Politik

QRF-Einsatz in Afghanistan Bundeswehr übt schon

Die Bundeswehr hat die konkreten Vorbereitungen für den Einsatz der schnellen Eingreiftruppe im Norden Afghanistans begonnen. Von Mitte 2008 an sollen Teile der Panzerbrigade 21 im lippischen Augustdorf den Auftrag übernehmen, teilte das Presse- und Informationszentrum des Heeres in Koblenz mit. Die schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force/QRF) soll im Rahmen der Internationalen Schutztruppe ISAF den seit zwei Jahren von Norwegen gestellten Verband ablösen. Insgesamt ist nach Angaben aus Heereskreisen von gut 200 Soldaten die Rede. Die Bundeswehrsoldaten der Eingreiftruppe sollen den Angaben zufolge dem unter deutscher Führung stehenden "Regional Command North" unterstellt werden.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung will in der Bevölkerung mehr Überzeugungsarbeit für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr leisten. Den Deutschen müsse klar sein, dass es ihrer eigenen Sicherheit diene, wenn die Extremisten am Hindukusch zurückgedrängt würden, sagte Jung in Berlin. Dazu wolle er seinen Beitrag leisten. Eine Aufstockung der Truppenstärke ab dem Herbst ließ er weiter offen. Die Frage einer Mandatsverlängerung stelle sich im Oktober. "Dann wird zu prüfen sein, welche Entscheidungen dort zu treffen sind", sagte der CDU-Politiker.

Umfragen zufolge lehnt eine Mehrheit der Deutschen den Afghanistan-Einsatz ab. In der aktuellen forsa-Umfrage für n-tv sprechen sich 45 Prozent der Bundesbürger dafür aus, dass der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan so schnell wie möglich beendet werden sollte. 41 Prozent sind der Meinung, die Truppenstärke und das Einsatzgebiet sollten so bleiben wie bisher, und nur 10 Prozent finden, Truppenstärke und Einsatzgebiet sollten ausgeweitet werden.

Alles deutet auf Mandatsverlängerung

Nach der SPD zeigt sich inzwischen auch die Union offen dafür, die Laufzeit des Afghanistan-Mandats zu verlängern und den Einsatz damit aus dem Bundestagswahlkampf 2009 herauszuhalten. "Dafür gibt es sicher gute Gründe", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Karl Lamers (CDU). Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wirbt ebenfalls für ein längeres Mandat. Kritik kommt dagegen von den Grünen, die der Bundesregierung vorwerfen, sich um eine offene Debatte über den Einsatz herumdrücken zu wollen.

Das laufende Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr endet im Oktober. Würde es wie üblich erneut um ein Jahr verlängert, fiele die Debatte exakt in den Wahlkampf 2009. Dies dürfte nach Einschätzung vieler Politiker vor allem der Linkspartei Auftrieb verschaffen, die den Einsatz strikt ablehnt. Eine Aufstockungsdebatte könnte in den kommenden Monaten allerdings dennoch anstehen, weil die Bundeswehr schon heute nur noch knapp unter der Mandatsgrenze manövriert. Außerdem stehen die Deutschen im Streit über die Lastenverteilung am Hindukusch massiv unter Druck: Vor allem die USA drängen seit Wochen, mehr Soldaten zu schicken und auch Kampfeinsätze im Süden zu übernehmen. Die Bundesregierung hatte am Wochenende einen Medienbericht über Planungen dementiert, die deutsche Truppenstärke in Afghanistan von maximal 3500 auf bis zu 4500 Soldaten zu erhöhen und das Einsatzgebiet auf den Westen auszudehnen.

Probleme mit der Ausrüstung

Der Bundeswehrverband warnte unterdessen vor einer massiven Ausweitung der Mission. Dafür reiche die Ausrüstung der Armee nicht. Das Problem seien nicht die Ausbildung oder die Zahl der verfügbaren Soldaten, sagte Verbandschef Bernhard Gertz. Engpässe gebe es aber etwa beim Gerät für den Lufttransport. Die speziell ausgestatteten schweren Transporthubschrauber des Typs CH53 zum Beispiel seien allesamt in Afghanistan, dem Kosovo und Bosnien im Einsatz oder würden in Deutschland für die Ausbildung gebraucht. US-Verteidigungsminister Robert Gates jedoch habe Deutschland in seinem Schreiben ausgerechnet um Hubschrauber gebeten, obwohl er wissen müsse, dass die Bundeswehr nicht mehr bieten könne.

Auch US-Forderungen nach einem deutschen Kampfeinsatz im unruhigen Süden wies Gertz zurück. Dies mache strategisch keinen Sinn für die NATO, betonte er. Die Allianz solle stattdessen besser Polizei, Justiz und Verwaltung in dem Land stärken.

Italienischer ISAF-Soldat erschossen

Unterdessen ist wieder ein ISAF-Soldat in Afghanistan ums Leben gekommen. Ein italienischer Soldat der internationalen Schutztruppe starb am Mittwoch bei einem Schusswechsel in der Nähe Kabuls. Ein weiterer Italiener sei leicht verletzt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Die beiden Männer seien in einer Mission etwa 60 Kilometer von Kabul entfernt unterwegs gewesen, als Unbekannte plötzlich das Feuer auf sie eröffneten. Italiens Kontingent der Schutztruppe ist mehr als 2200 Mann stark. Fast ein Dutzend Italiener kam bisher bei ihrem Einsatz auf afghanischem Boden ums Leben. Auch fünf einheimische Sicherheitskräfte starben bei Bombenattentaten.

Vor dem Scheitern der gesamten Afghanistan-Mission hat der britische Spitzendiplomat Paddy Ashdown gewarnt. "Die Kämpfe gehen in das siebte Jahr, es fehlt eine gemeinsame internationale Strategie und die öffentliche Unterstützung für den Einsatz schwindet auf beiden Seiten des Atlantiks", stellte Ashdown in einem in der "Financial Times" veröffentlichten Artikel fest. "Eine Niederlage ist derzeit eine reale Gefahr."

Quelle: ntv.de

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