Politik

Mandatsverstoß? Buch sorgt für Wirbel

Die Berichte zweier 2002 in Afghanistan eingesetzter Bundeswehrsoldaten über Verstöße gegen das Bundestagsmandat werden den Verteidigungsausschuss des Bundestages beschäftigen. Nach Angaben aus der Bundeswehr bereitet das Verteidigungsministerium eine Stellungnahme für die Sitzung in der nächsten Woche vor.

Die FDP forderte die Regierung zur sofortigen Aufklärung und Auskunft auf. Der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Paul Schäfer, sagte, das Buch der Soldaten schildere Abläufe, über die weder das Parlament als Ganzes noch die entsprechenden Kontrollgremien bisher informiert worden seien. Das werfe viele Fragen auf.

Jung und Struck wissen von nichts

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte bei einem Truppenbesuch im hessischen Fritzlar, während seiner Amtszeit seit Ende 2005 habe es keine Verstöße gegen das ISAF-Mandat gegeben. "Ich kann und will nicht für die Zeit davor sprechen. Aber seit ich im Amt bin, haben wir uns klar an das Mandat gehalten." Jungs Vorgänger Peter Struck, der das Amt im Juli 2002 von dem entlassenen Minister Rudolf Scharping (beide SPD) übernommen hatte, sagte am Rande einer Veranstaltung, er könne dazu nichts sagen.

Der ehemalige Stabsunteroffizier Achim Wohlgethan und der frühere Hauptmann Dirk Schulze schildern in ihrem Buch "Endstation Kabul", dass Soldaten im Jahr 2002 aus Aufklärungsgründen die Mandatsgrenzen mehrfach überschritten hätten. Sie beschrieben dies als "politisch verboten, aber militärisch richtig".

Mit Kinder auf Minensuche

In ihrem Buch beklagen sie Ausrüstungsmängel und unzureichende Evakuierungsmöglichkeiten für die insgesamt eingesetzten 3500 Bundeswehrsoldaten ("die sitzen in der Mausefalle"). Ferner beschreiben sie die psychischen Belastungen für die Soldaten. Sie betonten aber, sie machten der Bundeswehr keine Vorwürfe. Diese mache eine hervorragende Arbeit in Afghanistan.

In dem Buch wird unter anderem geschildert, wie ISAF-Soldaten (deren Nationalität nicht angegeben wird), um zu testen, wo Minen sein könnten, Kinder heran gewunken und Äpfel auf die Felder geworfen hätten. Rannten die Mädchen und Jungen dem Obst hinterher "und es gab keinen Knall", galt das Gelände als unvermint. Liefen die Kinder nicht los, wurden Spezialkräfte zur Entschärfung gerufen. "Erst mit Abstand wurde mir die Unglaublichkeit dieser Vorgehensweise klar, die mit nichts zu entschuldigen ist. Wie konnten diese ISAF-Soldaten denn davon ausgehen, dass die Kinder genau wussten, wo Minen waren?"

Weiterhin heißt es in dem Buch, dass Bundeswehr-Soldaten außerhalb des vom Bundestag beschlossenen Mandats für die Beteiligung an der Internationalen Schutztruppe ISAF eingesetzt worden seien. Außerdem habe Wohlgethan in Kabul dem Militärischen Abschirmdienst MAD zugearbeitet, obwohl dieser 2002 noch gar keine entsprechende gesetzliche Befugnisse dazu im Ausland hatte. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte dazu, die Aspekte würden mit der "notwendigen Sorgfalt, aber auch der gebotenen Gelassenheit" geprüft.

"Affen-Zirkus" für Politiker und Medien

Wohlgethan berichtet weiter, welchen Einblick die Militärführung Politikern und Journalisten aus Deutschland bei Besuchen im Feldlager gewährt habe, so auch bei einer Stippvisite des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD). Geradezu nach einer Choreographie seien den Soldaten während der meist eintägigen Besuche Rollen zugewiesen worden. Es seien neue Wege angelegt worden, damit die Gäste trockenen Fußes von A nach B gelangen konnte. Die Belegung von zehn Mann in einem Zelt sei kurzfristig auf zwei reduziert und Tische wie im Hotel eingedeckt worden. Die Presseoffiziere der Bundeswehr und die deutschen Medien hätten kritiklos "substanzloses Blabla" verbreitet. Im Camp habe man nur von einem "Affen-Zirkus" gesprochen.

Laut ARD liegen dem niederländischen Radio Beweise vor, dass Soldaten 2002 außerhalb des ISAF-Mandatsgebietes operierten. Die "Argos"-Redaktion des niederländischen Rundfunks VPRO berufe sich auf ein Schreiben des niederländischen Verteidigungsministeriums und auf Fotos, die während eines Einsatzes im Mai 2002 gemacht worden seien. Die Bilder zeigten Soldaten in Bundeswehr-Uniformen und Angehörige des niederländischen Spezialkommandos KCT. Fallschirmjäger Wohlgetan war damals nach eigener Schilderung selbst mit Spezial-Soldaten des KCT im Einsatz.

Quelle: ntv.de

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