330 Milliarden ohne neue Schulden Bundestag feilscht um neuen Haushalt
06.09.2016, 07:26 Uhr
Bundesfinanzminister Schäuble profitiert bei seinen Haushaltsplanungen kräftig von der Zinspolitik der EZB.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bis Ende November soll der Haushalt für das Wahljahr 2017 stehen. Trotz steigender Kosten für die Betreuung und Integration von Flüchtlingen bleibt die Schwarze Null das Ziel. Unterschiedliche Ansichten haben Union und SPD bei der Rentenangleichung.
SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs stellt sich auf schwierige Haushaltsberatungen mit der Union ein, rechnet aber trotz der Koalitionskonflikte bis Ende November mit einer Einigung auf den Etat für 2017. "Sie kriegen es nicht hin, zwölf Monate Wahlkampf zu machen. Das wäre ein Konjunkturprogramm für die AfD", sagte Kahrs vor Beginn der Etat-Beratungen des Bundestages. Es gehe um den letzten regulären Haushalt der Koalition - mindestens bis Ende März sollten Union und SPD seiner Ansicht nach konstruktiv zusammenarbeiten.
Für Union und SPD wird es bei den letzten Haushalts-Beratungen schwierig, für das Wahljahr 2017 eine gemeinsame Linie zu finden. Die SPD fordert beispielsweise 3000 neue Stellen bei der Bundespolizei. Zudem müsse die Ost-West-Rentenangleichung aus Steuermitteln finanziert werden. Dies lehnt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bisher ab.
"Die große politische Konfliktebene wird sich bei den Haushältern nicht widerspiegeln", glaubt Kahrs. Er und CDU-Haushaltsexperte Eckardt Rehberg hätten sich "eigentlich in die Hand geschworen, dass wir bis mindestens Ende des ersten Quartals nächsten Jahres gut, freundschaftlich und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Weil ansonsten geht nichts mehr."
122 Milliarden durch niedrige Zinsen gespart
Nach dem Regierungsentwurf soll der Bund trotz zusätzlicher Ausgaben zur Betreuung von Flüchtlingen und weiterer Investitionen auch in den kommenden Jahren auf neue Schulden verzichten und einen ausgeglichenen Etat mit der "Schwarzen Null" bis 2020 halten. Dies ist allerdings auch Folge der extrem niedrigen Zinsen, so dass Schäuble für alte Schulden des Bundes weit weniger zahlen muss als in der Vergangenheit.
Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat Schäuble beim Erreichen der Schwarzen Null kräftig Rückenwind gegeben. Auf 122 Milliarden Euro summierten sich die Einsparungen bei den Zinsen im Vergleich zu den ursprünglichen Finanzplänen in den Jahren von 2008 bis 2015, berichtete das "Handelsblatt". Die "Schwarze Null" wurde 2014 erstmals seit 1969 erreicht.
Im kommenden Jahr sollen die Gesamtausgaben des Bundes nach dem Regierungsentwurf auf 328,7 Milliarden Euro klettern. Bis 2020 sollen sie dann auf 349,3 Milliarden Euro wachsen.
"Draghi hat mehr für Deutschland geleistet als Schäuble"
Auch die SPD lehnt Kahrs zufolge neue Schulden ab. Nötig seien aber weitere Investitionen in die Infrastruktur. Schwerpunkte seien auch der Bereich Alleinerziehende sowie die Rentenangleichung: "Das alles wird nicht einfach."
Nach Ansicht der Grünen fehlt der Koalition dagegen Kraft und Wille, einen zukunftsfähigen Haushalt aufzustellen. In der Integrationspolitik agiere sie kopflos und bleibe zerstritten, kritisierte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven-Christian Kindler. Beim Klimaschutz stehe die Bundesregierung auf der Bremse. "Die Investitionsschwäche im Haushalt bleibt bestehen."
Kindler warf Union und SPD zudem vor, sich für den ausgeglichenen Haushalt zu feiern. Doch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, habe mit seiner Niedrigzinspolitik deutlich mehr für den Haushaltsausgleich geleistet als Schäuble. Der Finanzminister profitiere weiterhin von historisch niedrigen Zinsen und guten Steuereinnahmen.
Quelle: ntv.de, chr/dpa