Merz und Grüne attackieren SPD "Da ist nichts lächerlich dran"


Bundeskanzler Scholz erklärt sich vor dem EU-Gipfel, geht aber nicht auf den jüngsten Streit um den richtigen Umgang mit der Ukraine ein. Das übernehmen Oppositionsführer Merz und die Grünen - und gehen mit der SPD scharf ins Gericht. Der Streit um Fraktionschef Mützenich geht damit weiter.
Unerwartet einmütig haben der Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz und die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge Äußerungen der SPD-Spitze zur Ukraine-Politik kritisiert. "Einem solchen skrupellosen Kriegsverbrecher kann man nicht mit Feigheit begegnen, sondern nur mir Klarheit und Entschlossenheit", sagte CDU-Chef Merz mit Blick auf Wladimir Putin in seiner Antwort auf die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er forderte von Scholz, zu den Äußerungen seines Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich Stellung zu nehmen. Dieser hatte in der vorangegangenen Woche mehr Nachdenken über eine politische Beilegung des Ukrainekriegs gefordert und auch ein "Einfrieren" des Konflikts ins Spiel gebracht.
Diese Äußerungen aus den Reihen der SPD würden "in Moskau sehr genau verfolgt", sagte Merz. Mützenichs Rede habe neben der SPD vor allem Applaus von der AfD, der Linken und den Wagenknecht-Abgeordneten erhalten. "Da haben Sie sich ja in eine feine Gesellschaft begeben, mit dem, was Sie hier am letzten Donnerstag gesagt haben", sagte Merz. Auch Scholz' Einlassung vom Vortag, die deutsche Debatte über eine Lieferung des Marschflugkörpers Taurus kritisierte Merz. Diese Debatte sei "nicht lächerlich, diese Debatte ist gefährlich für den Frieden in Europa und für die Ukraine". Der Bundeskanzler reise zum Europäischen Rat nach Brüssel als "Kanzler einer Koalition in Berlin, die mittlerweile ganz offen ihre Autorität als Bundeskanzler infrage stellt und beschädigt".
Dröge warnt vor "Zögern" und "Zaudern"
Weniger scharf im Ton, aber nicht minder entschieden reagierte die Fraktionsvorsitzende von Scholz Regierungspartner, den Grünen, auf die Einlassungen von Mützenich und Scholz. "Wer Frieden in Europa schützen will, wer Frieden für die Ukraine wieder herstellen will, wer Frieden für unser Land sicherstellen will, der muss sich Wladimir Putin entgegenstellen", sagte Dröge ohne Mützenich beim Namen zu nennen. Es sei "nichts falscher, als diesen Weg jetzt zu verlassen, jetzt zu zögern, zu zaudern oder einen anderen Kurs einschlagen zu wollen." Das brächte nicht nur weniger Frieden, sondern womöglich eine weitere Eskalation.
Auch die Kanzler-Kritik an der Taurus-Debatte wies Dröge zurück. "Die Lage in der Ukraine wird schlimmer und schwieriger, deswegen führen wir diese Debatte im Deutschen Bundestag, deswegen ringen wir miteinander, wie wir die Ukraine noch besser unterstützen werden und deswegen kann ich als Fraktionsvorsitzende der Grünen sagen, dass wir als Fraktion damit weitermachen", sagte Dröge. "Nichts ist daran lächerlich, wie manche meinen." Auch Scholz' Namen nannte sie nicht. Die Debatte über die richtigen Ukraine-Hilfen könne man nicht einfach beenden. Außenministerin Annalena Baerbock lauschte zusammen mit dem fast vollständig vertretenen Kabinett der Rede. Seit Wochen fordern die Grünen die Taurus-Lieferung genauso wie die FDP-Fraktion.
Scholz: "Russland ist nicht stark"
Der Bundeskanzler ging in seiner halbstündigen Rede auf den Streit nicht ein, berichtete vor allem von den Fortschritten der gemeinsamen europäischen Unterstützungsbemühungen für die Ukraine. Die fünf Milliarden Euro schweren EU-Hilfen könnten auch dank des Einsatzes der Bundesregierung nun auch für Waffen von außerhalb der EU eingesetzt werden, genauso wie die Zinserträge der in Europa eingefrorenen russischen Devisenreserven.
