Säbelrasseln gegen Iran? Bush bleibt sich treu
02.07.2008, 17:48 UhrIm Atomstreit mit dem Iran sind nach den Worten von US-Präsident George W. Bush weiterhin alle Optionen offen. Eine diplomatische Lösung stehe jedoch an erster Stelle, sagte Bush in Washington. Ein möglicher Militärschlag der USA oder Israels hat den Ölpreis auf immer neue Rekordhöhen getrieben.
Der Westen wirft dem Iran vor, unter dem Deckmantel der Stromerzeugung nach Atomwaffen zu streben. Die Führung in Teheran bestreitet dies und weist Forderungen zurück, die Anreicherung von Uran auszusetzen. Damit mehren sich die Befürchtungen, dass noch in Bushs Amtszeit zumindest mit seiner Zustimmung und Hilfe der Iran bombardiert werden könnte.
Unvermeidlicher Krieg?
"Man könnte meinen, ... ein Krieg zwischen Israel und dem Iran sei unvermeidlich", warnte Israels Ex-Außenminister Schlomo Ben-Ami in einem Beitrag des "Christian Science Monitor". Selbst im Pentagon mehren sich einem Bericht des US-Fernsehsenders ABC zufolge die Sorgen über "die wachsende Wahrscheinlichkeit" eines Militärschlages gegen iranische Nuklearanlagen. Als mögliches Szenario gelte ein von den USA gedeckter Luftangriff Israels noch in diesem Jahr - bevor Teheran entscheidende Schritte zur Entwicklung einer eigenen Kernwaffe machen könne und bevor der Iran das neue russische SA-20- Raketenabwehrsystem erhalte. Die jüngsten Luftwaffenübungen der Israelis über dem Mittelmeer seien schon die Vorbereitung des Militärschlags gewesen.
Zwischen dem Weißen Haus und führenden US-Militärs gibt es demnach deutliche Differenzen in der Einschätzung eines Angriffs auf den Iran. Viele US-Militärs fürchteten die Vergeltungsschläge des Irans gegen Israel und die USA sowie eine nicht vorhersehbare und äußerst gefährliche Kettenreaktion im Nahen Osten. "Wir werden Generationen von Dschihadisten schaffen und unsere Enkel werden unsere Feinde hier in Amerika bekämpfen", wurde selbst Verteidigungsminister Robert Gates von der "New York Times" zitiert.
Viele Dementis
Das Weiße Haus dementierte nun ebenso schnell den ABC-Beitrag wie es Berichten widersprach, US-Einheiten operierten im Iran. Der US-Starjournalist Seymour Hersh hatte unter Berufung auf geheime US- Dokumente über verstärkte US-Aktivitäten berichtet, die vor allem auf eine Destabilisierung der iranischen Führung und auf das Ausspähen geeigneter Objekte für Angriffe zielten.
Zwar fordern Neokonservative seit langem einen Angriff auf den Iran, bevor "es zu spät ist". Selbst das "schlimmste Szenario" nach einem Angriff - nämlich ein Aufflammen der Gewalt in gesamten Region, die Explosion der Ölpreise und eine Weltwirtschaftskrise - sei nicht so schlimm "wie die grauenhaften Konsequenzen eines nuklearen Krieges zwischen Israel und dem Iran", schrieb der führende Neokonservative Norman Podhoretz.
Aber es gibt in den USA auch erhebliche Zweifel am Sinn einer solchen Attacke. Ein Angriff auf den Iran "wäre nicht effektiv genug, die Nuklearanlagen zu zerstören, ... aber es würde den gesamten Nahen Osten destabilisieren und den Ölpreis dramatisch in die Höhe treiben", warnten Ex-US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski und Ex-Generalleutnant William Odom in der "Washington Post".
Gefährliche Illusionen
Bush weiß, dass die große Mehrheit seiner Landsleute ihm sechs Monate vor Amtsende ein miserables politisches Zeugnis ausstellt. Aber selbst seine politischen Gegner zweifeln kaum daran, dass er sich nicht als politisch "lahme Ente" sieht und seiner neokonservativen Sicht bis zuletzt treu bleibt - dass er den globalen Machtanspruch Amerikas durchsetzen, den Islamismus bekämpfen und ein nukleares Iran verhindern will. "Bushs Präsidentschaft wirkt ausgelaugt und irrelevant, aber das ist eine gefährliche Illusion", schrieb der Kolumnist Eugene Robinson.
Für Bush ist der Iran ein "klerikaler faschistischer Staat", wie der erzkonservative Publizist Jeffrey Kuhner es formulierte. "(Irans Präsident Mahmud) Ahmadinedschad ist der Hitler unserer Zeit, ein ideologischer Fanatiker, der nicht mit traditioneller Zuckerbrot-und- Peitsche-Diplomatie abgeschreckt werden kann", schrieb er drastischer, als es Bush sagt - der aber jüngst in der israelischen Knesset ebenfalls den Brückenschlag zwischen dem Nazi-Regime und den iranischen Mullahs zog.
Irans Außenminister Manuchehr Mottaki meinte zwar am Dienstag in New York, dass die Aussichten eines Angriffs auf den Iran noch in der Amtszeit Bushs "gegen Null" tendierten. "Selbst auf dem Höhepunkt einer psychologischen Kriegsführung glauben wir nicht, dass dieser Krieg stattfinden wird", zitierte ihn die "Washington Post". Mottaki habe vor allem darauf verwiesen, dass die Amerikaner wenig Sehnsucht nach einem neuen Krieg hätten. Allerdings verweist Bush immer wieder darauf, dass sich seine Politik "nicht von Meinungsumfragen leiten lässt". In Washington zweifeln wenige an dem Wahrheitsgehalt dieser Worte - und viele fürchten sie.
Quelle: ntv.de