Politik

10 Euro für die Kinder "Das Bildungspaket ist ein Witz"

Auch mit dem Bildungspaket von Familienministerin von der Leyen wird nicht jedes Kind Nachhilfe bekommen, das Nachhilfe braucht. Nachhilfeunterricht werde es "nur in wenigen Fällen" geben, sagt Werner Hesse vom Paritätischen Gesamtverband, "nur da, wo fast schon eine Störung vorliegt." Er nennt das Bildungspaket einen "Witz" - damit kann gerade mal der Fußballverein abgedeckt werden. Hesse hält es für wahrscheinlich, dass auch die neuen Regelsätze vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden.

Werner Hesse ist Geschäftsführer beim Paritätischen Gesamtverband.

Werner Hesse ist Geschäftsführer beim Paritätischen Gesamtverband.

(Foto: Der Paritätische Gesamtverband)

n-tv.de: Familienministerin Ursula von der Leyen verteidigt die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes als "sehr gerecht". Wäre es nicht wirklich ungerecht, wenn Langzeitarbeitslose fast so viel haben wie Geringverdiener?

Werner Hesse: Es ist eher ungerecht, dass manche so wenig verdienen. Was wir brauchen, ist ein Mindestlohn in allen Branchen, damit nicht Betriebe ihren Mitarbeitern sagen: Ihr kommt mit einem Stundenlohn von 5 Euro aus, den Rest holt euch beim Amt.

Das Lohnabstandsgebot ist eine der zentralen Rechtfertigungen der Bundesregierung für den geringen Hartz-IV-Satz.

Das ist auch nicht ganz unberechtigt. Nur: Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar klar gesagt, dass das Lohnabstandsgebot nicht dazu führen darf, dass die Leute nicht genug Geld zum Leben haben. Damit hat das Bundesverfassungsgericht das Lohnabstandsgebot im Grunde außer Kraft gesetzt.

Sie fordern einen Mindestlohn, aber die FDP argumentiert, das Arbeitslosengeld II wirke bereits wie ein Mindestlohn, deshalb bräuchten wir in Deutschland keinen.

Das ist leider nicht richtig. Hartz IV führt dazu, dass Niedriglöhne bedarfsdeckend aufgestockt werden. Das hat die Politik auch so gewollt, man hat mit der Einführung von Hartz IV bewusst den Niedriglohnsektor angereizt. Da kann man heute nicht sagen, Hartz IV sei zu hoch.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war allgemein erwartet worden, dass die Leistungen für Kinder erhöht werden. Frau von der Leyen verweist jetzt auf das Bildungspaket. Was halten Sie davon?

Wir haben die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts an die damaligen Regelsätze angelegt und sind für Erwachsene auf einen Satz von 420 Euro gekommen. Da kann man sicher noch über Tabak und Alkohol diskutieren. Dann hätten aber immer noch 400 Euro rauskommen müssen und eine entsprechende Erhöhung für die Kinder. Das Bildungspaket ist ein Witz - das sind 10 Euro im Monat!

Aber es soll doch ein warmes Mittagsessen geben, Fußballverein umsonst, Nachhilfeunterricht umsonst.

Nachhilfeunterricht nur in wenigen Fällen, nur da, wo fast schon eine Störung vorliegt. Nachhilfe für normale Schüler, die einfach nur ein paar schlechte Noten haben, wird es für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern weiterhin nicht geben. Das Schulmittagessen - in der Tat, das ist ein Fortschritt. Aber der Sportverein muss von 10 Euro gedeckt werden. Für Musikunterricht ist dann kein Geld mehr da.

Es gibt nur Fußball oder Flöte?

10 Euro reichen nur für einen Verein.

Sie sind kein Verfassungsrechtler. Haben Sie trotzdem eine Vermutung, was das Bundesverfassungsgericht über die 5-Euro-Erhöhung denkt?

Dazu ist es noch ein bisschen früh. Das Bundesverfassungsgericht hat ja gefordert, dass die Festlegungen transparent und nachvollziehbar zu erfolgen haben. Da muss man sich jetzt Zahl für Zahl angucken. Bei 5 Euro ist die Wahrscheinlichkeit allerdings groß, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung wiederholt. Wir haben ja in der vergangenen Woche erlebt, wie Politiker eine Erhöhung um weniger als 20 Euro gefordert haben. Das sind genau die willkürlichen Handhabungen, die das Bundesverfassungsgericht verboten hat.

Mit Werner Hesse sprach Hubertus Volmer

 

Quelle: ntv.de

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