Politik

Wenn der Staat töten lässt China führt Hinrichtungs-Statistik an

Einmal im Jahr veröffentlicht Amnesty eine besonders grausame Statistik: Welcher Staat die meisten Menschen hinrichten lässt. Und wieder wird die Liste von der Volksrepublik China angeführt. Allerdings ist weltweit ein Trend zu humaneren Strafen zu erkennen.

Dieser Chinese wurde wegen eines Heroindelikts hingerichtet.

Dieser Chinese wurde wegen eines Heroindelikts hingerichtet.

(Foto: picture alliance / dpa)

Li Shubiao ist nur einer von vielen. Einer von mehreren tausend Menschen, die letztes Jahr in China hingerichtet wurden. Der 46-jährige Beamte aus der Millionenstadt Chenzhou war kein Mörder, sondern ein Spieler. Der Staat nahm dem kommunistischen Funktionär das Leben, weil er in großem Stil Geld veruntreut und das meiste davon in Casinos verprasst hatte.

Nur aus diesem Grund fand sich die Nachricht von Lis Hinrichtung in den Zeitungen - aus volkspädagogischen Gründen gewissermaßen. Normalerweise wird aus Todesurteilen in der Volksrepublik ein "Staatsgeheimnis" gemacht. Zuverlässige Zahlen gibt es keine. Deshalb verzichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem neuen weltweiten Todesstrafen-Bericht darauf, für China auch nur eine annähernde Schätzung zu nennen.

Bis zu 10.000 Exekutionen in China

Als sicher gilt jedoch, dass in der Volksrepublik auch 2010 wieder mehr Menschen hingerichtet wurden als im gesamten Rest der Welt. "Tausende", sagt Amnesty nur. Nach Schätzungen von anderen Menschenrechtlern dürfte die Zahl der Exekutionen bei etwa 5000 gelegen haben. Einige gehen sogar von bis zu 10.000 aus. Im Vergleich dazu: In allen restlichen Ländern wurden mindestens 527 Todesurteile vollstreckt.

Auf dem zweiten Platz der Amnesty-Statistik liegt der Iran (mindestens 252 Exekutionen), gefolgt von Nordkorea (60), dem Jemen (53) und den USA (46). Insgesamt waren es im vergangenen Jahr noch 23 Staaten, die Menschen hängen, enthaupten, vergasen, erschießen, zu Tode spritzen oder sogar steinigen ließen. In Europa droht die Todesstrafe nur noch in einem einzigen Staat: Weißrussland. Dort ließ die Justiz des Diktators Alexander Lukaschenko vor einem Jahr zwei Männer insgeheim exekutieren.

Zugleich wurden 2010 weltweit mehr als 2000 neue Todesurteile verhängt. Insgesamt warten damit rund um den Globus mehr als 17.800 Todeskandidaten auf ihre Hinrichtung. Drei davon sind Bundesbürger - alle drei wegen Mordes verurteilt in den USA. In der Bundesrepublik selbst wurde die Todesstrafe bereits 1949 abgeschafft, 1987 auch in der DDR.

"Trend zu einer Welt ohne Todesstrafe"

Auch die meisten anderen Länder haben die Todesstrafe inzwischen aus dem Gesetz gestrichen oder wenden sie nicht mehr an, zuletzt Gabun und die Mongolei. Inzwischen sind es 139 von 192 Staaten. Amnesty sieht einen "eindeutigen Trend zu einer Welt ohne Todesstrafe". "Wer im 21. Jahrhundert noch Menschen hinrichtet oder zum Tode verurteilt, ist international zunehmend isoliert", sagt die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Monika Lüke.

Wenn da nur China nicht wäre. Zwar wurde auch dort zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten die Gesetzgebung verändert: der Volkskongress strich 13 Delikte wie Schmuggel oder Raub antiker Güter von der Liste der Taten, auf denen die Todesstrafe steht. Zudem wurden ältere Täter über 75 Jahren ausgenommen. Aber grundsätzlich verkündete Mou Xinsheng, Mitglied des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses: "Die Zeit ist noch nicht reif, um die Todesstrafe abzuschaffen."

Mehrheit der Chinesen für Hinrichtungen

Dabei hat die kommunistische Führung die Mehrheit der Chinesen wohl hinter sich. Weite Teile der Bevölkerung scheinen die Todesstrafe für Gewaltverbrechen oder Korruption zu unterstützen, auch wenn verlässliche Studien fehlen. Es gibt aber auch Sorgen über Justizirrtümer, wie sie mehrfach aufgedeckt wurden. Das Justizsystem ist mangelhaft entwickelt. Oft werden Geständnisse in China auch durch Folter erzwungen. Angeklagte haben keine richtige Verteidigung.

Mit einem baldigen Hinrichtungsstopp in der Volksrepublik rechnet niemand. Amnesty-Generalsekretärin Lüke forderte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) trotzdem auf, bei seinem China-Besuch diese Woche das Thema in Peking zur Sprache zu bringen. "Die chinesischen Behörden sollten den Anwendungsbereich der Todesstrafe weiter einschränken", heißt es in einem Brief an den Minister. "Langfristiges Ziel muss die Abschaffung der Todesstrafe auch in China sein."

Quelle: ntv.de, Von Christoph Sator und Andreas Landwehr, dpa

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