifen. "Das ist Betrug zulasten der Versichertengemeinschaft", sagte sie für den Fall, dass die Darstellungen über illegale Zahlungen zuträfen. Schmidt sagte: "Das ist Aufgabe der Ärztekammer, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht geschieht." Dennoch seien fließende Übergänge zwischen Klinik und Praxis wichtig und dürften nun nicht infrage gestellt werden. "Wenn es für falsche Dinge Geld gibt, ist es für mich eine Frage, dass man sich hier des Betrugsverdachts zumindest aussetzt", mahnte sie. "Da muss man dagegen vorgehen, sonst werden wir solche Praktiken nie ausmerzen."
Der Vorstand der Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, forderte Schmidt auf, ihren Wahlkampf sofort zu unterbrechen und die Machenschaften notfalls per Verordnung zu unterbinden.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa