Abstimmungsmarathon vor den Ferien Bundesrat winkt Gesetze durch
05.07.2013, 11:58 Uhr
(Foto: dpa)
Es ist die letzte Sitzung vor der Sommerpause, und der Bundesrat schuftet noch einmal ordentlich. In den kommenden Monaten wird sich daher einiges ändern: Flutopfer können auf Gelder hoffen, Autofahrer müssen ihre Sünden neu berechnen.
Die vom Bund und den Bundesländern eilig bereitgestellten Milliardenhilfen für die Opfer der Flutkatastrophe im Mai und Juni können bald fließen. Der Bundesrat machte in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause den Weg frei für die Errichtung eines Sonderfonds "Aufbauhilfe". Er wird mit acht Milliarden Euro ausgestattet und soll Privatleuten, Unternehmen und Kommunen bei der Beseitigung der Schäden unterstützen, insofern sie nicht durch Versicherungen abgedeckt sind. Der Bundestag hatte seine Zustimmung zu dem Gesetz bereits erteilt.
Der Fonds wird vom Bund vorfinanziert, der dafür seine Neuverschuldung in diesem Jahr um acht Milliarden Euro erhöht. Für die Schäden an Autobahnen und an anderer Infrastruktur des Bundes steht dieser alleine gerade. Von den restlichen Kosten in Höhe von 6,5 Milliarden Euro übernehmen die Länder die Hälfte.
Fiskalpakt kann umgesetzt werden
Der Bundesrat stimmte außerdem der Umsetzung des europäischen Fiskalvertrags zu. Der Verabschiedung waren mehrmonatige Verhandlungen zwischen Bund und Ländern vorangegangen. Der Kompromiss sieht vor, dass der Bund den Ländern bis 2019 jährlich 2,6 Milliarden Euro Zuschüsse für Infrastruktur-, Wohnungs- und Hochschulbauprojekte zahlt.
Der Fiskalvertrag verpflichtet die Unterzeichnerstaaten auf strikte nationale Schuldenregeln. Demnach darf das strukturelle Defizit - also bereinigt um Einmaleffekte und Konjunktureinflüsse - 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Deutschland erfüllt diese Bedingung bereits.
Verkehrssünderdatei reformiert
Ein weiteres Thema im Bundesrat war die Reform des Punktesystems für Verkehrssünder, die einstimmig gebilligt wurde. Anstelle der jetzigen Skala von 1 bis 7 Punkten gibt es demnach künftig je nach Schwere des Vergehens 1, 2 oder 3 Punkte. Der Führerschein wird dann bei 8 statt 18 Punkten entzogen.
Anders als ursprünglich geplant, bleibt eine Möglichkeit erhalten, über freiwillige Schulungen einen Punkt innerhalb von fünf Jahren abzubauen. Gespeicherte Punkte sollen künftig jeweils separat verjähren. In Kraft treten sollen die Neuregelungen zum 1. Mai 2014.
Neue Atommüll-Endlagersuche
Der Bundesrat machte außerdem endgültig den Weg frei für ein Standortauswahlgesetz, mit dem Alternativen zu Gorleben geprüft werden sollen. Eine 33-köpfige Bund/Länder-Kommission soll bis Ende 2015 Grundlagen und Kriterien für die Suche empfehlen. Ende 2031 soll der Endlagerstandort bestimmt und von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Die Kosten der Suche werden auf über zwei Milliarden Euro geschätzt und müssen von den Energiekonzernen getragen werden.
Antibiotika-Einsatz wird besser kontrolliert
Auch der massenhafte Antibiotika-Einsatz in der Tiermast soll mit strengeren Regeln stärker eingedämmt werden. Mit der Novelle, die der Bundesrat nun billigte, bekommen die Überwachungsbehörden der Länder mehr Kontrollbefugnisse. Dafür soll es künftig eine bundesweite Datenbank geben. Eingeführt werden soll ein System, das Behandlungshäufigkeiten misst und vergleichbar macht. Daraus folgend sollen Maßnahmen für einen geringeren Antibiotika-Einsatz angeordnet werden können. Die Novelle soll Anfang 2014 in Kraft treten.
Vor allem bei der Mast von Geflügel und Schweinen werden große Mengen Antibiotika verwendet. Der Einsatz soll generell sinken, um die Gefahr zu verringern, dass Antibiotika auch bei kranken Menschen nicht mehr wirken.
Harte Strafen für Genitalverstümmelung
Der Bundesrat billigte außerdem die Einführung eines eigenen Straftatbestands für die Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen. Sie wird in Deutschland in Zukunft mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft.Bislang wurde die Verstümmelung weiblicher Genitalien lediglich als schwere Körperverletzung mit einer Haft von maximal zehn Jahren geahndet.
Wettbewerb bleibt eingeschränkt
Ein Gesetz, das mehr Wettbewerb auf der Schiene gewährleisten sollte, scheiterte dagegen im Bundesrat. Nachdem es im Vermittlungsausschuss keine Verständigung gab, fand das vom Bundestag beschlossene Gesetz in der Länderkammer keine Mehrheit. Vorgesehen war, dass Gebühren, die die bundeseigene Deutsche Bahn als Betreiber des Gleisnetzes von Bahnunternehmen erhebt, vorab von der Bundesnetzagentur genehmigt werden sollten.
Auf Bahnhöfen sollten Bahn-Konkurrenten einen Anspruch auf Flächen zum Fahrscheinverkauf bekommen. Im deutschen Bahnverkehr gibt es derzeit etwa 350 Mitbewerber der DB, weit überwiegend im Güter- und Regionalverkehr.
Zugleich wurden die ursprünglich geplanten Einschränkungen bei der Prozesskostenhilfe weitgehend gestoppt. Die Prozesskostenhilfe ist eine finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Menschen, die vor Gericht ziehen. Anfänglich war vorgesehen gewesen, die Freibeträge zu senken, oberhalb derer die gewährten Hilfen zumindest teilweise zurückgezahlt werden müssen. Das entfällt jedoch größtenteils.
Vorstoß für doppelte Staatsbürgerschaft
Die von SPD und Grünen geführten Länder starteten im Bundesrat außerdem einen neuen Anlauf für doppelte Staatsbürgerschaften. Die Länderkammer votierte für eine Gesetzesinitiative mehrerer Länder, in denen SPD, Grüne und Linke regieren. Sie wollen doppelte Staatsbürgerschaften in Deutschland generell zulassen und das sogenannte Optionsmodell abschaffen.
Bislang werden hier geborene Kinder von Ausländern zwar zu Deutschen und behalten zunächst die Staatsangehörigkeit der Eltern. Zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr müssen sie aber eine ihrer Staatsangehörigkeiten aufgeben. Betroffen sind vor allem junge Türken. Lediglich Menschen aus bestimmten Ländern wie EU-Staaten oder Brasilien haben bisher die Möglichkeit auf einen Doppelpass.
Die Bundesländer wollen ihren Vorstoß nun ins Parlament einbringen. Aussicht auf Erfolg hat die Initiative dort vorerst nicht. Denn im Bundestag haben Union und FDP die Mehrheit. Mehrere Oppositionsanträge für den Doppelpass waren dort gescheitert.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa