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Ex-Präsident vor Wahl-Ausschluss Bolsonaro droht der Totalabsturz

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Bolsonaro verlor im vergangenen Jahr knapp die angepeilte Wiederwahl gegen Lula da Silva.

Bolsonaro verlor im vergangenen Jahr knapp die angepeilte Wiederwahl gegen Lula da Silva.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Brasiliens Wahlbehörde könnte in Kürze Ex-Präsident Bolsonaro von den kommenden Wahlen ausschließen. Ein drastischer Schritt, aber alles andere als eine Premiere im Amazonas-Staat. Dem Rechtspopulisten droht das politische Aus, dem Rechtspopulismus nicht.

"Ich habe nichts verbrochen", betonte Jair Bolsonaro, selbstsicher wie immer, im März vor Unternehmern in Florida. "Das Internet" wolle nur wieder "die Rechte beerdigen". Nur bei seinem Wahlausschluss war er sich unsicher: "Ja, das könnte mir passieren", räumte der abgewählte Staatschef ein.

Brasiliens oberste Wahlbehörde (TSE) entscheidet in Kürze, ob Ex-Präsident Jair Bolsonaro sein Präsidentenamt missbraucht hat, um die Wahlen Ende 2022 zu beeinflussen. Wird er schuldig gesprochen, darf er für acht Jahre, also bis 2030, an keiner Wahl mehr teilnehmen. Gegen ihn liegen 16 Anträge vor, unter anderem soll er Fake News verbreitet haben und die Sozialhilfe im Wahljahr erhöht haben, um Stimmen zu gewinnen. Er verlor die Wahl gegen den amtierenden Präsidenten Lula da Silva.

So drastisch das scheint - Bolsonaro wäre nicht der Erste. Schon drei Ex-Präsidenten vor ihm wurden für unwählbar erklärt: Collor (1992), Lula da Silva (2018) und Temer (2020). Auch wenn es absurd erscheint: Bolsonaro könnte das gleiche Schicksal blühen wie seinem ärgsten Rivalen und jetzigen Staatspräsidenten Lula da Silva. Der wurde 2018 für unwählbar erklärt. Später erhielt er sein Wahlrecht zurück, nachdem ein Urteil gegen ihn wegen Korruption aufgehoben wurde.

Bei Bolsonaro geht es um eher kleine Vergehen gegen das Wahlgesetz: Bolsonaro habe etwa bei einem Vortrag vor internationalen Diplomatinnen im Juli 2022 als Staatspräsident Zweifel an der Sicherheit des elektronischen Wahlsystems gesät. Das tut er zwar schon seit Jahren, wie Journalisten gezeigt haben. Aber es wäre ein Verstoß gegen das Wahlgesetz, der für einen Ausschluss genügen würde. Gegen die Entscheidung der Wahlbehörde kann Bolsonaro Beschwerde beim Obersten Gerichtshof einlegen. Aber seine Erfolgsaussichten wären gering.

Das Gewinner-Image hat gelitten

Es wäre ein schwerer Eingriff in die Demokratie Brasiliens. Schließlich hat Bolsonaro bei der letzten Wahl fast 50 Prozent der Stimmen geholt (49,1 Prozent). Aber die Stimmung hat sich in den letzten Wochen gegen ihn gedreht. Seit Bolsonaro nicht mehr Präsident ist, hat sein Gewinner-Image gelitten. Ständig kommen neue Vorwürfe ans Licht. Schon dreimal wurde er von der Polizei verhört.

Gegen Bolsonaro ermittelt die Polizei aus mehreren Gründen: Seine Anhänger randalierten Anfang Januar im Regierungsviertel und forderten einen Militärputsch. Bolsonaro selbst wollte offenbar millionenschweren Schmuck und eine Luxusuhr aus dem Präsidentenbesitz für sich behalten. Außerdem ließ er wohl für seine USA-Reise seine Impfdaten fälschen.

