
Der Mau-Wald im Westen Kenias ist ein begehrtes Objekt im CO2-Handel geworden.
(Foto: REUTERS)
Auf der UN-Klimakonferenz in Dubai bemühen sich die Afrikaner um einen gemeinsamen Standpunkt. Den internationalen CO2-Handel empfinden viele von ihnen als pure Abzocke des Westens.
Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan sprach aus, was vielen afrikanischen Klimaaktivisten und Umweltschützern auf dem Herzen liegt. Die derzeit diskutierten Ideen, wie der Klimawandel in den Griff zu bekommen sei, seien "nachteilig für Afrika", betonte sie in der Woche vor der UN-Klimakonferenz in Dubai. Sie erwähnte vor allem die international heiß diskutierten CO2-Handelsprogramme: "Damit ernten ausländische Unternehmen mehr als wir selbst."
Sie ermutigte ihre Amtskollegen aus den Nachbarländern, auf der Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine gemeinsame Position dagegen einzunehmen, "damit wir einen gemeinsamen Weg finden, unsere Umwelt zu schützen". Allerdings nicht zum Vorteil internationaler Großkonzerne, sondern für die Afrikaner selbst.
CO2-Handel - das ist die große Lösungsidee, die auf der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai in diesen Tagen debattiert wird. Vor allem die ölproduzierenden Länder und private Großkonzerne sind Verfechter, wenn sie ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung nachkommen wollen, bis 2050 netto kein CO2 mehr ausstoßen zu wollen. Denn dies ermöglicht ihnen, wenn sie selbst keine Emissionen einsparen, anderswo auf der Welt Projekte zu unterstützen, die CO2 vermeiden oder reduzieren. Damit können sie ihre eigenen Emissionen quasi wieder wettmachen.
Ein Milliardenmarkt
In jüngster Zeit boomt dieser Handel und der Fokus richtet sich auf Afrika. Der Grund: Afrika produziert nur 11 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes, verfügt jedoch über den zweitgrößten Regenwald der Erde und über kohlenstoffabsorbierende Ökosysteme wie Mangrovenwälder und Sumpfgebiete, sogenannte Kohlenstoffsenken, die gigantische Mengen an Kohlenstoff aufnehmen. Der Beraterfirma McKinsey zufolge wird der jährliche globale Markt für freiwillige CO2-Zertifikate im Jahr 2030 einen Wert von etwa über 50 Milliarden US-Dollar erreichen.
Ein Beispiel: Im Juni dieses Jahres hielt eine saudi-arabische Firma die weltweit größte Auktion von CO2-Zertifkaten ab, und zwar in Kenia. Die saudische Firma Regional Voluntary Carbon Market Company (RVCMC) wurde vom saudischen Public Investment Fund PIF gegründet, mit dem Zweck, weltweit CO2-Zertfikate einzukaufen. Sie hat sich Kenia als Investitionsstandort ausgesucht, da das Land weit weniger als ein Prozent der globalen Treibhausgase produziert und weltweit CO2-Zertifikate anbietet. Afrikaweit ist Kenia führend in dem Sektor. Sechzehn saudische Konzerne, darunter der staatliche Ölgigant Aramco, derzeit der zweitgrößte Konzern der Welt und damit für enorme Mengen an Treibhausgasen verantwortlich, erwarben in Kenias Hauptstadt Nairobi über zwei Millionen Tonnen an Kohlenstoffkrediten zum Stückpreis von 6,2 Dollar pro Tonne.
Afrikanische Regierungen wie die in Kenia betrachten dies als Strategie, Geld zu machen. Tech-Giganten wie Meta, zu dem auch Whatsapp und Facebook gehören, sowie Netflix haben jüngst im Norden Kenias Konzessionen für CO2-Zertifikate erworben. Kenias Präsident William Ruto, der im September den afrikanischen Klimagipfel in Nairobi ausrichtete, bezeichnete Afrikas Kohlenstoffsenken als "beispiellose wirtschaftliche Goldmine". Sie hätten das Potenzial, jährlich Millionen Tonnen CO2 zu absorbieren, was sich laut Ruto in "Milliarden von Dollar niederschlagen dürfte".
