Alarmzustand in Gaza Bodenoffensive gestartet
03.01.2009, 21:45 UhrIsraelische Soldaten sind in den Norden und Osten des Gazastreifens eingerückt. Mit Nachtsichtgeräten seien hunderte Soldaten zu sehen, wie sie zu Fuß in Richtung Gazastreifen laufen, berichtet Ulrich W. Sahm, n-tv.de-Korrespondent in Israel.
Die zweite Phase der Operation "Gegossenes Blei" habe begonnen, so eine offizielle Mitteilung des israelischen Militärsprechers. Bodentruppen hätten begonnen innerhalb des Gazastreifens zu manövrieren. Zehntausende Reservisten seien zu den Waffen gerufen und auch im Norden des Landes wurde der Alarmzustand ausgerufen für den Fall, dass die Hisbollah Israel vom Libanon aus wieder mit Raketen angreifen könnte.
Langer Kampfeinsatz
Kurz nach Beginn der Bodenoffensive kündigte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak eine lange Operation an. Der angelaufene Bodeneinsatz werde "nicht einfach und nicht kurz sein", sagte Barak. Nach Angaben des Ministers rechnet Israel auch mit dem Verlust eigener Soldaten bei der Operation, mit der die Armee den Raketenbeschuss israelischer Grenzstädte aus dem Gazastreifen stoppen will.
Barak erklärte zudem, Israel sei auch auf einer möglichen Gewalteskalation an der Grenze zum Libanon vorbereitet. Beim Libanonkrieg 2006 hatte die mit der radikal-islamischen Hamas sympathisierende Hisbollah-Miliz vom südlichen Libanon aus zahlreiche Katjuscha-Raketen auf israelischen Boden abgefeuert. "Wir hoffen, dass der Nordfront ruhig bleibt. Wir sind allerdings auf alle möglichen Szenarien vorbereitet", sagte Barak.
Zivilbevölkerung gewarnt
Der Militärsprecher verkündete weiter, dass die Soldaten jene Gebiete einnehmen sollten, von wo israelische Städte mit Raketen beschossen werden, um das zu unterbinden. Der Hamas soll ein schwerer Schlag verabreicht werden, während gleichzeitig die Abschreckung der israelischen Streitkräfte verbessert werden solle. So solle eine stabilere Lage erreicht werden, heißt es weiter in der offiziellen Erklärung.
Zudem wird betont, dass die Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht das Ziel der Aktion sei. Wer sich aber an den Kämpfen der Hamas beteilige oder sich als menschliches Schutzschild für Einrichtungen der Hamas missbrauchen lasse, trage selber die Verantwortung für seine Sicherheit. Wer Waffen oder Terroristen in seinem Haus beherberge, gelte selber als Terrorist.
Zum ersten Mal seit Beginn der israelischen Militäroperation hatte die israelische Armee am Samstagabend Artillerie gegen Ziele der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen eingesetzt. Außerdem wurden im Vorfeld des Einmarsches die Luftangriffe verstärkt. Allein nach Sonnenuntergang kamen nach jüngsten Angaben insgesamt zwanzig Palästinenser ums Leben, über 50 wurden verletzt. Bei einem Angriff auf eine Moschee in der Stadt Beit Lahia starben 14 Menschen.
Hamas: Näher an der Falle
Die radikal-islamische Hamas drohte unterdessen Israel mit einer harten Antwort auf die laufende Bodenoffensive im Gazastreifen. Israel werde einen "schweren Preis" für die Invasion zahlen, erklärte der bewaffnete Arm der Hamas in Gaza. Die israelischen Soldaten würden damit näher an die Falle rücken, die Hamas-Kämpfer für sie vorbereitet hätten, hieß es. Ungeachtet der hohen Opferzahlen der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen hatte Hamas-Politbürochef Chaled Maschaal angekündigt, man werde nicht aufgeben und vor Israel kapitulieren.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah erklärte nach Beginn der israelischen Bodenoffensive erneut seine Solidarität mit der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen. Die Hamas und andere "Widerstandskämpfer" würden der israelischen Armee "die größtmöglichen Verluste" zufügen, sagte Nasrallah in einer auf einer Leinwand vor tausenden Zuschauern in einem südlichen Vorort Beiruts übertragenen Rede. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Hamas und ihre Verbündeten den Kampf gegen die israelische Armee gewinnen werde.
Nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte wurden bei den seit einer Woche andauernden Angriffen mindestens 460 Menschen getötet und mehr als 2300 verletzt. Militante Palästinenser feuerten in der vergangenen Woche nach israelischen Angaben rund 500 Geschosse aus dem Gazastreifen auf Israel ab, wodurch vier Menschen getötet und mehrere Dutzend weitere verletzt wurden.
Weltweite Proteste
In Deutschland und zahlreichen weiteren Ländern Europas zogen Zehntausende Menschen auf die Straßen und forderten das sofortige Ende der israelischen Offensive. In Berlin gingen der Polizei zufolge rund 7500 Menschen friedlich auf die Straße, in Düsseldorf etwa 4000. Auch aus Frankreich, Großbritannien, aus Österreich, den Niederlanden, Italien, Griechenland und Spanien wurden Proteste gemeldet. In Paris, wo mehr als 20.000 Menschen protestierten, gab es zeitweise Ausschreitungen, bei denen Autos umgekippt und Schaufenster zerschlagen wurden. In Madrid zündeten Demonstranten israelische Flaggen an.
Quelle: ntv.de