Sold, Mindestlohn, Pflege ... Bundesrat winkt durch
25.04.2008, 10:33 UhrDie Reform der Pflegeversicherung kann zum 1. Juli in Kraft treten. Der Bundesrat billigte die umfassende Neuregelung der vor 13 Jahren eingeführten Pflichtversicherung. Demnach sollen Pflegebedürftige höhere Leistungen bekommen und Heime strenger kontrolliert werden.
Pflegende Angehörige erhalten einen Anspruch auf eine unbezahlte, aber sozialversicherte Freistellung von der Arbeit für bis zu sechs Monate. Zudem sollen bürgernahe Pflegestützpunkte eingerichtet werden. "Pflegebedürftig zu sein, ist ein soziales Schicksal – nicht nur für die, die gepflegt werden müssen", mahnte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).
Arbeitgeber und Beschäftigte müssen für die höheren Leistungen jedoch auch tiefer in die Tasche greifen: Zur Finanzierung der Neuerungen steigt der Beitragssatz zum 1. Juli um 0,25 Prozentpunkte.
Mindestlohn über den Bundesrat
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat im Bundesrat eine neue Kampagne für einen flächendeckenden Mindestlohn gestartet. Auslöser für seinen Vorstoß war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der Anfang April Gesetze zum besonderen Schutz vor Dumpinglöhnen bei öffentlichen Aufträgen gekippt hatte. Beck forderte in der Länderkammer, die Bundesregierung dürfe dies nicht einfach hinnehmen, sondern müsse sich für eine andere Abwägung zwischen den Interessen von Arbeitnehmern und Wirtschaft auf EU-Ebene einsetzen.
In Deutschland sei ein gesetzlicher Mindestlohn das geeignete Mittel, um die Einhaltung von Mindeststandards bei öffentlichen Aufträgen sicherzustellen, erklärte der SPD-Chef. Er brachte dazu einen Entschließungsantrag in den Bundesrat ein. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff widersprach Becks Argumentation und kritisierte, sie gehe an den Problemen vorbei. Die Bestimmung der Lohnhöhe müsse primär Sache der Tarifparteien bleiben, bekräftigte der CDU-Politiker.
Der Bundesrat entschied zunächst nicht über den Entschließungsantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Berlin und Bremen, sondern verwies ihn zur weiteren Beratung in die Ausschüsse.
Schornsteinfege-Reform beschlossen
Das Schornsteinfeger-Monopol fällt. Der Bundesrat verabschiedete trotz heftigen Widerstands vor allem aus Baden-Württemberg die Reform des Schornsteinfegerwesens. Nach dem neuen Gesetz dürfen künftig auch ortsfremde Schornsteinfeger in Deutschland kehren. Wichtige Kontrollaufgaben bleiben allerdings den Bezirksschornsteinfegermeistern vorbehalten, die ab 2013 in Bezirksbevollmächtigte umgewandelt werden. Sie sollen unter anderem weiter für die sogenannten Feuerstättenschauen zuständig sein, die künftig zwei Mal in sieben Jahren statt wie bisher nur alle fünf Jahre stattfinden werden.
Mehr Sold
Erstmals nach neun Jahren bekommen Wehrdienst- und Zivildienstleistende mehr Geld. Der Sold wird rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres um zwei Euro pro Tag angehoben. Der Bundesrat billigte einen entsprechenden Beschluss des Bundestags.
Der Wehrsold beläuft sich auf durchschnittlich 250 Euro im Monat. Die Aufstockung belastet den Bundeshaushalt mit knapp 80 Millionen Euro. Im Bundestag war die Anhebung als überfällig bezeichnet worden.
Wehrdienstleistende hatten beklagt, ihr persönlicher Einsatz für den Staat werde von Politik und Gesellschaft nicht gebührend anerkannt. Das zeige auch der Wehrsold, der zuletzt 1999 um eine D-Mark pro Tag angehoben worden war. Zwischenzeitlich hatte es aber andere finanzielle Verbesserungen für Soldaten gegeben - etwa beim Verpflegungsgeld oder beim Mobilitätszuschlag.
