Russland und der Westen China unterstützt "guten Freund" Putin nicht
05.03.2014, 13:46 Uhr
Angehörige der Volksbefreiungsarmee auf dem Weg zum Volkskongress, der in dieser Woche in Peking startet.
(Foto: AP)
Russland stellt die Sache anders dar, aber im Konflikt um die Ukraine hat Peking den Pfad der 100-prozentigen Unterstützung Moskaus verlassen. Die Volksrepublik besinnt sich auf ihre eigenen Interessen.
Die Chinesen mögen Wladimir Putin. Russlands Staatspräsident ist für die Politiker in der Volksrepublik eine Art ruhender Pol. Auf ihn können sie sich verlassen. Zwar gibt es hin und wieder ein paar Streitigkeiten um Geld oder Gas zwischen den Nachbarn, aber Putin redet im Rahmen gegenseitiger Besuche nicht über Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie. Jene Dinge also, die das Regieren so kompliziert machen und die westliche Regierungschefs oft auf die Agenda setzen, wenn sie die Chinesen treffen.
Putin redet mit dem kommunistischen Erzrivalen früherer Jahre stattdessen am liebsten übers Geschäft und über nackte Zahlen. In seiner ersten Amtszeit als Staatschef schloss Putin mit den Chinesen ein Abkommen über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit. Chinas Ex-Präsident Hu Jintao taufte ihn wohl auch deshalb einen "guten alten Freund des chinesischen Volkes".
Die Beziehungen beider Länder werden auch regelmäßig im Weltsicherheitsrat deutlich, wo sie gern eine Front bilden gegen die westlichen Industrienationen. Insofern ist die offizielle Beurteilung der Lage in der Ukraine durch die Chinesen eine delikate Angelegenheit. Das Außenministerium in Peking machte deutlich, dass es nicht 100-prozentig hinter dem Partner steht, während das russische Außenministerium dagegen nach einem Telefonat der Außenminister Sergej Lawrow und Wang Yi von Einigkeit mit der Volksrepublik sprach. Das Detail, das die Russen ausklammerten: China erklärte, dass es die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine respektiere. Zudem betonte Ministeriumssprecher Qin Gang bei einem Pressebriefing in Peking, dass es Chinas langfristige Haltung sei, sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen.
China lehnt fremde Einmischung generell ab
Unter anderen Umständen wäre es ein Leichtes für einen Staat, der wie China zu den Wirtschaftsgroßmächten der Welt gehört, seine Haltung nach Bedarf etwas zu ändern, ohne dass irgendjemand dagegen etwas tun könnte. Doch die Chinesen haben gute Gründe, sich von den Russen einen Schritt weit zu distanzieren. Wenige Tage nach den tödlichen Angriffen am Bahnhof der südwestchinesischen Stadt Kunming mit offiziell 33 Toten und 130 Verletzten will Peking keine Angriffsfläche bieten, die eigene Argumentationslinie von den inneren Angelegenheiten ad absurdum zu führen. China verbittet sich aufs Schärfste jegliche Einmischung in seine Minderheitenpolitik, die mitverantwortlich ist für die Eskalation im inländischen Verhältnis zwischen Han-Chinesen und der muslimischen Minderheit der Uiguren. Uigurische Separatisten sind laut offizieller Lesart für den Angriff verantwortlich. Dass es sich schlicht auch um das Resultat langjähriger Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe handeln könnte, ist für Peking ein Tabuthema.
Im Falle der Ukraine kommen auch wirtschaftspolitische Interessen hinzu. Die Chinesen beziehen große Mengen Getreide aus der Ukraine, weil ihre eigenen Ernten nicht ausreichen, um den Hunger von 1,3 Milliarden Menschen zu stillen. Eine stabile Lebensmittelversorgung ist elementar wichtig für die politische Stabilität im Land. Mit ihrer neutralen Formulierung will die chinesische Regierung verhindern, dass eine neue ukrainische Regierung die Einhaltung der Verträge überdenkt. Aber auch die Handelsbeziehungen mit dem Westen sind ein Faktor, sollte die Ukraine Anschluss an die EU finden. Die Handelspartner USA und Europa verlangen der aufstrebenden Volksrepublik ohnehin mehr internationale Verantwortung in Krisenfällen auf der Welt ab. Auch deshalb rief Ministeriumssprecher Qin zu Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine auf, statt die Kriegsdrohungen Putins zu stützen.
Peking ist auf russisches Gas angewiesen
Jetzt zerren Amerikaner, Russen und die Europäer an der Ukraine, während die Chinesen versuchen, niemanden zu vergrätzen. Ein Kommentar der Politikredaktion des Onlineportals Sohu.com empfahl der Staatsführung: "China soll an der Seite des Konflikts Platz nehmen und von seinem Ausgang profitieren."
Das könnte gelingen, mutmaßt der Autor, indem China der Ukraine jetzt mit wirtschaftlicher Unterstützung zu Hilfe eilt, ohne in der eigentlichen Auseinandersetzung Position zu beziehen. Das mag smart klingen. Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen, wenn Amerikaner, Europäer oder Russen den chinesischen Opportunismus missbilligen.
Die Gratwanderung Chinas wird verschärft durch die Rohstoffe, die Russland nach China exportiert. Neben Öl hat Peking vor allem Interesse an russischem Gas. Chinas Bedarf wird bis zum Jahr 2020 auf jährlich 400 Milliarden Kubikmeter ansteigen. Rund die Hälfte dieser Menge muss die Volksrepublik dann aus dem Ausland importieren. Die Russen sind ein wichtiger Mitspieler in der chinesischen Beschaffungsstrategie.
Quelle: ntv.de