Am schwersten wiegt, dass Bolsonaro offenbar wirklich konkrete Pläne für einen Staatsstreich in Brasilien hatte, sollte er die Wahl verlieren. Die Polizei hat bei einer Hausdurchsuchung im Schreibtisch des Ex-Justizministers ein brisantes Papier gefunden. Der Gesetzentwurf sah die Entmachtung des Obersten Gerichtshofs vor und einen De-Facto-Putsch Bolsonaros. Brasilien stand näher vor einem Rückfall in Diktatur-Zeiten als vielen klar war.

All diese Vorwürfe sind zwar nicht Teil der aktuellen Entscheidung der Wahlbehörde. Sie dürften sie aber beeinflussen. Die oberste Wahlbehörde ist nicht neutral - auch wenn hier sieben Juristinnen und Juristen entscheiden. Letztlich treffen sie eine politische Entscheidung. Und Bolsonaros Skandale dürften ihm dabei sicher geschadet haben.

Wahlbehörde vor Kurzem neu besetzt

Und noch etwas dürfte Bolsonaro Sorgen bereiten: Zwei der sieben Juristen im obersten Gremium der Wahlbehörde haben vor Kurzem gewechselt. Zwei eher konservative Richter verließen das Gremium, mindestens ein eher Bolsonaro-kritischer Jurist rückte nach. Diese Personalie könnte den Ausgang des Verfahrens entscheiden.

Hinter den Neubesetzungen stand auch der Vorsitzende der Wahlbehörde und bekannteste Gegenspieler Bolsonaros, der Richter Alexandre de Moraes. Dieser ist umstritten: Die einen sehen in ihm den Retter der Demokratie in Brasilien. Die anderen einen neuen Sergio Moro. Der ehemalige Bundesrichter Moro galt lange als Vorkämpfer gegen die Korruption und verurteilte unter anderem Ex-Präsident Lula. Später wurden aber die Urteile wieder aufgehoben, weil Moro befangen war. Damit das nicht wieder passiert, sollte die Wahlbehörde möglichst neutral entscheiden.

Folgen für die extreme Rechte

Nach einer Verurteilung könnte Bolsonaro versuchen, in die Opfer-Rolle zu schlüpfen. Er könnte sich als Verfolgter der "Mainstream-Politik" inszenieren und versuchen, so weiter die Politik zu beeinflussen, wie der Wahlrechts-Experte Rodrigo Cyrineu in einem Video-Interview vermutet. Vielleicht versucht er als Wahlhelfer, einen seiner Söhne, Flávio oder Eduardo, für die nächsten Wahlen 2026 ins Rennen zu schicken.

Wahrscheinlicher ist, dass er weitgehend machtlos wäre - ohne politisches Amt und ohne Partei, die hinter ihm steht. Die Medien würden vermutlich kaum noch über ihn berichten. Deshalb bringen sich längst andere als Oppositionsführer ins Spiel, zum Beispiel der Gouverneur von São Paulo, Tarcísio de Freitas. Tarcísio ist einer der aussichtsreichsten möglichen Nachfolger Bolsonaros im Präsidentenamt und eher ein gemäßigter Konservativer.

Geht Bolsonaro den Lula-Weg zu Ende?

Auch wenn kein Mitglied des Bolsonaro-Clans den Vater beerben kann, der Bolsonarismus dürfte auch ohne Bolsonaro weiterleben, so der Journalist Niklas Franzen. Mit rechtsextremen und ultrachristlichen Positionen lassen sich in Brasilien Mehrheiten finden. Das habe Bolsonaro bewiesen. Auch im aktuellen Kongress hat dieses Lager die Mehrheit. Und Präsident Lula wird es schwer haben, Mehrheiten für seine eher progressive Agenda zu beschaffen.

Bolsonaro dürfte noch aus einem weiteren Grund Angst haben, dass es ihm ähnlich ergeht wie seinem Widersacher Lula. Der wurde nicht nur für unwählbar erklärt, er kam später für anderthalb Jahre ins Gefängnis. Bolsonaro hatte stets betont, dass ein "Ex-Knasti" nicht Präsident werden könne. Offen ist, ob ihn seine Anhänger wörtlich nehmen, wenn ihm dasselbe widerfährt.

Quelle: ntv.de

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