Politik

Rebellion verschoben Brown bleibt vorerst im Amt

Der britische Premier Gordon Brown kann aufatmen: Bei der mit Spannung erwarteten Sitzung der Labour-Fraktion bleiben seine Kritiker in der Minderheit. Doch der Druck wird nach dem historischen Debakel bei der Europawahl nicht kleiner, zumal es einen erneuten Rücktritt im Kabinett gibt.

Nach einem historischen Debakel bei der Europawahl und einem erneuten Rücktritt aus der Regierung steht der britische Premier Gordon Brown weiter mit dem Rücken zur Wand. Seine Labour-Partei stürzte nach dem Spesenskandal und der Regierungskrise in der Wählergunst dramatisch ab und war nur noch drittstärkste Kraft.

Von einer Palastrevolution bleibt Gordon Brown vorerst verschont.

Von einer Palastrevolution bleibt Gordon Brown vorerst verschont.

(Foto: REUTERS)

Zudem legte Umwelt-Staatssekretärin Jane Kennedy ihr Amt nieder, nachdem Brown schon in der vergangenen Woche eine Rücktrittswelle in seinem Kabinett verkraften musste. Bei einem entscheidenden Treffen der Labour-Fraktion bekam der Premier allerdings nach Angaben von Teilnehmern Unterstützung. Damit schien ein unmittelbarer Sturz Browns zunächst abgewendet.

Schlechter als europafeindliche UKIP

Labour musste jedoch bei der Wahl neben der Konservativen Partei auch die europafeindliche UKIP an sich vorbeiziehen lassen, die wie andere kleinere Parteien von Protestwählern profitierte. So schickt etwa die ausländerfeindliche BNP zwei Abgeordnete in das neue Europaparlament. Zudem erlitt Labour in ihren angestammten Gebieten Wales und Schottland einen empfindlichen Rückschlag: In Wales wurde die Partei zum ersten Mal seit 1918 von den Konservativen als stärkste politische Kraft abgelöst. In Schottland fiel Labour hinter die nach Unabhängigkeit strebende Scottish National Party (SNP) zurück.

Europäischer Wahlgewinner: Nigel Farage von der UKIP.

Europäischer Wahlgewinner: Nigel Farage von der UKIP.

(Foto: REUTERS)

Bei den Kommunalwahlen erlitt Labour ebenfalls herbe Verluste. So konnte die Partei keinen einzigen der englischen Stammsitze halten, den es zu verteidigen galt. Nach der Wahl mied der Regierungschef zunächst die Öffentlichkeit und fuhr mit seiner Kabinettsumbildung auf unterer Ebene fort. Aus Browns Regierungsmannschaft hatten zuletzt fünf Minister und mehrere Staatssekretäre das Handtuch geworfen. Trotz aller Kritik hatte Brown mehrfach erklärt, er wolle an seinem Amt festhalten.

Die "Rede seines Lebens"

Bei dem mit Spannung erwarteten Treffen der Labour-Fraktion wurde Brown nach Berichten der BBC mit Applaus begrüßt. Bei seiner Ankunft jubelten die Labour-Abgeordneten dem Premier zu und klopften demonstrativ auf die Tische, was Brown mit einem Lächeln quittierte. Teilnehmer sagten, dass Brown "großartige Unterstützung" bekommen habe. Drei Abgeordnete hätten ihn zwar zum Rücktritt aufgefordert, darunter jedoch bereits bekannte Brown-Kritiker.

Die Briten bescherten ihrem Premier ein Debakel bei der Europawahl.

Die Briten bescherten ihrem Premier ein Debakel bei der Europawahl.

(Foto: dpa)

Nach Angaben des Senders hätten die Rebellen bisher nicht die nötigen Stimmen von Abgeordneten zusammenbekommen, um einen Antrag auf Ablösung des Premiers zu stellen. Der neue Kulturminister Ben Bradshaw sagte, Brown habe die "Rede seines Lebens" gehalten. Ein Staatssekretär erklärte, die Partei wolle, "dass der Kapitän an Bord bleibt".

Dagegen sagte Umwelt-Staatssekretärin Kennedy nach ihrem Rücktritt, sie zweifle an Brown. Bleibe er weiter an der Parteispitze, werde das für Labour zum "bitteren Ende" führen. Zudem wolle sie Brown nicht ihre Gefolgschaft zusichern und habe genug von "Schmutzkampagnen" innerhalb der Regierung.

Cameron fordert Neuwahlen

Tories-Chef Cameron fordert allerdings den Rücktritt Browns.

Tories-Chef Cameron fordert allerdings den Rücktritt Browns.

(Foto: REUTERS)

Oppositionschef David Cameron von den konservativen Tories forderte erneut vorgezogene Parlamentswahlen: "Jetzt, wo das britische Volk das Vertrauen in Labour verloren hat, möchte ich, dass die Konservative Partei dieses Vertrauen gewinnt."

Die regierende Labour-Partei verlor bei der Europawahl rund 7 Prozentpunkte und kam nur noch auf 15,7 Prozent. Labour wurde von der europafeindlichen Partei UKIP (16,5 Prozent) überflügelt, lag aber noch vor den Liberaldemokraten (13,7). Stärkste Kraft wurde die Konservative Partei mit 27,7 Prozent. Die Grünen legten mit 2,4 Punkten am stärksten zu und kamen auf 8,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug etwa 34 Prozent.

Teilprivatisierung der Post verschoben

Um die erhitzten Gemüter nach der Wahlniederlage zu beruhigen, will Brown nach Informationen der "Times" die Teilprivatisierung der britischen Post verschieben. Der Verkauf eines Anteils der Royal Mail ist auch innerhalb der Labour-Partei sehr umstritten. Außerdem will Brown nach Medieninformationen eine Untersuchung einleiten, die die britische Beteiligung am Krieg gegen den Irak unter die Lupe nimmt.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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