Politik

Unruhen in Tibet Chinas neuer "Volkskrieg"

China hat als Reaktion auf die Unruhen in Tibet einen "Volkskrieg gegen den Separatismus" ausgerufen. Die Sicherheitsvorkehrungen in der Region müssten verschärft und die Unterstützung für den Dalai Lama untergraben werden, beschloss ein Treffen hochrangiger chinesischer Regional- und Sicherheitsbeamter, wie die amtliche Zeitung "Tibet Daily" berichtete.

In einer Erklärung hatten sie bei dem Treffen tags zuvor "reaktionäre separatistische Kräfte" aus dem In- und Ausland für die Proteste verantwortlich gemacht, die sorgfältig geplant gewesen seien. Es gelte, das bösartige Vorgehen dieser Kräfte offenzulegen, zitierte das Blatt aus den Beschlüssen. An dem Treffen nahm unter anderem der als Hardliner geltende Chef der Kommunistischen Partei in Tibet, Zhang Qingli, teil. Der Zeitung zufolge will die Regierung in Peking auch mit Hilfe regimetreuer buddhistischer Mönche gegen die Proteste und gegen den im Exil lebenden Dalai Lama Stimmung machen, den die Tibeter als ihr geistliches Oberhaupt verehren.

"Verstoß gegen buddhistische Lehren"

Der von China eingesetzte Pantschen Lama hat die Unruhen unterdessen als Verstoß gegen buddhistische Lehren verurteilt. "Die Randalierer haben nicht nur gegen die Interessen der Nation und des Volkes verstoßen, sondern auch die Ziele des Buddhismus verletzt", teilte der buddhistische Religionsführer nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua mit. Der Pantschen Lama ist nach dem Dalai Lama traditionell eigentlich das zweithöchste Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, doch genießt der heute 18- Jährige, der unter kommunistischer Obhut aufgewachsen ist, wenig Anerkennung unter den streng gläubigen Tibetern.

In einem Streit mit dem Dalai Lama um die Wiedergeburt des 1989 gestorbenen letzten Pantschen Lama hatte ihn Chinas Regierung im Dezember 1995 gegen den Willen der zuständigen Klosterkommission als 11. Pantschen Lama eingesetzt. Zuvor hatte die Kommission allerdings mit dem Segen des Dalai Lamas einen anderen Jungen zur Wiedergeburt des Pantschen Lamas erkoren. Der damals sechsjährige Gedhun Choekyi Nyima war von Chinas Behörden in Gewahrsam genommen worden und soll heute mit seiner Familie an einem unbekannten Ort leben. Viele Tibeter sehen in ihm heute den wahren Pantschen Lama.

USA in Sorge

Die USA äußerten sich besorgt über die Entwicklung. Es sei bedenklich, dass die Gewalt offenbar andauere und es Berichte über eine massive Erhöhung der Polizei- und Militärpräsenz in der tibetischen Hauptstadt Lhasa gebe, erklärte Außenministerin Condoleezza Rice.

Sicherheitskräfte in der Stadt

Einwohner Lhasas berichteten am Sonntag, Sicherheitskräfte zeigten auf den Straßen der tibetischen Hauptstadt Präsenz und kontrollierten die Häuser der einheimischen Bevölkerung. Ein im Ausland lebender Tibeter sagte, ein Augenzeuge in Lhasa habe in einem einzigen Leichenschauhaus 67 Tote gesehen. Dabei handle es sich um Opfer der Zusammenstöße oder des anschließenden Vorgehens der Sicherheitskräfte. "Er hat sie mit seinen eigenen Augen gesehen", sagte der Auslands-Tibeter. Eine Geschäftsfrau sagte am Telefon: "Wir wagen uns unter keinen Umständen aus dem Haus. Es ist zu unruhig."

Weitere Proteste

Auch an anderen Orten in Tibet und den Provinzen Gansu und Sichuan sind neue antichinesische Proteste aufgeflammt. Internationale Menschenrechtsorganisationen forderten eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge in dem streng abgeschotteten Hochland durch die Vereinten Nationen.

Exiltibetische Organisationen berichteten von tausenden Tibetern, darunter Mönche des Labrang Klosters, die am Samstag in der Stadt Xiahe (Sangchu) in Gansu demonstriert hätten. Paramilitärische Polizei habe Tränengas eingesetzt und Schüsse in die Luft abgegeben. Neue Proteste seien am Samstag auch in Ngaba in Sichuan ausgebrochen. Der US-amerikanische Sender Radio Free Asia (RFA) berichtete ferner von Demonstrationen in der südwesttibetischen Stadt Lithang, in Sershul in Sichuan und im Kloster Samye südlich von Lhasa.

Mehrtägige Demonstrationen zum 49. Jahrestag des gescheiterten Aufstands gegen die chinesische Herrschaft in Tibet waren am Freitag in gewaltsame Unruhen umgeschlagen. China warf den Demonstranten vor, sie hätten in Schulen, Krankenhäusern und Geschäften Brände gelegt und dabei zehn Menschen getötet. Die tibetische Exilregierung in Nordindien sprach von rund 30 Menschen, die bei Zusammenstößen mit den chinesischen Behörden ums Leben gekommen seien. Der Dalai Lama rief China auf, keine Gewalt gegen die Demonstranten anzuwenden. Seine Vertreter haben Vorwürfe, sie steckten hinter den Protesten, als lächerlich zurückgewiesen.

Quelle: ntv.de

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