Aus Indigenen werden "Eindringlinge"
Um dieses Geld auch einspielen zu können, verfolgen Afrikas Regierungen die Strategie, immer mehr große Land- und Waldflächen als Schutzgebiete auszuweisen, um noch mehr CO2-Senken zu etablieren. Das bedeutet: Diese Flächen unterliegen denn den jeweiligen Umweltschutzgesetzen, nach welchen dann dort nicht gebaut oder gewohnt werden darf, die also unberührt sein sollen. Jeder Baum, jeder Quadratmeter Mangrovenwald wird damit zum potenziellen Anlageportfolio ausländischer Konzerne. Zunehmend besteht die Tendenz, diese wichtigen CO2-absorbierenden Flächen großflächig einzuzäunen und Menschen auch mit Waffengewalt fernzuhalten. "Diejenigen, die die Wälder Afrikas kontrollieren, können eine Menge Geld verdienen", erklärt Justin Kenrick von der NGO Forest People's Programme, die sich für die Rechte indigener Waldvölker einsetzt.
Im Fokus der CO2-Handelsstrategie der kenianischen Regierung steht derzeit der Mau-Wald im Westen des Landes, das größte Waldgebiet Kenias. Doch dort leben die Indigenen des Volkes der Ogiek, Jäger und Sammler, die auch Rinder halten. Der Wald ist ihr traditioneller Lebensraum, seit Jahrtausenden schon, das Jagen - seit Kolonialzeiten verboten - gehörte einst zu ihrem Lebensstil.
Jetzt beansprucht Kenias Regierung den Wald für sich als Schutzgebiet. Laut Gesetz dürfen darin keine Menschen leben. Erst im Oktober hat Präsident Ruto erneut Kenias Umweltschutzbehörde zugesagt, dass die bereits jetzt militärisch ausgebildeten und bewaffneten Wildhüter noch mehr Ausrüstung und Trainings erhalten sollen, um die Wälder und die Natur "vor Eindringlingen" zu bewahren. Er rief ein Aufforstungsprogramm ins Leben, um die Schutzgebiete zu erweitern.
Die Ogiek wissen nicht, wohin
Kurz darauf schlugen Hundertschaften schwer bewaffneter Ranger im Mau-Wald auf und brannten die Hütten der Ogiek nieder, berichtete Ogiek-Anführer Daniel Kobei gegenüber lokalen Medien. Die Ranger befahlen den über 700 Waldbewohnern, sich woanders anzusiedeln. Diese wissen aber nicht, wohin sie gehen sollen.
Internationale Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzen, beschuldigen in einer gemeinsamen Erklärung Kenias Regierung, den Mau-Wald im Zuge des CO2-Handels veräußert zu haben. Die Ogiek zogen gegen Kenias Regierung vor den Afrikanischen Gerichtshof für Menschen- und Völkerrechte. Dieser betonte, wie in zahlreichen ähnlich gelagerten Klagen indigener Völker aus Tansania und der Demokratischen Republik Kongo, dass die Regierung die Menschen nicht ohne vorherige, freiwillige Zustimmung gewaltsam von ihrem Land vertreiben dürfe.
Lucy Claridge, Direktorin des International Lawyers Project, erklärt: "Wir haben den starken Verdacht, dass dies mit Emissionsgutschriften zusammenhängt." Claridge, die die Ogiek seit 2010 juristisch berät, verwies auf die jüngsten Verhandlungen zwischen der kenianischen Regierung und einem jungen CO2-Kompensationsunternehmen mit Sitz in Dubai, Blue Carbon, das sich für den Mau-Wald als CO2-Senke interessiert, sowie auf die Ankündigung der Regierung, die Mittel für den Waldschutz aufzustocken. Blue Carbon streitet dies allerdings ab.
In einer Erklärung sagte das kenianische Ministerium für Umwelt, Klimawandel und Forstwirtschaft, es sei sich "vollständig bewusst" über die Aktion, Teile des Mau-Waldes gegen "Übergriffe und illegale Abholzungsaktivitäten" zurückzugewinnen. Es forderte die "behördenübergreifenden Sicherheitsteams" auf, "die Operation menschlich durchzuführen".
Für Afrikas Klimaaktivisten und Umweltschützer ist dies allerdings der falsche Weg, den Planeten zu retten. Denn dies führe einerseits dazu, dass große Treibhausgasproduzenten so weiter machen können wie bisher, wenn sie nur genügend CO2-Zertifikate in Afrika einkaufen. Die Afrikaner wiederum, die sich mit einem gewaltigen Bevölkerungswachstum konfrontiert sehen - und die zunehmend gefährdeten indigenen Völker haben immer weniger Land zur Verfügung, weil ein Großteil ihrer Wälder und Natur eingezäunt und mit Waffengewalt verteidigt werden - um damit woanders Geld zu machen.
Quelle: ntv.de