Die Arbeitsämter in der Kritik Chronik einer Affäre
22.02.2002, 13:42 UhrDie Affäre um fehlerhafte Statistiken der Arbeitsämter über ihre Vermittlungstätigkeit hat am Freitag ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Eine Chronologie der Ereignisse:
Oktober 2001: Der Bundesrechnungshof überprüft in den Arbeitsämtern Bremerhaven, Dortmund, Halle, Frankfurt/Oder und Neuwied die Vermittlungspraxis. Dabei vergleichen die Prüfer die in den Behördencomputern festgehaltenen Vermittlungen mit den tatsächlichen Vermittlungen.
16. Januar 2002: Der Bundesrechnungshof informiert die Bundesanstalt schriftlich über das Ergebnis seiner Überprüfungen. Ergebnis: Bis zu 70 Prozent der angeblichen Vermittlungen seien fehlerhaft gebucht.
22. Januar: In einem Gespräch mit Vertretern der betroffenen Arbeitsämter und den Präsidenten der zuständigen Landesarbeitsämter dringt BA-Präsident Jagoda darauf, jeden beanstandeten Fall zu überprüfen.
28. Januar: In Bonn Treffen von BA und Bundesrechnungshof.
30. Januar: Jagoda informiert Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) über die Unregelmäßigkeiten.
31. Januar: Die BA-Führung übersendet die Antworten auf einen von Riester vorgelegten Fragenkatalog zu den Unstimmigkeiten.
4. Februar: Die BA informiert die Presse über die Fehlbuchungen.
6. Februar: Erste Rücktrittsforderungen werden laut. Jagoda betont jedoch während der monatlichen Arbeitsmarkt-Pressekonferenz in Nürnberg: "Ein Kapitän verlässt nicht bei Sturm die Brücke - und jetzt ist Sturm." Am Abend desselben Tages beschließt der Vorstand der Nürnberger Behörde eine stärkere Kontrolle von Bundesanstalt und Arbeitsämtern. Die Innenrevision wird dem Vorstand unterstellt.
7. Februar: Riester setzt dem BA-Vorstand zur Aufklärung der Affäre eine Frist bis zum 15. Februar.
8. Februar: Jagoda dementiert Zeitungsberichte über seinen angeblich bevorstehenden Rücktritt.
13. Februar: Die Arbeitgeber legen einen Forderungskatalog füreine Reform der Arbeitsverwaltung an "Haupt und Gliedern" vor. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) greift Jagoda an.
14. Februar: Der Vorstand der BA stellt sich hinter Jagoda, räumt Defizite ein und kündigt Konzentration auf die Arbeitsvermittlung an.
15. Februar: Der BA-Vorstand legt Riester einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vor. Nach dem vierstündigen Gespräch bleibt Riester auf Distanz zu Jagoda und fordert die Gewährleistung von Effizienz und Überprüfbarkeit der Arbeitsvermittlung.
16. Februar: In der Regierungskoalition werden Forderungen nach dem Rücktritt Jagodas vor allem auf Seiten der Grünen lauter.
20. Februar: Jagoda ist zum Rückzug bereit. Er sagt, einer Reform und einem personellen Neuanfang "nicht im Wege stehen" zu wollen.
22. Februar: Bundeskanzler Gerhard Schröder und Riester legen ein Konzept zur Umstrukturierung der Bundesanstalt vor. Vorsitzender eines dreiköpfigen Vorstandes der BA soll der rheinland-pfälzische Sozialminister Florian Gerster (SPD) werden. Jagoda wird Ende März in den einstweiligen Ruhestand versetzt, ebenso wie der für die Bundesregierung im bisherigen Aufsichtsrat sitzende Arbeits- Staatssekretär Werner Tegtmeier.
Quelle: ntv.de