Politik

Drahtzieher der Unruhen? Dalai Lama bleibt gewaltlos

China hat den Dalai Lama erneut beschuldigt, hinter den Unruhen in Tibet zu stecken. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter und seine Anhänger wollten mit ihren Aktionen die Olympischen Spiele in Peking sabotieren, sagte Ministerpräsident Wen Jiabao. Der Dalai Lama wies die Vorwürfe zurück und rief beide Seiten zum Gewaltverzicht auf. Er werde als Chef der tibetischen Exil-Regierung zurücktreten, falls die Proteste in seiner Heimat außer Kontrolle geraten sollten. Nach Angaben der Exil-Regierung kamen bei neuerlichen Protesten 19 Menschen ums Leben.

"Es gibt genug Tatsachen und reichlich Belege, dass dieser Vorfall von der Clique des Dalai Lama organisiert, vorsätzlich geplant, gesteuert und angestachelt wurde", sagte Wen in Peking. Dies entlarve auch die Beteuerungen des Dalai Lama als Lüge, er strebe einen friedlichen Dialog an und keine Unabhängigkeit. Den Vorwurf, China begehe in Tibet möglicherweise einen "kulturellen Völkermord", wies Wen als "nichts als Lügen" zurück. Wen verteidigte das Vorgehen der chinesischen Sicherheitskräfte, die nach Behördenangaben auf den Einsatz tödlicher Waffen verzichtet hatten.

Das chinesische Fernsehen berichtete, es hätten sich 100 Demonstrationsteilnehmer selbst gestellt und damit ein Ultimatum der Behörden befolgt. Einige von ihnen hätten sich aktiv an den Ausschreitungen beteiligt.

Sorge um Pressefreiheit

Wen verurteilte "den Aufruhr, die Prügeleien, Zerstörungen, Brandstiftungen und Plünderungen" und die "äußerst brutalen Methoden" der Demonstranten in Lhasa. Er verteidigte das mit Sicherheitsbedenken begründete Verbot für ausländische Journalisten nach Tibet zu reisen, sprach aber von Überlegungen, eine Reise für ausländische Medienvertreter zu organisieren.

"Reporter ohne Grenzen" warf der Regierung Chinas vor, sie wolle in Tibet einen Aufstand ohne Zeugen niederschlagen. Nach Angaben der Organisation dürfen seit dem 12. März keine ausländischen Journalisten mehr nach Tibet. Die Internet- und Pressezensur sei ausgeweitet worden. Telefonleitungen seien teilweise unterbrochen. Auch die Nachrichtenseiten von BBC, CNN und Yahoo seien in den vergangenen Tagen oft nicht erreichbar gewesen.

Wen sagte, die Demonstranten wollten die Olympischen Spiele im Spätsommer sabotieren, um ihre "unsäglichen Ziele" zu erreichen. Westliche Regierungen haben die Führung in Peking zwar zur Zurückhaltung aufgerufen. Laut IOC-Präsident Jacques Rogge gab es jedoch keinerlei offizielle Forderungen, die Spiele zu boykottieren. Vor dem Internationalen Olympischen Komitee in Lausanne demonstrierten etwa 600 Tibeter. Sie forderten, Tibet und drei Nachbarprovinzen vom Fackellauf mit dem Olympischen Feuer auszunehmen.

Dalai Lama für gewaltlose Lösung

Der Dalai Lama rief beide Seiten zu Friedfertigkeit auf. "Helfen Sie bitte, die Gewalt von chinesischer wie von tibetischer Seite zu stoppen", sagte er an seinem Exil-Ort Dharamsala in Nordindien. "Gewalt ist gegen die menschliche Natur." Er fügte hinzu: "Wir sollten keine antichinesischen Gefühle entwickeln. Wir müssen Seite an Seite zusammenleben. Wenn die Dinge außer Kontrolle geraten, dann behalte ich mir vor, mich zurückzuziehen."Er verwahrte sich zugleich gegen den Vorwurf, er sei für eine Abspaltung Tibets. Er wolle Autonomie innerhalb des chinesischen Staates und nicht die Unabhängigkeit, sagte er. Vor den Chinesen habe er nichts zu verbergen, und er sei für eine Untersuchung offen. "Sie können meinen Puls prüfen, meinen Urin, meinen Stuhlgang, alles", ergänzte der Träger des Friedensnobelpreises.

Die tibetische Exil-Regierung gab die Zahl der Toten der Unruhen unterdessen mit 99 an. Die Zahl sei überprüft und bestätigt, erklärte sie. Nach offiziellen chinesischen Angaben kamen 13 Menschen ums Leben.

Die Gewaltwelle nahm in der vergangenen Woche anlässlich des 49. Jahrestages des fehlgeschlagenen Aufstands gegen die chinesische Besetzung ihren Anfang.

Mahnwache in Peking

Unterdessen haben Tibeter auch in der chinesischen Hauptstadt Peking protestiert. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, zeigten sich tibetische Studenten der Minderheiten-Universität in Peking am Montagabend in einem stillen Protest offenbar solidarisch mit den Demonstrationen der vergangenen Tage. Die Studenten hätten sich auf dem Campus im Pekinger Haidian-Bezirk versammelt und eine "Mahnwache mit Kerzen" abgehalten. Den Berichten zufolge gab es keine Zusammenstöße mit der Polizei. Die Studenten seien von Lehrern überzeugt worden, für die Nacht in ihre Wohnheime zurückzukehren.

Quelle: ntv.de

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