Warnung vor Irak-Invasion ignoriert Blair machte Kritiker "mundtot"
29.11.2009, 13:34 UhrDie Entscheidung der USA und Großbritanniens, im März 2003 ohne UN-Mandat in den Irak einzumarschieren, ist noch immer höchst umstritten. Laut einem Medienbericht schrieb der damalige britische Generalstaatsanwalt Goldsmith bereits im Juli 2002 an Blair, dass die Invasion gegen internationales Recht verstoße. Beim Erhalt des Briefes sei Blair "durchgedreht".

Blair habe versucht, Kritik an der geplanten Irak-Invasion zurückzuhalten, schreibt die "Mail on Sunday".
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der frühere britische Generalstaatsanwalt Peter Goldsmith soll den damaligen Premierminister Tony Blair schon früh vor dem Einmarsch in den Irak gewarnt haben. Wie die britische Zeitung "Mail on Sunday" berichtet, hatte Goldsmith Blair bereits im Sommer 2002, acht Monate vor Beginn des Irak-Kriegs, einen entsprechenden Brief geschrieben.
Darin habe er festgestellt, dass es gegen internationales Recht verstoße, den irakischen Machthaber Saddam Hussein zu stürzen. Völkerrechtlich sei eine militärische Intervention nur zur Selbstverteidigung erlaubt, zitiert die Zeitung aus dem Schreiben. Der Irak habe für Großbritannien zu der Zeit aber keine Bedrohung dargestellt.
Großbritannien war der wichtigste Verbündete der USA, als diese unter Ex-Präsident George W. Bush ohne Mandat der Vereinten Nationen im März 2003 im Irak einmarschierten. Die USA und Großbritannien warfen dem Irak damals vor, Massenvernichtungswaffen zu besitzen; diese wurden jedoch nie gefunden.
Blair hielt Kritik unter Verschluss
Goldsmiths warnender Brief ist dem Bericht zufolge auf den 29. Juli 2002 datiert. Sechs Tage zuvor waren die Mitglieder von Blairs Regierung bei einer Kabinettssitzung darüber informiert worden, dass die USA und Großbritannien einen "Regimewechsel" im Irak anstrebten. In dem Brief vertrat Goldsmith laut "Mail on Sunday" die Einschätzung, dass diese Begründung für einen Krieg nicht ausreiche. Ein Freund Goldsmiths, der namentlich nicht genannt wurde, sagte der Zeitung, dass Blair "durchgedreht" sei, als er den Brief bekommen habe.
Der Zeitung zufolge habe Blair den Brief Goldsmiths ignoriert. Blair, den die "Mail on Sunday" als engen Freund Goldsmiths bezeichnet, habe demnach angeordnet, den Generalstaatsanwalt "mundtot" zu machen und ihn von Kabinettssitzungen auszuschließen. Blair habe die brisante Informationen sogar seinem eigenen Kabinett vorenthalten und sie nur an wenige, enge Vertraute weitergegeben, die zur Geheimhaltung aufgefordert worden seien.
Goldsmith "an die Wand genagelt"
Unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten engen Vertrauten Goldsmiths schreibt die Zeitung, der Generalstaatsanwalt sei bei einem Treffen mit Blair und zwei von dessen Vertrauten in der Downing Street "mehr oder weniger an die Wand genagelt" worden. Goldsmith habe daraufhin gedroht, von seinem Posten im Kabinett zurückzutreten. Die Zeitung schrieb, dass sich ein Sprecher Blairs nicht zu den jüngsten Enthüllungen äußern wollte.
Goldsmith hatte sich Anfang März 2003 erneut in einem Brief an Blair gegen den Einmarsch in den Irak ausgesprochen. Nur eine Woche später schwenkte Goldsmith jedoch um und rechtfertigte die Invasion. Das erste Schreiben vom 7. März 2003 gelangte Ende April 2005 an die Öffentlichkeit. Kritiker hatten Goldsmith vorgeworfen, er habe dem politischen Druck nachgegeben.
Dass Goldsmith Blair bereits 2002 warnte, kam jetzt durch die Arbeit des sogenannten "Chilcot-Ausschusses" ans Licht, der in öffentlichen Anhörungen die britische Beteiligung am Irak-Krieg untersucht. Der parteiunabhängige Ausschuss wurde von Premierminister Brown initiiert und nahm am 30. Juli 2009 offiziell seine Arbeit auf.
Der Vorsitzende des Ausschusses, John Chilcot, schreibt auf der Homepage der Kommission, Ziel der Arbeit sei es zu prüfen, welche Rolle Großbritannien im Irak-Konflikt zwischen 2001 und 2009 spielte. Es solle genau untersucht werden, auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen wurden, um daraus für die Zukunft zu lernen. Der Ausschuss will im kommenden Jahr auch Blair befragen.
Quelle: ntv.de, kkl/AFP