Arbeitsamt-Affäre Clement kritisiert Jagoda
18.02.2002, 12:38 UhrDer Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda, wird auch aus den Reihen der SPD attackiert. Im Skandal um geschönte Vermittlungsstatistiken schwindet die Unterstützung für den Chef der Nürnberger Anstalt merklich.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement legte ihm in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" indirekt den Rücktritt nahe, und auch die Arbeitgeber rückten von ihm ab.
Clement erklärte, Jagoda müsse sich klar sein, dass er, wenn er nicht acht gebe, zu einem Symbol für mangelnde Erneuerungsbereitschaft werde. Er empfahl Jagoda der Zeitung zufolge, „dass er selbst erkennt - wenn der für ihn verantwortliche Vorstand das nicht tut - zum richtigen Zeitpunkt das richtige Zeichen zu setzen."
Kannengießer geht auf Distanz
Auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Christoph Kannengießer, ist auf Distanz zu BA-Präsident Bernhard Jagoda gegangen und hat damit den Druck auf den Behördenchef weiter erhöht.
"Wenn Sie mich fragen, ist Jagoda nicht der richtige Mann an der Spitze um die Bundesanstalt zu erneuern. Da habe ich erhebliche Zweifel", sagte Kannengießer, der die Arbeitgeber im BA-Vorstand vertritt, auf Anfrage. Im Berliner „Tagesspiegel" befürwortete Kannengießer eine „personelle Neuordnung" in der Bundesanstalt. Der Vorstand „wird dem nicht entgegen stehen", zitierte ihn die Zeitung.
Die Regierung will das Dienstverhältnis des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit überprüfen. Es sei möglich, dass dieser künftig nicht mehr als Beamter auf Zeit, sondern mit einem privatrechtlichen Vertrag tätig werde, sagte der Sprecher des Arbeitsministeriums, Klaus Vater, in Berlin.
Grünen-Chef Fitz Kuhn forderte offen den Rücktritt von BA-Präsident Bernhard Jagoda. Für diesen Fall verlangte CDU-Chefin Angela Merkel, dass auch Arbeitsminister Walter Riester seinen Hut nimmt.
Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte, zunächst sollten Strukturprobleme und Verantwortlichkeiten geklärt werden. Danach nehme das Ministerium Stellung.
Vater ergänzte, Jagoda sei Beamter auf Zeit und als solcher nur kündbar, wenn ihm Dienstverfehlungen nachgewiesen werden könnten. „Das ist nicht der Fall.“ Hingegen bekräftigte Kuhn, ein Neuanfang könne nur mit personellen Veränderungen erfolgen. Ebenso wie Jagoda müssten auch Vorstandsmitglieder der Bundesanstalt zurücktreten.
Schröder für private Vermittler
Am Sonntag hatte sich erstmals auch Bundeskanzler Gerhard Schröder öffentlich zu der Affäre geäußert. „Ich glaube wirklich, dass Arbeitsvermittlung nur dann optimal gelingt, wenn es private Konkurrenz gibt“, sagte der Bundeskanzler dem Hessischen Rundfunk auf dem Rückflug von seiner Amerikareise. Die private Konkurrenz dürfe jedoch nicht unter Oberaufsicht der Bundesanstalt stehen.
Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt plädierte am Montag dafür, die Arbeitsämter einer starken privaten Konkurrenz auszusetzen. Nach einer Probephase müsse entschieden werden, ob die Vermittlung über die Arbeitsverwaltung auch ganz abgeschafft werden könne, sagte Hundt. Sicher gestellt werden müsse dabei jedoch, dass die Privaten nicht nur leicht vermittelbare Personen, sondern auch gering Qualifizierte und Ältere betreuten.
Auslöser war eine Untersuchung des Bundesrechnungshofes, die besagte, dass bis zu 70 Prozent der Vermittlungsvorgänge von Arbeitsämtern nicht korrekt verbucht worden waren. Die Überprüfung von zehn Arbeitsämtern durch die Innenrevision der Bundesanstalt für Arbeit (BA) bestätigte das „Volumen der Fehlbuchungen“, das der Bundesrechnungshof in fünf anderen Ämtern festgestellt hatte.
Quelle: ntv.de