Huber greift Nachfolger Seehofer an "Blutiger Erbfolgekrieg" in der CSU?
01.06.2014, 15:21 Uhr
Nach der Europawahl könnte Horst Seehofer die Regelung seiner Nachfolge entgleiten.
(Foto: REUTERS)
Eigentlich wollte Horst Seehofer den CSU-Vorsitz und die bayerische Landesregierung in vier Jahren geordnet übergeben. Doch die Niederlage bei der Europawahl macht ihn angreifbar. Ein alter Parteifeind heizt den Unfrieden an.
Auf der ersten Etage der bayerischen Politik machte Horst Seehofer lange Zeit den Eindruck, dass ihn das Gerangel ein Stockwerk tiefer amüsiert. Zwei Politiker rüsten sich dort für den Aufstieg: die ehemalige Bundesministerin Ilse Aigner und der angriffslustige Parteisoldat Markus Söder. Beide haben seit Herbst ein für sie zugeschnittenes Superministerium in Bayern. Beide hören von Seehofer ab und zu ein Lob, beide bekommen ab und zu ihre Schranken aufgezeigt.
Irgendwann würde die Zeit kommen, wo Seehofer sich ganz auf die eine oder die andere Seite schlägt und so seine Nachfolge regelt – so schien es bislang. Niemand zweifelte daran, dass es in Seehofers Macht steht, die Zeit nach seinem Abtritt vorab zu regeln.
Doch durch das schlechte Abschneiden bei der Europawahl ist Seehofers Macht angekratzt. Per "Spiegel"-Interview tritt nun auch noch sein Vorgänger Erwin Huber auf den Plan und wirft das Machtspiel über den Haufen.
Falsche Kampagne, falsches Team
Seehofer praktiziere "oftmals einen verletzenden Umgang mit der Macht", erliege "nicht selten den Moden des Zeitgeists" und habe im Wahlkampf die Parolen der Protestpartei AfD befördert. Zwar habe er die CSU bei der Landtagswahl wieder zur absoluten Mehrheit geführt, aber Huber erlaube sich die Nachfrage, wie nachhaltig dieser Erfolg eigentlich sei: "Die Bindungskraft der CSU hat in zehn Jahren dramatisch abgenommen."
Bei der Europawahl hatte die CSU 40,5 Prozent geholt und damit 7,6 Prozentunkte weniger als bei der Europawahl 2009 und ganze 13,4 Punkte weniger als bei der Bundestagwahl 2013.
Der krasse Absturz wird auf eine falsch angelegte Kampagne zurückgeführt. Seehofer installierte den Eurogegner Peter Gauweiler als Spitzen-Wahlkämpfer und ließ fremdenfeindlich anmutende Töne über Bulgaren und Rumänen verbreiten.
Alleine siegen, gemeinsam verlieren
Ziel war es, der AfD das Wasser abzugraben, doch das Gegenteil passierte: Die neue Partei bekam in Bayern sogar mehr Stimmen als im Bundesdurchschnitt. Der europaskeptische Kurs der CSU passte weder zu der Politik der eigenen Abgeordneten im Europaparlament noch zur Schwesterpartei CDU und schon gar nicht zum EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker.
Horst Seehofer übernahm nach der Wahl öffentlich die Verantwortung für das Debakel, bemühte sich aber in der Vorstandssitzung, die Schuld auf viele Schultern zu verteilen. "Wenn es ein Sieg gewesen wäre, hätte er gewonnen. Verloren haben wir gemeinsam", wurde ein Teilnehmer der Sitzung danach zitiert. "
Der Aufstand gegen Seehofer blieb bislang aus. Weder Aigner noch Söder scheinen es für klug zu halten, sich jetzt schon vorzuwagen. 2018 braucht Bayern einen neuen Ministerpräsidenten, ein neuer CSU-Chef sollte dann schon im Amt sein. Jetzt eine Revolte anzuzetteln, hieße, Seehofer vorzeitig aus den Ämtern zu jagen.
Huber stellt alles infrage
Ob die Parteibasis wegen einer verlorenen Europawahl einen Umsturz toleriert? Huber bewertet die Lage allerdings als sehr ernst: "Die CSU steht vor der größten Bewährungsprobe ihrer Geschichte." In der "Süddeutschen Zeitung" wehrt sich Seehofer gegen den Angriff. "Der Erwin Huber wollte mich nie", sagte er. Von der "erwartungsgemäßen" Kritik lasse er sich nicht aus der Ruhe bringen.
Wahrscheinlicher als ein Putsch an der Parteispitze erscheint eine längere Zeit der Unruhe. Huber gibt nicht nur dem Konkurrenzkampf zwischen Aigner und Söder neuen Stoff. Er stellt gleich das ganze Duell infrage: "Wir dürfen uns nicht auf die von Seehofer installierten Kronprinzen beschränken", sagte er dem "Spiegel". Und mehr noch: Huber plädiert dafür, über eine Doppelspitze zu diskutieren, also die Ämter des Ministerpräsidenten und des Parteivorsitzenden nicht in eine Hand zu legen.
Dass Aigner und Söder als Tandem funktionieren, ist schwer vorstellbar. Damit könnten sich nun weitere CSUler Hoffnungen machen, etwa Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt oder Staatskanzlei-Chefin Christine Hadertauer. Huber zumindest, der immer noch im Landtag sitzt, scheint bereit zu sein, eine Bewegung gegen Seehofer zu unterstützen. Er macht sich dabei auf einiges gefasst: "Aus der Geschichte weiß man, wie blutig Erbfolgekriege sein können."
Quelle: ntv.de