
Eine vollständige Impfquote von mehr als 80 Prozent? Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte erklärt in der Sendung Markus Lanz wie es geht.
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In der Corona-Krise jagt eine Hiobsbotschaft die nächste. Mehr als 100.000 Menschen sind mittlerweile gestorben. Der Inzidenzwert steigt und steigt. Im ZDF diskutieren am Donnerstagabend Maybrit Illner und Markus Lanz mit ihren Gästen darüber, ob die Krise noch einzudämmen sei.
Der Sommer war schön. Die Inzidenzen waren niedrig, die Impfkampagne in Deutschland in vollem Gange. Und dann waren viele Politiker im Wahlkampfmodus. Das war nicht die Zeit für schlechte Nachrichten. Also schwieg die Politik. Und sie schwieg zu lange. Mittlerweile scheint die Corona-Pandemie nicht mehr kontrollierbar. In den Talkshows von Maybrit Illner und Markus Lanz am Donnerstagabend versuchten mehrere Politiker, Auswege aus der Pandemie zu zeigen. Nicht immer war das überzeugend. Doch immerhin gibt es ein Bundesland, das zumindest in Sachen Impfquote Vorbild für alle anderen Länder sein könnte.
"Bei uns ist die Lage ernst"
Andreas Bovenschulte ist SPD-Politiker. Der 56-Jährige ist seit gut zwei Jahren Bremer Bürgermeister. Und er hat vieles richtig gemacht in der Corona-Krise für die beiden Städte Bremen und Bremerhaven, die das Bundesland Bremen bilden. Gut 80 Prozent aller Bewohner des kleinen Landes sind geimpft.
Bovenschulte ist norddeutsch-nüchtern, ihn kann so leicht nichts aus der Ruhe bringen. Bremen, erklärt er bei Markus Lanz, Bremen habe schon sehr früh die 2G-Regel eingeführt. Bei den Menschen über 60 läge die Impfquote aktuell bei 93 Prozent, auch bei den jüngeren Menschen sei sie sehr hoch. "Eigentlich wären wir durch mit der Pandemie", sagt er. Das träfe auch auf die Krankenhäuser zu. In Bremen würden gerade 22 Menschen auf Intensivstationen behandelt, in der Hochzeit der Pandemie seien es 65 gewesen. Doch Bovenschulte bleibt Realist: In Bremen sei die Lage trotz einer niedrigeren Inzidenz als im vergangenen Jahr ernst, in den anderen Regionen sei sie extrem ernst.
Wieso in Bremen so viele Menschen geimpft seien, erklärt Bovenschulte mit einer "handwerklich soliden und großdimensionierten Impfkampagne". Dabei sei das Land von Hilfsorganisationen und der Wirtschaft unterstützt worden. In Bremen und Bremerhaven habe es viele mobile Impfteams gegeben, die in die einzelnen Quartiere gefahren seien. "Wir sind mit unseren Impftrucks dahin gefahren, wo die Impfquote niedrig war", sagt Bovenschulte - und meint damit vor allem soziale Brennpunkte mit hohem Ausländeranteil.
Noch-Kanzleramtsminister Helge Braun sagt in der gleichen Sendung, mobile Impfangebote habe es in ganz Deutschland gegeben. Doch wirklich erfolgreich seien sie nicht gewesen. Für Braun gibt es jetzt einen schnellen Weg, um die Krise noch zu dämpfen: Die Kontakte müssten um 70 Prozent reduziert werden. Dazu müssten Großveranstaltungen und Weihnachtsmärkte genauso verboten werden wie volle Fußballstadien. Außerdem sei jetzt der Zeitpunkt, wo sich alte und neue Regierung zusammensetzen und das Problem lösen müssten.
Ganz ähnlich äußert sich auch Norbert Röttgen bei Maybrit Illner. Röttgen und Braun haben sich um den CDU-Vorsitz beworben. Vielleicht haben sie sich gar abgesprochen, denn Röttgen fordert eine überparteiliche Lösung. "Es wäre ein Zeichen von Überparteilichkeit, wenn die Noch-Kanzlerin und der neue Kanzler sich in einer Fernsehrede direkt an die Bürger wenden würden. Ich appelliere, dass wir überparteilich Verantwortung übernehmen."
Dem FDP-Generalsekretär Volker Wissing reicht das nicht aus. Der zukünftige Verkehrsminister will es konkreter. Sein Vorschlag: "Sofort handeln und die Maßnahmen anwenden, die im Infektionsschutzgesetz möglich sind - aber nicht diskutieren." Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Verschärfungen oder ein Verbot von großen Veranstaltungen könnten die Länder schon morgen umsetzen. Wissing: "Das kann nicht die künftige Regierung machen, die Länder können das sofort tun!" Die Maßnahmen seien jedenfalls noch nicht ausgeschöpft, so Wissing.
Diskussion um Lockdown
Auch Grünen-Co-Chef Robert Habeck sieht die Pflicht bei den Ländern. Er sagt bei Illner, entweder würden die Inzidenzwerte jetzt sinken, worauf er hoffe, "oder wir werden über andere Maßnahmen reden müssen." Für Bovenschulte ist wichtig, den Menschen klarzumachen, was die Politik will. Wer einen kompletten Lockdown fordere, der fordere ihn auch für Geimpfte. Das müsse man auch klar sagen.
Klar werden an diesem Abend zwei Dinge - eine Resignation der alten Regierung und ein gewisses Zögern der neuen. Oder, um zwei Politiker zu zitieren - Röttgen: "Die gegenwärtige Regierung hat Versäumnisse zu verzeichnen, die neue hat sich schon vergaloppiert", und Robert Habeck: "Für die kommende Regierung ist es nicht leicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen; von der scheidenden Regierung muss man das erwarten."
Quelle: ntv.de