Platzt die Koalition? CDU stellt Ultimatum
14.01.2008, 07:08 UhrDie CDU stellt die Berliner Koalition vor eine harte Bewährungsprobe - und der SPD ein Ultimatum zur Verschärfung des Jugendstrafrechts: Die SPD solle spätestens bis zum 27. Januar deutlich machen, ob sie eine gesetzliche Verschärfung mitmache. An dem Tag wird in Hessen und Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt.
Die SPD appellierte indes an die CDU, "auf den Boden der Vernunft" zurückzukehren. Parteichef Kurt Beck begrüßte zugleich die "Absetzbewegung" in der Union vom jüngsten Vorstoß Kochs, das Jugendstrafrecht in Ausnahmefällen auch bei Kindern anzuwenden. Beck lehnte erneut eine Verschärfung des Jugendstrafrechts ab. Die SPD sei aber bereit, über dessen Anwendung zu reden, um eine schnelle Bestrafung der jugendlichen Täter zu erreichen. Er habe außerdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen "Integrationsgipfel" vorgeschlagen. Wenn die Kanzlerin in dieser Woche vor die Bundespressekonferenz trete, habe sie beim Thema Jugendstrafrecht noch die Chance, "die Kurve zu kriegen".
Koch rudert zurück / Kritik aus den eigenen Reihen
Roland Koch ist die Debatte über eine Anwendung des Jugendstrafrechts auch auf Kinder unter 14 Jahren offenbar zu heiß geworden. Über seine Staatskanzlei ließ er mitteilen, dass seine Aussage diesbezüglich "fehlinterpretiert" worden sei. Der hessische CDU-Ministerpräsident ließ mitteilen, dass die "Zuspitzung, die das Ganze erfahren hat, mich selbst überrascht hat. Es klingt ja so, als wollten wir Kinder ins Gefängnis stecken. Dem ist selbstverständlich nicht so", hieß es jetzt aus Wiesbaden. Zuvor hatte sich auch die CDU-Spitze von Kochs Vorschlag abgewandt. "Es geht uns nicht um die Absenkung der Strafmündigkeit", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) machte die Ablehnung des Jugendstrafrechts für unter 14-Jährige auch in der Präsidiumssitzung deutlich. "Kinder sind Kinder", sagte er vor der Sitzung. Auch die CSU distanzierte sich von Kochs Vorschlag. "Dazu sind die Fälle zu vereinzelt", sagte Generalsekretärin Christine Haderthauer.
Koch hatte in der "Bild am Sonntag" davon gesprochen, bei "Menschen unter 14 Jahren mit aggressiver Kriminalität" auch das Jugendstrafrecht anzuwenden. Dass Kinder dabei auch zu zehn Jahren Haft verurteilt werden könnten, hatte Koch offenbar nicht bedacht.
Hessen exportiert Problemfälle
Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warnte davor, "Kinder fürs ganze Leben zu stigmatisieren". Anstelle einer schärferen Bestrafung von Kindern unter 14 Jahren forderte er, weitere geschlossene Erziehungsheime zu schaffen. Hilgers kritisierte Koch dafür, dass es bislang in Hessen kein einziges dieser Heime gebe: "Herr Koch macht zwar große Sprüche - aber seine Problemfälle exportiert er nach Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz."
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, wies den neuen Vorstoß Kochs ebenfalls scharf zurück. "Wir brauchen doch keine Kinderknäste", sagte er. "Der Vorschlag ist populistisch und unseriös. Die Strafmündigkeitsgrenze darf nicht herabgesetzt werden." Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, sagte: "Das macht keinen Sinn. Je jünger Menschen hinter Gitter kommen, umso höher ist ihre Rückfallquote."
Spitze: Jugendkriminalität in Hessen
Hessen hat seit dem Regierungsantritt Kochs die höchste Zunahme von Jugendgewalt bundesweit. Die Zahl schwerer und gefährlicher Körperverletzungen durch 14- bis 18-Jährige sei in dem Bundesland zwischen 1999 und 2006 um 66 Prozent, im restlichen Bundesgebiet nur um 28 Prozent gestiegen, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Dabei zitierte sie Berechnungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens (KFN) auf Basis der offiziellen Polizeistatistik.
Die Gewaltkriminalität Jugendlicher insgesamt, zu der auch Raub und Vergewaltigung zählen, nahm demnach in Hessen um 35 Prozent zu, in den anderen Ländern um 12 Prozent. Eine der Ursachen dürften die langwierigen Jugendgerichtsverfahren in Hessen sein, sagte KFN-Leiter Christian Pfeiffer der Zeitung.
FDP verärgert über Koch
Der FDP-Fraktionsvorsitzende in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, selbst Strafverteidiger, reagierte indes im "Tagesspiegel" verärgert auf die jüngste Forderung Kochs. Auf Kinder das Jugendstrafrecht anwenden zu wollen, sei "unglaublich". "Ein Politiker, der ausdrücklich den Schutz von Kindern groß schreiben will, darf mit einer Haftandrohung für Kinder nicht operieren." Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Vizechefin der FDP-Fraktion, sagte bei n-tv: "Koch hat sich vollkommen vergaloppiert. Kinder ins Gefängnis zu sperren und damit auf einen besseren Weg bringen zu wollen, ist vollkommen falsch. Das wissen alle Experten. Und Herr Koch sollte zur Besinnung kommen."
Quelle: ntv.de