"Es geht um Solidarität und nicht um Wirtschaftspolitik in dieser Frage", sagte Scholz, der in dieser Frage unter anderem mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron hatte ringen müssen. Dass er den Präsidenten dennoch als "meinen Freund" bezeichnete, quittierten Teile der Abgeordnete mit höhnischem Gelächter. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Scholz und Macron trotz beidseitiger Bemühungen keinen persönlichen Draht zueinander finden.
Es seien mehr Waffen nötig für die Ukraine, weshalb Deutschland sowohl selbst mehr produzieren werde als auch die Ansiedlung von Produktionskapazitäten in der Ukraine unterstütze. "Wenn der russische Präsident glaubt, dass er diesen Krieg nur aussitzen muss und wir schwächeln werden in unserer Unterstützung, dann hat er sich verrechnet." Russland sei nicht stark. "Was wir jetzt gesehen haben, sind gefälschte Wahlen." Oppositionskandidaten ohne Erfolgsaussichten seien ausgeschlossen worden. "All das ist kein Zeichen von Stärke. In seinen weiteren Einlassungen erklärte Scholz zudem die deutsche Israel-Politik und verteidigte die Rentenentscheidungen der Ampel, das Eintrittsalter und Rentenniveau beizubehalten.
SPD verwahrt sich gegen Angriffe auf Mützenich
Die Verteidigung des erst nach Scholz' Eröffnungsrede attackierten Rolf Mützenich übernahm dessen Stellvertreter an der SPD-Fraktionsspitze, Achim Post. Er warf Merz "eine unangemessene Rede, eine unverantwortliche Rede" vor, "gespickt mit Ehrabschneidungen". Er sagte: "Die Integrität des Fraktionsvorsitzenden der SPD ist unantastbar." Während sich die Union auf die Debatte eines einzigen Waffensystems beschränke, organisiere Scholz breite Hilfe für die Ukraine aus ganz Europa. Zudem unterstütze die Bundesregierung die auch von Kiew mitgetragenen Verhandlungen mit einer Vielzahl von Staaten über den Ukraine-Krieg, die demnächst in der Schweiz stattfinden sollen.
Scharfe Kritik an den Ukraine-Hilfen äußerte erwartungsgemäß die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. "Im Gleichschritt mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann formiert sich eine schwarz-grüne Kriegskoalition", sagte sie. Es sei richtig gewesen von Scholz, Taurus-Lieferungen abzulehnen. Diese würden von der Bundeswehr gebraucht und eine Abgabe an die Ukraine wäre "eine ganz klare Kriegsbeteiligung", wegen der vermeintlich notwendigen Beteiligung von deutschen Soldaten. Weidel zweifelte zudem die Sinnhaftigkeit an: "Auch mit dem Taurus hätte die Ukraine nicht den leisesten Hauch einer Chance, ihre Kriegsziele zu erreichen."
Weidel forderte erneut Friedensverhandlungen und warnte: "Faktisch agiert Deutschland wie eine Kriegspartei." Die Sanktionen bezeichnete sie als einen "Wirtschaftskrieg gegen Russland". Es sei das gute Recht der Ukraine, sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu wehren. Deutschland aber müsse seine eigenen nationalen Interessen verfolgen und seine Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wieder normalisieren.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr reagierte als nachfolgender Redner scharf auf Weidel, die "absurd unlogisch" argumentiere. Es stimme, dass die Bundeswehr einsatzfähig sein müsse. Aber: "Landesverteidigung ist deshalb notwendig, weil es eine Bedrohung gibt", sagte Dürr mit Blick auf Russland. Aus den Reihen der AfD habe es Glückwünsche an den Wahlsieger Putin gegeben, die Partei habe Wahlbeobachter gestellt, die einen fairen Ablauf bescheinigten und Parteivertreter hätten Putins Regierungsstil für Deutschland empfohlen. "Das ist unpatriotisch, Sie gefährden unsere Sicherheit", rief Dürr. "Sie handeln nicht im Interesse des deutschen Volkes, Sie schaden ihm." Es war der einzige Moment des Tages, als die Fraktionen der Ampel und der Union gemeinsam applaudierten.
Quelle: ntv.de