Politik

Behörden vermuten nach Aussage weitere NSU-Tat Carsten S. spricht sein Mitgefühl aus

Sieben Tage lang wurde Carsten S. vernommen.

Sieben Tage lang wurde Carsten S. vernommen.

(Foto: dpa)

Sieben Verhandlungstage dauert die Befragung des mutmaßlichen Terrorhelfers Carsten S. im NSU-Prozess. Nun spricht er den Angehörigen sein Mitgefühl aus - die Nebenkläger reagieren unterschiedlich. Zudem weist Carsten S. bei seiner Aussage auf eine mögliche weitere Tat der Terroristen hin.

Im NSU-Prozess hat der Angeklagte Carsten S. den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl ausgesprochen. "Ich kann nicht ermessen, was Ihren Angehörigen für unglaubliches Leid, Unrecht angetan wurde", sagte der 33-Jährige vor dem Oberlandesgericht München. "Eine Entschuldigung wäre zu wenig. Eine Entschuldigung klingt für mich wie ein 'sorry, und dann ist es vorbei' - aber es ist noch lange nicht vorbei. Ich wollte Ihnen mein tiefes Mitgefühl ausdrücken."

Zschäpe kommt mit einem Lächeln zur Verhandlung.

Zschäpe kommt mit einem Lächeln zur Verhandlung.

(Foto: dpa)

Aufgrund der Aussagen von Carsten S. sucht die Bundesanwaltschaft zudem nach einer möglichen weiteren unentdeckten Tat der Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Der Angeklagte Ralf Wohlleben habe ihm erzählt, dass die drei Untergetauchten jemanden angeschossen hätten, hatte S. im Prozess gesagt. Dies sei geschehen, nachdem er dem Trio eine Waffe übergeben hatte.

"Wir haben das Bundeskriminalamt beauftragt herauszufinden, ob in diesem Zeitraum eine Tat begangen worden sein könnte, wo jemand angeschossen wurde und die NSU-Bezug haben könnte", sagte Bundesanwalt Herbert Diemer nach der Verhandlung. Carsten S. hatte die Ermittler im Prozess schon auf eine weitere neue Spur gebracht: Er deutete auf einen Rohrbombenanschlag in Nürnberg 1999 hin. Die Bundesanwaltschaft ermittelt deswegen mittlerweile gegen Beate Zschäpe wegen des Verdachts des versuchten Mordes.

Tatsächlich aus rechter Szene gelöst?

Carsten S. hat zugegeben, den untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe eine Waffe besorgt zu haben - höchstwahrscheinlich jene Pistole der Marke "Ceska", mit der die Terroristen neun Menschen ermordeten. Carsten S. ist nach eigenen Angaben kurz darauf aus der rechten Szene ausgestiegen. Er ist der bislang einzige der fünf Angeklagten im NSU-Prozess, der vor Gericht ausgesagt hat und Fragen beantwortet. Der Mitangeklagte Holger G. hatte lediglich eine Erklärung verlesen, aber keine Fragen zugelassen.

Bei der heutigen Befragung von S. durch Vertreter der Nebenklage ging es vor allem darum, wie weit er sich ab Herbst 2000 tatsächlich aus der rechten Szene gelöst hatte. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft warf die Frage auf, ob es wirklich Zufall war, dass der Ausstieg in die Zeit des ersten Mordanschlags der NSU-Terroristen am 9. September 2000 in Nürnberg fiel. Es bestehe ein "nicht ganz unauffälliger" zeitlicher Zusammenhang, merkte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten an und fragte: "Gibt es da einen inneren Zusammenhang?" Carsten S. verneinte entschieden.

Vertreter der Nebenklage werteten Carsten S.' Ausdruck von Mitgefühl unterschiedlich. Während der Rechtsanwalt Detlef Kolloge, der die Familie des in Rostock ermordeten Yunus Turgut vertritt, von einer "ziemlich überzeugenden" Erklärung sprach, bewertete sein Kollege Yavuz Narin die Erklärung als "nicht überzeugende Schutzbehauptung".

Neue Akten in Dresden gefunden

Unterdessen wird nach dem Fund bislang unbekannter NSU-Akten in Dresden Sachsens stellvertretender Verfassungsschutzchef Olaf Vahrenhold ins Staatsarchiv versetzt. Das teilte der sächsische Innenminister Markus Ulbig von der CDU in Dresden mit. Die Versetzung, die nicht nur mit dem erneuten Fund von NSU-Akten zu tun habe, greife zum 1. Juli.

"Wir haben eine Neuordnung des Verfassungsschutzes als Auftrag, dazu gehören neue Strukturen und neue Köpfe", sagte Ulbig. Im vergangenen Sommer war der sächsische Verfassungsschutzchef Reinhard Boos nach dem Fund bis dahin unbekannter NSU-Akten zurückgetreten.

Die jetzt aufgetauchten Akten seien bei der Aufarbeitung von Altbeständen entdeckt worden, sagte Verfassungsschutz-Chef Gordian Meyer-Plath. Sie seien den NSU-Untersuchungsausschüssen in Berlin und Dresden übermittelt worden. Eine der Akten beleuchte eine bereits bekannte Geheimoperation, zwei weitere beträfen Informationen über das mögliche Unterstützer-Umfeld der Nazi-Terrorzelle, sagte Meyer-Plath, der damit einen Bericht der "Leipziger Volkszeitung" bestätigte.

Quelle: ntv.de

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