Politik

Symbol oder Wandel? Dalai Lama kündigt Rückzug an

Zum 52. Jahrestag des Volksaufstands der Tibeter kündigt der Dalai Lama seinen Rückzug aus der Politik an. Offen ist, welche praktischen Konsequenzen dieser Schritt haben wird. China bezeichnet die Ankündigung als "Trick", mit dem der Dalai Lama die internationale Gemeinschaft täuschen wolle.

Ein gewählter Führer soll künftig an der politischen Spitze der Tibeter stehen.

Ein gewählter Führer soll künftig an der politischen Spitze der Tibeter stehen.

(Foto: AP)

Der Dalai Lama hat seinen Rückzug von der Spitze der tibetischen Exilregierung angekündigt. Er wolle Platz machen für einen "frei gewählten" Führer, sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter im indischen Dharamsala, dem Sitz der Exilregierung.

Er wolle das Exilparlament bei der nächsten Sitzung kommende Woche darum bitten, ihm einen Rückzug zu ermöglichen, so der Dalai Lama in einer Erklärung. "Seit den 1960er Jahren habe ich immer wieder betont, dass die Tibeter einen Anführer brauchen, der frei vom Volk gewählt wurde und dem ich meine Macht übergeben kann", sagte er. "Heute ist eindeutig die Zeit gekommen, dies umzusetzen." Bereits 2001 hatten die Tibeter zum ersten Mal direkt einen Ministerpräsidenten als formalen Chef der Exilregierung wählen können, der Dalai Lama selbst bezeichnete sich seitdem als "halb-pensioniert".

"Mein Wunsch, die politische Führung zu übergeben, bedeutet nicht, dass ich mich meiner Verantwortung entziehen möchte", sagte der Dalai Lama nun. "Es geht um das langfristige Wohl der Tibeter. Ich fühle mich keineswegs entmutigt." Er kündigte zudem an, sich weiter für die "gerechte Sache Tibets" einsetzen zu wollen. Bereits im November hatte der Sprecher des Dalai Lama angekündigt, das Thema solle bei einer Sitzung des Exilparlaments im März angesprochen werden. Seine Rolle als geistliches Oberhaupt der Tibeter werde der Dalai Lama aber behalten.

"Ein Visionär, der Macht abgibt"

"Im Gegensatz zu den altgedienten Autokraten, die viel in den Nachrichten waren, ist der Dalai Lama ein wahrer Visionär, der bereit ist, Macht an sein Volk abzugeben", begrüßte Mary Beth Markey, Präsidentin der Internationalen Kampagne für Tibet (ICT), die Entscheidung. Wie weit sich in der Praxis seine überragende politische Rolle in der exiltibetischen Bewegung überhaupt ändern wird, ist nach Ansicht von Beobachtern noch schwer abzuschätzen.

Der Tibet-Experte Barry Sautman sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Ankündigung des Rückzugs des Dalai Lama sei "eher ein symbolischer als ein tatsächlicher Wandel". "Jede wichtige Entscheidung (der Exilregierung) müsste auch in Zukunft mit dem Dalai Lama abgesprochen werden." Auch eine Änderung der Haltung der Exilregierung im Umgang mit China sei infolge des Rückzugs nicht zu erwarten, sagte der Wissenschaftler der Universität Hongkong.

"Dalai Lama will Welt täuschen"

Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums in Peking sagte, der Dalai Lama habe in den vergangenen Jahren wiederholt von einem Rückzug von seinen politischen Aufgaben gesprochen. Er wolle damit lediglich die internationale Gemeinschaft hinters Licht führen. Die Exilregierung sei eine "illegale politische Organisation", die von keinem Land der Welt anerkannt werde. Der Leiter der Delegation der autonomen Region Tibet beim chinesischen Nationalkongress in Peking, Qiangba Puncog, sprach laut der Nachrichtenagentur Xinhua von einer "politischen Show" des Dalai Lama.

Die Ankündigung des Friedensnobelpreisträgers erfolgte vor dem Hintergrund starker Sicherheitsvorkehrungen in Tibet. An diesem Donnerstag jährte sich nicht nur der Volksaufstand von 1959, sondern auch der Ausbruch der schweren Unruhen der Tibeter von 2008. Wegen des heiklen Datums haben die Behörden das größte Hochland der Erde Anfang der Woche für ausländische Touristen gesperrt.

Der Dalai Lama war erst 15 Jahre alt, als er 1950 beim Einmarsch der chinesischen Truppen in Tibet zu einer Art Staatsoberhaupt der Tibeter ernannt wurde. 1959 floh er nach einem durch chinesische Truppen niedergeschlagenen Aufstand mit Anhängern ins indische Dharamsala. Seitdem setzt sich der vor allem im Westen hochgeachtete 75-Jährige für eine friedliche Lösung des Tibet-Konflikts und mehr Autonomie für die Region ein. 1989 wurde er dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die chinesische Führung sieht in ihm dagegen einen Separatisten, der als politischer Aktivist unter religiösem Deckmantel agiert.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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