Kampf gegen Blauzungenkrankheit
Mit einer Impfpflicht verstärkt Deutschland den Kampf gegen die Blauzungenkrankheit. Der Bundesrat stimmte dafür, dass Rinder, Schafe und Ziegen geimpft werden müssen. Hessen hatte im Auftrag aller Länder 21 Millionen Impfdosen bei drei Unternehmen bestellt. Derzeit sind rund 1900 Tiere mit Blauzungenkrankheit registriert. Überwiegend sind Rinder davon betroffen, aber auch einige Schafe und Ziegen. Die für den Menschen ungefährliche Krankheit breitet sich seit 2006 aus.
Neues Statusgesetz verabschiedet
Ferner hat der Bund die Statusrechte für die Landesbeamten neu geregelt. Dabei geht es um die juristischen Grundlagen des Berufsbeamtentums, etwa die Unkündbarkeit sowie das Treueverhältnis des Beamten und die Alimentationspflicht des Staates. Nach der Föderalismusreform von 2006 ist dem Bund nur noch diese Kompetenz geblieben. Alles andere - Besoldung, Versorgung, Laufbahn - können die Länder für ihre Beamten jetzt selbst bestimmen, was sie bislang aber noch nicht getan haben. Der Bundestag hatte dem geänderten Gesetzentwurf am Donnerstag zugestimmt, jetzt erfolgte die endgültige Verabschiedung im Bundesrat.
Das neue Gesetz, das im April 2009 in Kraft treten soll, gilt nur für Beamten der Länder und löst das bisherige Rahmengesetz ab. Die Statusrechte für die 130.000 Bundesbeamten, 185.000 Soldaten sowie die 48.000 noch bei den ehemaligen Staatsbetrieben Bahn und Post arbeitenden Beamten regelt der Bund in einem eigenen Gesetz.
Keine Lockerung der Sicherheitsstandards
Der Bundesrat will die Aufweichung der deutschen Sicherheitsstandards für Spielzeug durch ein laxeres EU-Recht verhindern. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung auf, eine Änderung der geplanten EU-Richtlinie durchzusetzen. Nötig sei ein komplettes Verbot von Stoffen, die Krebs erregen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung gefährden könnten. Wenn die EU hier wie vorgesehen Ausnahmen gestatte, würde dies das Schutzniveau in Deutschland verschlechtern. Außerdem will der Bundesrat erreichen, dass freiwillige nationale Prüfsiegel wie das deutsche "GS"-Zeichen vorerst weiterverwendet werden dürfen. Das europäische "CE"-Zeichen stelle nur Mindestanforderungen, deren Einhaltung nicht kontrolliert werde. Die Einhaltung der "GS"-Anforderungen dagegen werde unabhängig überprüft.
Zwangsheiraten und Stalking
Opfer von Zwangsheiraten und Stalking sollen mehr Rechte bekommen. Die Länderkammer brachte einen Gesetzentwurf auf den Weg, nach dem Zwangsverheiratete künftig die Befugnis zur Nebenklage erhalten sollen. Menschen, die unter den Nachstellungen eines Stalkers leiden, haben dieses Recht bereits. Geschädigten beider Straftaten soll der Zugang zu Opferanwälten erleichtert werden, die sich für ihre Belange einsetzen.
Besserer Schutz bei Kreditverkäufen
Besitzer von Immobilen sollen nach dem Willen des Bundesrats mehr Schutz genießen, wenn die Bank ihren Kredit an Dritte weiterverkauft. Die Länderkammer brachte einen Gesetzentwurf auf den Weg, der verhindern soll, dass die neuen Gläubiger mehr Vermögen aus der sogenannten Grundschuld vollstrecken als ihnen zusteht. Dazu soll der Kreditnehmer künftig nur noch für den Teil der Schuld haftbar sein, der noch nicht abbezahlt ist. Außerdem muss er umfassend über den Verkauf informiert werden.
Quelle: ntv.de