Leere Kassen, große Begehrlichkeiten CDU winkt ab
03.10.2009, 07:52 Uhr
Die Staatsverschuldung ist hoch wie nie
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Kurz vor Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP wird bereits eines klar: Gemütlich wird es nicht. Hessens Ministerpräsident Koch erklärt, dass es kaum etwas zu verteilen gebe, massive Steuersenkungen seien unmöglich. Schützenhilfe bekommt er dabei von Bundesbankpräsident Weber. FDP-Chef Westerwelle hält dagegen und kündigt an, ein Maximum liberaler Forderungen durchsetzen zu wollen.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hält massive Steuererleichterungen in den kommenden vier Jahren nicht für möglich. "Die Spielräume für Steuersenkungen sind angesichts der Wirtschaftskrise sehr begrenzt", sagte Koch, der auch stellvertretender CDU-Vorsitzender ist, dem "Hamburger Abendblatt". "Wir werden im Verlauf dieser Legislaturperiode höchstens 15 Milliarden Euro zu verteilen haben." Damit werde die neue Bundesregierung "schwerpunktmäßig die Frage der Progression bei der Einkommensteuer angehen", sagte Koch. "Darüber hinaus sehe ich kaum Spielraum für Entlastungen."

Es geht ans Eingemachte - das ist Koch klar.
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Koch kündigte auch die Überprüfung staatlicher Leistungen an. "Wir werden liebgewonnene Programme - Förderprogramme, Subventionen, staatliche Dienstleistungen - auf den Prüfstand stellen." Es wäre verkehrt, wenn der Eindruck erweckt würde, es könne hier alles beim Alten bleiben.
Steuererhöhungen und auch den Wegfall des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes soll es Koch zufolge nicht geben: "Wir wollen keine Debatte über Steuererhöhungen durch die Hintertür. Steuererhöhungen sind in den nächsten vier Jahren ausgeschlossen."
Bundesbank warnt
Auch Bundesbankpräsident Axel Weber sieht vorerst nur wenig Spielraum für die von Union und FDP angestrebten Steuersenkungen. Die neue Regierung werde zunächst einen Kassensturz machen und eine Prioritätenliste aufstellen müssen, sagte Weber. Alle Ausgabenposten müssten auf den Prüfstand. "Es gibt sehr wenig Spielraum die Gesamtbelastung der Bürger zu reduzieren wenn man nicht die Ausgaben senkt."

Westerwelle warnt davor, ihn zu unterschätzen.
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Nach Einschätzung der Bundesbank kommt die deutsche Wirtschaft zwar zunehmend in Fahrt. Sie wird sich langfristig aber auf niedrigere Wachstumsraten als bisher einstellen müssen. Dies erhöhe den Reform- und Konsolidierungsdruck. "Wir sind jetzt in einer Stabilisierungs- und Erholungsphase." Im dritten Quartal dieses Jahres werde die deutsche Wirtschaft "eindeutig noch stärker" zulegen als im Vorquartal. Er rechne mit einem Wachstumsplus in der Größenordnung von 0,75 Prozent. Das Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft werde mittel- und langfristig aber eher bei jährlich 1,0 Prozent liegen statt bisher 1,5 Prozent, sagte der Bundesbankpräsident.
Westerwelle bleibt bei Forderungen
FDP-Chef Guido Westerwelle kündigte indes an, in den am Montag beginnenden Koalitionsverhandlungen mit der Union ein Maximum an liberaler Politik durchzusetzen. Zu Äußerungen führender Politiker von CDU und CSU, die wichtige Politikthemen wie Gesundheitsfonds und Anti-Terror-Gesetze für nicht verhandelbar erklärt hatten, sagte er der "Bild am Sonntag": "Fakten werden am Koalitionstisch geschaffen und nicht in Interviews." Westerwelle warnte die Union davor, aus seiner Zurückhaltung in der Öffentlichkeit den falschen Schluss zu ziehen. "Die Tatsache, dass ich mich derzeit zurückhaltend äußere, darf nicht mit einem Mangel an Entschlossenheit verwechselt werden."

Die Unionsspitzen trafen sich bereits am Donnerstagabend im Kanzleramt. Mit der FDP wird ab Montag verhandelt.
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Man sollte ein gutes Verhandlungsergebnis aber nicht dadurch erschweren, "dass man den Partner über Medien unter Druck setzt", sagte der FDP-Chef. Zugleich stellte er das Ziel von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) infrage, bis Anfang November die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen zu haben. Er freue sich "über den Ehrgeiz der Unionsparteien" und teile ihn, sagte Westerwelle. "Aber alle drei Partner müssen wissen, dass die Gründlichkeit im Interesse unseres Landes viel wichtiger ist, als die Frage, ob wir uns ein paar Tage länger auf den Hosenboden setzen und verhandeln."
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Jürgen Koppelin, sagte, bei den Koalitionsverhandlungen müsse auch die Bestellung von 60 Militärtransportern des Typs A400M auf den Prüfstand. Wenn lediglich 49 Maschinen bestellt würden, ließen sich 1,3 Milliarden Euro einsparen. "Das ist ein erhebliches Einsparpotenzial", sagte Koppelin der "Rheinischen Post".
Forderung nach neuer Steuerschätzung
Der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter fordert indes für die schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen eine aktualisierte Steuer- und Ausgabenschätzung. Dabei gehe es nicht um einen Kassensturz, aber die künftige Koalition von Union und FDP müsse genau wissen, welche Löcher die Finanz- und Wirtschaftskrise in die Kasse gerissen hat, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion der "Rheinpfalz am Sonntag".
Der Start für die neue Bundesregierung aus Union und FDP dürfe nicht mit einem finanzpolitischen Blindflug beginnen, der leicht zur Bruchlandung führen kann. Zu einer geordneten Übergabe gehöre, dass Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sein Erbe regele.
Am Montag soll die Koalitionsrunde mit Vertretern von CDU, CSU und FDP erstmals tagen. Die Union geht ohne eine vorherige Festlegung auf einen konkreten Zeitplan für die geplanten Steuerentlastungen in die Gespräche mit der FDP. Die CSU pocht bislang auf Steuerentlastungen in den Jahren 2011 und 2012. Die CDU hat den Zeitpunkt für die zwei bis 2013 geplanten Schritte offengelassen. Die FDP-Pläne will die Bürger mit bis zu 35 Milliarden Euro entlasten.
Quelle: ntv.de, ghö/rts/AFP/dpa