Schweiz probt den Aufstand Blocher fällt durch
12.12.2007, 12:41 UhrIn der bisher so stabilen Schweiz hat die Welle der Erschütterungen nach der Wirtschaft auch die Politik erfasst. Der glanzvolle Sieger der Parlamentswahl vom Oktober, der umtriebige und umstrittene Populist und Spitzenkandidat der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), Christoph Blocher, wurde in zwei Wahlgängen nicht mehr in die Regierung gewählt. Seine zahlreichen Gegner haben es dem 67-jährigen, der es vom Bauernsohn zum Milliardär brachte, so richtig heimgezahlt.
Blocher hatte weder im ersten noch zweiten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit der 246 Abgeordneten der Bundesversammlung hinter sich gebracht, die aus den Abgeordneten des Nationalrates und des Ständerates der Kantone besteht. Alle anderen Regierungsmitglieder - je zwei der Sozialdemokraten und der Freisinnigen, einer der Christdemokraten sowie ein SVP-Kandidat - wurden wiedergewählt und dann vereidigt.
Die Nichtwahl Blochers gilt als politische Sensation in einem Land, in der die großen Parteien seit 1959 praktisch gemeinschaftlich die Regierung bilden, seit 2003 mit Mitgliedern der SVP sowie Christ- (CVP), Frei- (FDP) und Sozialdemokraten (SP). Blocher wurde vorgeworfen, er habe dieses seit den 50er Jahren herrschende Modell der Konkordanz seit seinem Eintritt in die große Politik durch seine "diktatorische" Amtsführung zerstört. Tatsächlich hat Blocher sich nur mit Zähneknirschen und in einigen Fällen gar nicht der Konkordanz-Disziplin unterworfen. Auch hat er ein Bild im Ausland hinterlassen, das ihn in die Nähe von Rechtspopulisten wie Österreichs Jörg Haider oder Frankreichs Jean-Marie Le Pen rückte.
Noch bei der Wahl im Oktober hatten Blocher und seine Partei 29 Prozent der Stimmen errungen und sich mit erneutem Stimmenzuwachs als stärkste Kraft im Parlament etabliert. Das Wahlziel der Sozialdemokraten und Grünen, die sich ganz auf die Schwächung Blochers konzentriert hatten, war verfehlt. Nun kam die Stunde der Revanche: Beide Parteien stellten eine angesehene SVP-Politikerin, Eveline Widmer-Schlumpf, zur Wahl - obwohl diese sich selbst gar nicht ins Spiel gebracht hatte. Und mit den Stimmen der Christdemokraten brachten sie sie tatsächlich durch. Ob sie die Wahl annimmt, ist allerdings noch offen. Widmer-Schlumpf bat sich zunächst eine Bedenkzeit aus. Das Parlament vertagte sich auf diesen Donnerstag.
Da der SVP wegen ihrer Stellung als größte Partei in der Regierung zwei Sitze zustehen und Verteidigungsminister Samuel Schmid bereits gewählt war, ist Blocher jetzt draußen - und der Eklat da. Der mächtigste Politiker der größten Partei der Schweiz gehört damit nicht der Regierung an - ein historisch einmaliger Vorgang in dem Alpenland. Erst zum zweiten Mal in 133 Jahren wurde ein amtierendes Schweizer Regierungsmitglied abgewählt.
Blocher zog sich am Mittwoch schließlich - wie es hieß "sehr bleich" - mit seinen Getreuen ins Zimmer 88 des Bundeshauses in Bern zurück. Wahrscheinlich sei, dass er mit seiner Partei in die Opposition gehe, hieß es. Dort kommt er her, und viele haben ihm vorgeworfen, auch in der Regierung diese Position nie aufgegeben zu haben. Zwar könnte Blocher theoretisch noch in einem dritten Wahlgang antreten. Doch ob er diesen Schritt mit Aussicht auf Erfolg wagen kann, darauf wollte in Bern niemand wetten.
Neue Bundeskanzlerin
Auch bei der Wahl des Bundeskanzlers musste die SVP eine Niederlage hinnehmen. Die beiden Kammern des Parlaments wählten die von den Christdemokraten vorgeschlagene Kandidatin Corina Casanova mit 124 von 244 gültigen Stimmen. Die SVP-Kandidatin Nathalie Falcone-Goumaz kam auf 64, der FDP-Bewerber Markus Seiler auf 52 Stimmen.
Quelle: ntv.de