Schlüsselfiguren der blutigen Gewalt in Kenia Chefankläger nennt Namen
16.12.2010, 11:50 UhrVor drei Jahren stand Kenia nach der Präsidentenwahl am Rande des Bürgerkriegs. Nun hat UN-Staatsanwalt Moreno-Ocampo die mutmaßlichen Drahtzieher der blutigen Gewalt benannt. Er will sie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht bringen.
Für einige kenianische Politiker ist es "ein trauriger Tag", doch die meisten Menschen in dem ostafrikanischen Land haben darauf seit langem ungeduldig gewartet. Fast drei Jahre nach der blutigen Gewalt, die Kenia nach der umstrittenen Präsidentenwahl ins Chaos stürzte, hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, die mutmaßlichen Schlüsselfiguren benannt. Die Sechs gelten als Hauptverdächtige bei der Organisation der Gewalt, die mehr als tausend Menschen das Leben kostete.
Ihnen will er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Prozess machen. Unter den Verdächtigen ist mit Finanzminister Uhuru Kenyatta, der auch Vize-Ministerpräsident ist, ein bekannter Name. Kenyatta ist der Sohn von Kenias erstem Präsidenten Jomo Kenyatta. Er will sich 2012 selbst um das oberste Staatsamt bewerben. Moreno- Ocampo wirft Kenyatta vor, er habe die mafiaähnlichen Mungiki organisiert, um nach der Wahl Anhänger der Oppositionspartei ODM des heutigen Premierministers Raila Odinga anzugreifen.
Gewalttätigste Zeit in der Geschichte Kenias
Ebenfalls an der Präsidentschaft interessiert ist William Ruto, der vor einigen Monaten über einen Korruptionsskandal gestolperte ehemalige Agrarminister. Einst Führungsmitglied der ODM, hat er sich inzwischen mit Odinga zerstritten. Doch unmittelbar nach den Wahlen soll er mit dem heutigen Industrieminister Henry Kosgey und dem Journalisten Joshua arap Sang brutale Attacken gegen Anhänger von Präsident Mwai Kibaki und dessen Partei PNU geplant und organisiert haben.
"Die Zeit nach den Wahlen war eine der gewalttätigsten in der Geschichte des Landes", sagte Moreno-Ocampo in Den Haag. Als Organisatoren der Gewalt gegen ODM-Anhänger will er außerdem den einstigen Personalchef Mohammed Hussein Ali und den Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsausschusses, Francis Mutaura, vor Gericht bringen. Sie sollen die Polizei zu exzessiver Gewalt gegen ODM- Sympatisanten ermuntert haben.
Die Unruhen waren nach Vorwürfen des Wahlbetrugs ausgebrochen. Erst nach wochenlangen Verhandlungen des ehemaligen UN- Generalsekrtärs Kofi Annan einigten sich Kibaki und Rivale schließlich auf eine Teilung der Macht.
"So viele haben Blut an den Händen kleben"
In Kenia war die Bekanntgabe der Namen der mutmaßlichen Strippenzieher der politischen Gewalt mit Spannung erwartet worden. In einer Bar in Nairobi drängten sich am frühen Nachmittag Mitarbeiter der umliegenden Büros, um während der späten Mittagspause die live-Übertragung aus Den Haag zu verfolgen. "Es müssten mehr als sechs Namen sein, so viele haben Blut an den Händen", klagte einer der Gäste. "Aber wenigstens können in Den Haag die Richter nicht gekauft werden", wandte ein anderer Besucher ein.
Er war mit dieser Meinung nicht allein: Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage trauen 85 Prozent der Kenianer dem Haager Gericht am ehesten zu, die Verantwortlichen für die politische Gewalt zur Rechenschaft zu ziehen.
Groß war die Spannung in den Gebieten, die besonders unter den brutalen Angriffen zwischen Parteianhängern und den Volksgruppen Odingas und Kibakis gelitten hatten. In Mathare, einem Slum von Nairobi, in dem sich Ende 2007 und Anfang 2008 wochenlang blutige Straßenschlachten abgespielt hatten, herrschte Erleichterung. "Wir alle sind glücklich", sagte der Sozialarbeiter John Mucheru. "Wenn es zu einem Prozess kommt, wissen wir, dass es nach all dem Leid auch Gerechtigkeit geben wird."
Quelle: ntv.de, Eva Krafczyk, dpa