Corona-Talk um Söder bei Illner Buschmann: Bundesrecht gilt auch in Bayern
11.02.2022, 03:40 Uhr
Wie will Bayern eine allgemeine Impfpflicht durchsetzen, wenn es schon im Gesundheitswesen scheitert, fragt Justizminister Buschmann.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bayern will bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht einen Sonderweg einschlagen. Dafür bekommt Ministerpräsident Söder heftigen Gegenwind, nicht nur vom Bund, sondern auch aus anderen Ländern. Bei Maybrit Illner wirft Justizminister Buschmann der Landesregierung gar "Tyrannei" vor.
Die Corona-Lage ist uneindeutig. Auf der einen Seite stehen die Infektionszahlen, kein Tag vergeht ohne neue Höchstwerte bei der Inzidenz. Auf der anderen Seite hält sich die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen in Grenzen. Auch auf den Normalstationen ist die Lage nicht so ernst wie befürchtet. Wird es nun Zeit, über Lockerungsmaßnahmen zu reden? Viele Ministerpräsidenten sehen das so. Auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am kommenden Mittwoch könnte es erste Gespräche dazu geben. Unterdessen hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder angekündigt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht zunächst nicht umzusetzen. Söder begründet das mit möglichen Personalproblemen in den Pflegeeinrichtungen. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner sorgt diese Entscheidung am Donnerstagabend für einigen Zündstoff.
Bayern sei an Recht und Gesetz gebunden, stellt gleich zu Beginn Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP klar. "Bundesrecht bricht Landesrecht", erklärt er. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei von den Ministerpräsidenten beschlossen worden, auch der Bundestag habe sich dafür ausgesprochen, selbst die CSU-Landesgruppe habe dafür gestimmt. "Das Bundesrecht wird auch in Bayern vollzogen werden, andernfalls gibt es Möglichkeiten, es durchzusetzen", droht Buschmann. Gleichzeitig warf der FDP-Politiker dem bayerischen Ministerpräsidenten erneut "Tyrannei" vor. Davon spreche man, wenn sich die Inhaber der Macht aussuchten, ob sie sich an Gesetze halten oder nicht.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek reagiert darauf ziemlich verschnupft. Von Tyrannei zu reden sei völlig fehl am Platz, sagt er. Es gebe noch zu viele offene Fragen, die eine Umsetzung der Maßnahme unmöglich machten. Er wisse zum Beispiel nicht, wer von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht überhaupt betroffen sei und wie man sie umsetzen solle. Diese Antwort sei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bisher schuldig geblieben. Die Moderatorin weist auf ein 17 Seiten umfassendes Papier mit Antworten hin, das das Gesundheitsministerium veröffentlicht habe. Deswegen scheint auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil etwas verärgert von der bayerischen Entscheidung. "Meine Befürchtung ist, dass Söder bald einer der beliebtesten Politiker auf Querdenkerdemos ist. Das, was er da gemacht hat, spielt denen wirklich in die Hände." Die bayerische Aktion nennt er "eine Posse".
Holetschek entgegnet: "Es spielt den Querdenkern in die Hände, wenn ein Gesetz nicht vollzogen werden kann." Er sei für die allgemeine Impfpflicht. Man habe den Pflegekräften versprochen, diese solle nach der einrichtungsbezogenen Impfpflicht kommen, nun werde sie aber erst Ende März im Bundestag erneut debattiert.
Nun mischt sich auch Buschmann noch einmal in die Diskussion ein: "Es wundert mich, wie sie eine allgemeine Impfpflicht durchsetzen wollen, wenn Sie nicht einmal eine einrichtungsbezogene Impfpflicht umsetzen können", sagt er.
Weil stößt ins gleiche Horn. Bayern sei doch immer so stolz auf seine Verwaltungskompetenz gewesen. Warum denn der Freistaat nicht in der Lage sei, etwas durchzusetzen, was in Schleswig-Holstein und Niedersachsen möglich sei, will er wissen. Holetschek geht darauf nicht weiter ein. Er bleibt bei seiner Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht und einem entsprechenden Gesetzentwurf der Ampelregierung.
"Leute haben die Schnauze voll"
Schließlich ärgert sich auch der Humanmediziner und Fernsehmoderator Johannes Wimmer. Für ihn höre sich die Diskussion an, als hätten wir die Pandemie erst seit drei Wochen, kritisiert er. "Wir sprechen jetzt über eine Impfpflicht, wo der Zug schon lange abgefahren ist." Wimmer geht davon aus, dass sich das Virus weiter abschwächen wird. "Die meisten Coronaviren waren mal sehr gefährlich, sind heute aber nur ein banaler Schnupfen", gibt er zu bedenken. Schließlich habe ein Virus nichts davon, besonders tödlich zu sein. Es müsse irgendwann Schluss sein mit den ständigen Diskussionen, fordert Wimmer. Er könne verstehen, wenn die Menschen langsam "die Schnauze voll" hätten.
Während Wimmer schnelle Öffnungen fordert, warnt die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff eindringlich davor. Anders als andere europäische Länder sei Deutschland noch nicht so weit, gibt sie zu bedenken. Das Krankheitsgeschehen werde sich erst verbessern, wenn genügend Menschen mit dem Virus Kontakt gehabt hätten und wenn sie nicht mehr so empfänglich dafür seien. Eine Möglichkeit zur Virusbekämpfung seien die im Moment im Test befindlichen Tabletten. Wenn die so schnell wie möglich eingesetzt würden, "dann hat Corona wieder ein anderes Gesicht." Doch genau davor warnt Wimmer. Tabletten hätten in der Regel Nebenwirkungen. Gegen Corona gebe es nur ein wirksames Mittel, und das sei die Impfung.
Darum spricht sich Stephan Weil auch für die Impfpflicht aus. Er habe mit Wissenschaftlern gesprochen, die von einer neuen Virusvariante im Herbst ausgehen. Ob es sich dabei um "eine Schmusekatze oder einen Tiger" handele, wüssten sie nicht. Darauf müsse man jedenfalls vorbereitet sein.
In der Verfassung sei das ganz klar geregelt, erklärt Buschmann. Man müsse im Kampf gegen das Coronavirus immer das mildeste Mittel wählen, das gerade vorhanden ist. Deswegen setzt sich der Minister dafür ein, dass eine Impfpflicht nur für ältere Menschen und vulnerable Gruppen gilt.
"Der Lage angepasst entscheiden"
Auch bei den Einschränkungen der persönlichen Freiheit gehe es um milde Maßnahmen. Man habe festgelegt, dass man sich dabei an der Frage orientieren müsse, ob unser Gesundheitssystem gefährdet sei. Dies sei nicht der Fall. Deswegen müsse man jetzt über Öffnungen reden. "Ich würde mir wünschen, dass wir wenige oder gar keine Maßnahmen mehr brauchen", so Buschmann.
Das sieht auch Klaus Holetschek so. Der bayerische Gesundheitsminister schränkt aber ein: "Wir müssen uns der Lage anpassen." Konkret bedeutet das für ihn, immer noch Maßnahmen in der Hinterhand zu haben, die bei Bedarf eingesetzt werden können. "Wir müssen notfalls auch bremsbereit sein", sagt er. "Aber wir hoffen, dass es jetzt in eine Phase geht, wo mehr Normalität möglich ist."
Quelle: ntv.de