Politik

Versicherte sollen Arzt selbst bezahlen CSU gegen Röslers Vorkasse

Minister Rösler betreibt den Umbau des Gesundheitssystems.

Minister Rösler betreibt den Umbau des Gesundheitssystems.

(Foto: dpa)

Gesundheitsminister Rösler möchte gesetzlich Versicherte ebenso wie Privatpatienten die Arztrechnung künftig selbst bezahlen lassen, und das Geld erst im Nachhinein von den Kassen erstatten lassen. Die CSU kündigt allerdings ebenso wie die Opposition ihren Widerstand an. Auch die Kassen lehnen die Pläne ab: "Vorkasse heißt, dass den Ärzten den direkten Griff in die Portemonnaies ihrer Patienten ermöglicht wird."

Gesetzlich Versicherte sollen ihre Behandlung künftig häufiger beim Arzt bezahlen und sich das Geld von den Krankenkassen erstatten lassen. Gesundheitsminister Philipp Rösler will so die Finanzierung gesetzlicher Kassen stärker am Vorbild privater Versicherungen ausrichten. Opposition, gesetzliche Kassen, Gewerkschaften und Verbraucherschützer reagierten empört. Auch in der Union gibt es deutlichen Widerstand gegen die Pläne. "Für das Gesundheitssystem bringt das keine Ersparnis, und die Patienten zahlen im Extremfall immer nur drauf", sagte der CSU-Gesundheitspolitiker Max Straubinger der "Welt".

Rösler hatte angekündigt, das Prinzip der Vorkasse bei Krankenkassen attraktiver machen zu wollen. Gesetzlich Versicherte können teils bereits Kostenerstattungstarife wählen - bekommen dann aber nur 90 Prozent der sonst bezahlten Kosten zurück. Zudem binden sich Versicherte drei Jahre an den Tarif. "Das ist kein Anreiz, das auszuprobieren", sagte Rösler. Bereits mit der Gesundheitsreform sollten diese unter SPD-Regie aufgebauten Hürden beseitigt werden.

Längerfristig solle das Prinzip der Kostenerstattung ausgebaut und Transparenz und Wettbewerb gestärkt werden. "Man muss den Einstieg auf freiwilliger Basis machen", versicherte Rösler. Auch CDU-Experte Jens Spahn sagte: "Uns ist als Union wichtig, dass es sich um eine freiwillige Wahl des Versicherten handeln muss, für die er sich aktiv entscheiden muss." Gesetzliche und private Kassen sollten künftig zudem verstärkt Angebote aus einer Hand anbieten dürfen.

Widerstand aus allen Richtungen

Die Kassen lehnen die Pläne ab. "Vorkasse heißt, dass den Ärzten den direkten Griff in die Portemonnaies ihrer Patienten ermöglicht wird", sagte der Sprecher ihres Verbands, Florian Lanz. "Wenn kranke Menschen zum Arzt gehen, dann sollen sie sich nicht erst fragen müssen, ob ihr Geld reicht, um in Vorkasse gehen zu können." Aus Sicht des Verwaltungsratschefs der Barmer GEK, Holger Langkutsch, werden so Einkommensfantasien der Ärzte gefördert. "Die Gefahr droht, dass die Patienten auf erhebliche Mehrkosten sitzen bleiben."

Versicherte sollten nach Möglichkeit den Arzt zuerst selbst bezahlen, meint Rösler.

Versicherte sollten nach Möglichkeit den Arzt zuerst selbst bezahlen, meint Rösler.

(Foto: dpa)

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte, für sich genommen bringe der Vorschlag von Rösler nichts. "Im Gesamtzusammenhang seiner Gesundheitspolitik ist er aber ein logischer nächster Schritt", kritisierte sie. "Die Versicherten sollen schon einmal an das in der PKV übliche Erstattungsverfahren gewöhnt werden." Damit solle die von ihm angestrebte "private Basisversicherung für alle" nicht mehr so weh tun. "Röslers Kostenerstattung ist ein alter Hut, der durch ständiges Herauskramen nicht besser wird", erklärte der Linken-Gesundheitsexperte Harald Weinberg.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte: "Wir werden eine Drei-Klassen-Medizin bekommen, bestehend aus Privatversicherten, denjenigen mit Kostenerstattung - und dann kommt die Holzklasse." Patienten bekämen bevorzugt Arzttermine, wenn sie selbst zahlen, sagte er der dpa. Geringverdienern sei das unmöglich. So äußerte sich auch der Verbraucherzentrale Bundesverband. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach warnte: "Die Folge wäre, dass die Versicherten noch mehr draufzahlen müssten und im Zweifel abgezockt werden."

Rösler will Tarife prüfen

Rösler versicherte, das Sachleistungsprinzip mit automatischer Kostenübernahme bleibe erhalten. Niemand solle zudem in eine Kostenfalle geraten; die Höhe der Vergütung müsse vorher klar sein. Längerfristig solle Kostenerstattung intelligent ausgeweitet werden. Zunächst solle aber eine Großreform der Ärztehonorare kommen, denn Ärzte könnten wegen der komplizierten Abrechnungsregeln gar nicht unmittelbar eine Rechnung ausstellen.

Die Ärzteorganisation Hartmannbund begrüßte die Pläne. "Unserer Vorstellung nach soll das laufen wie bei Privatversicherungen: Der Patient wird sein Geld von der Kasse bekommen und erst dann die Rechnung begleichen", sagte Sprecher Michael Rauscher.

Rösler kündigte eine Überprüfung der Wahltarife an. Verhindert werden solle, "dass ein gesetzlich Versicherter mit seinem ganz normalen Beitrag womöglich den Wahltarif eines anderen Versicherten - Auslandskrankenversicherung, Chefarztbehandlung, Ein- oder Zweibettzimmer - subventioniert." Lanz monierte: "Das klingt alles sehr nach einem staatlichen Förderprogramm für die private Krankenversicherung als Nischenanbieter."

Als Fernziel schwebt Rösler ein Komplettumbau vor. "Die reine Lehre der FDP sieht so aus, dass wir die heutige Versicherungspflicht abschaffen und jeden Menschen verpflichten, sich zu einem Basisschutz bei egal welchem Versicherungsunternehmen zu versichern", sagte er der "Financial Times Deutschland". SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierte, Kostenerstattung solle die Versicherten an eine private Basisversicherung gewöhnen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen