Früherer italienischer Linksextremist Brasilien will Battisti nicht ausliefern
01.01.2011, 17:49 UhrCesare Battisti ist sein halbes Leben lang auf der Flucht gewesen. Der frühere italienische Linksextremist wurde wegen Mordes gesucht, gejagt und inhaftiert. Brasilien hält nun zur Empörung Roms schützend seine Hand über ihn. Doch Italien gibt nicht auf.

Battisti, früherer Aktivist einer linksextremistischen Gruppe, soll für zwei Morde Ende der 70er Jahre in Italien verantwortlich sein. Er bestreitet die Taten.
(Foto: dpa)
Seit Jahrzehnten beschäftigt Cesare Battisti Staatspräsidenten, Minister, Richter und Ermittler - und das in mehreren Ländern. In Italien als Mörder, Terrorist und Verbrecher verurteilt und gesucht, von Frankreich fast ein Jahrzehnt lang geschützt und in Brasilien als politischer Flüchtling anerkannt, wartete der Kommunist und Krimiautor seit 2007 in einem Gefängnis in Brasília auf eine Entscheidung über sein Schicksal. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva verweigerte Italien jetzt seine Auslieferung und löste damit eine handfeste Krise mit Rom aus.
Staatspräsident Giorgio Napolitano gab sich resigniert. "Wir können nur auf ein ernsthaftes Überdenken des Beschlusses durch die Zuständigen in Brasilien hoffen", erklärte er und erinnerte "mit Schmerzen an die Opfer der Verbrechen Battistis". Kämpferischer reagierte das Außenministerium und kündigte an, seinen Botschafter aus Brasília "zu Beratungen nach Rom" zu holen. Regierungschef Silvio Berlusconi erklärte "mit tiefster Bitterkeit" den Fall für nicht abgeschlossen. Italien werde alles tun, um sein Recht auf Auslieferung durchzusetzen. Allerdings hatte Berlusconi laut Medien zunächst erklärt, bei so einem wie Battisti sei es fast besser, ihn nicht im Land zu haben, wo er den Staat im Gefängnis noch Geld koste.
"Zutiefst falsche Entscheidung"
Tatsächlich ist die italienische Politik fast geschlossen für eine Auslieferung. Mitglieder der linken Opposition sprachen von einer "hässlichen, zutiefst falschen Entscheidung" Lulas. Justizminister Angelino Alfano beschuldigte Brasiliens scheidenden Präsidenten, nicht nur gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von Brasilien anzugehen. Der hatte sich 2009 für eine Auslieferung des umstrittenen Gefangenen ausgesprochen. Auch bilaterale Abkommen und Verträge würden verletzt. Als besonders anstößig wird dabei Lulas Begründung empfunden. Der verschlechterte Zustand Battistis sei als Motivation unverständlich bei einem "rechtens verurteilten Mehrfachmörder", sagte Alfano.
"Einen Terroristen mit falschen humanitären Gründen zu beschützen, beleidigt nicht nur die italienische Justiz, sondern vor allem auch alle Angehörigen von Opfern des Terrorismus", verurteilte Terror-Opfer Antonio Iosa die Entscheidung. Iosa wurde 1980 von einem Kommando der linksextremen "Roten Brigaden" angeschossen und sitzt seitdem im Rollstuhl.
Zu lebenslanger Haft verurteilt
Das Leben Battistis liest sich wie das Drehbuch eines Polit-Krimis. Der frühere Aktivist der linksextremistischen Gruppe "Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus" soll in den Jahren 1978 und 1979 für zwei Morde verantwortlich und an zwei weiteren beteiligt gewesen sein. "Ich habe niemals einen Menschen getötet und auch auf keinen geschossen", beteuert der Mittfünfziger dagegen seit Jahren in zahllosen Interviews seine Unschuld. Die italienische Justiz glaubte ihm nicht, verurteilte ihn Ende der 80er Jahre zur lebenslanger Haft.
Zu diesem Zeitpunkt war Battisti aber schon lange nicht mehr in Italien, wo ihm 1981 die Flucht aus dem Gefängnis gelang. Er lebte in Mexiko und ab 1990 in Frankreich. 2004 floh er von Paris nach Brasilien. In Rio wurde er am 18. März 2007 festgenommen. Die Ironie: Die Hinweise zur Festnahme kamen von der Polizei in Frankreich, wo der Linksextremist im Schutze der "Mitterrand-Doktrin" des langjährigen Präsidenten François Mitterrand lange geduldet war.
Der Sozialist Mitterrand hatte Linksextremisten den Ausstieg aus der Gewalt ermöglichen wollen. Doch als Nicolas Sarkozy in Paris die Verantwortung für die Innenpolitik übernahm, drehte sich der Wind. Sarkozy nutzte als Innenminister den Fall Battisti auch, um sich im Präsidentenwahlkampf 2007 als "law-and-order-Mann" zu profilieren.
Battisti spricht von Komplott
Battisti erhielt in Frankreich von linken Literaten Unterstützung, während Italiens Linke seine Auslieferung verlangte. Er schrieb politische Romane und Krimis und sein Werk "Avenida Revolucion" wurde verfilmt. Sein Leben beschrieb Battisti 2006 in dem Buch "Ma Cavale" (Meine Flucht). Darin weist er alle Vorwürfe zurück und spricht von einem Komplott gegen ihn. In Brasilien heißt das Buch "Flucht ohne Ende". Der Titel kann mit der Entscheidung des brasilianischen Präsidenten Lula nun vorerst geändert werden.
Quelle: ntv.de, Katie Kahle und Helmut Reuter, dpa