Polizei fordert "politisches Nachspiel" Das Castor-Chaos wirkt nach
29.11.2011, 07:16 Uhr
Die Polizei im Einsatz auf offenem Feld.
(Foto: dapd)
Der Castor ist im Ziel - doch er erregt weiter die Gemüter. Atomkraftgegner kritisieren die Polizeigewalt. Das lassen die Beamten nicht auf sich sitzen. "Keinen Pfifferling" sei einigen Demonstranten das Leben der Polizisten wert, wettert Gewerkschaftschef Witthaut. Niedersachsen hofft, dass der 13. und längste Transport auch der letzte war.
Die aufgeheizte Atmosphäre um den Castor-Konvoi nach Gorleben ist auch nach dem Eintreffen der Atommüllbehälter nicht abgekühlt. Demonstranten auf der einen und Politiker und Polizei auf der anderen Seite beklagen die Umstände des Transports. Mit mehr als fünf Tagen dauerte die Aktion länger als alle anderen zuvor. Der 13. Transport nach Gorleben wird außerdem wohl der bislang teuerste. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte: "Wir müssen davon ausgehen, dass er nicht günstiger wird als 2010."
Auch die letzten 20 Kilometer auf dem Weg ins Zwischenlager wurden noch von einem riesigen Polizeiaufgebot gesichert. Dabei kam der Konvoi zeitweise nur im Schritttempo voran. Trotz der hohen Sicherheitsvorkehrungen gelang es zwei Atomkraftgegnern, auf einen der Tieflader zu klettern und den Tross damit kurz vor dem Ziel noch einmal eine Stunde aufzuhalten.
"Kein Konsens in der Bevölkerung"
Die Atomkraftgegner im Wendland bewerteten ihren tagelangen Protest als Erfolg. Einmütig forderten sie, dass die Politik den Bürgerprotest endlich ernst nehmen müsse und die Planung für ein mögliches Endlager in Gorleben sofort stoppen solle.
Jochen Stay von der Anti-Atominitiative "Ausgestrahlt" sagte, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sei mit seiner Politik gescheitert. "Ein Konsens im Bundestag ist kein Konsens in der Bevölkerung." Auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) müsse sich bewegen. "Es wird nur Frieden geben, wenn man die Bevölkerung ernst nimmt."
Mathias Edler von Greenpeace betonte, mit dem Widerstand gegen den Castor-Transport seien die Atomkraftgegner einem Baustopp für das Endlager Gorleben einen entscheidenden Schritt näher gekommen.
Kritik an Polizei
Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, kritisierte die Proteste scharf. Kaum ein Transport der vergangenen Jahre habe die zur Sicherung eingesetzten Polizistinnen und Polizisten so viel Kraft gekostet. "Der Hass und die Gewalt, die meinen Kolleginnen und Kollegen von einzelnen autonomen Gruppen entgegenschlug, waren ohne Beispiel". Es sei bedrückend, dass sich auch Politiker und Bürgerinitiativen nicht eindeutig davon distanziert hätten. "Die Einsatzkräfte hatten es mit einer international besetzten Anarcho-Szene zu tun, denen das Leben von Polizisten keinen Pfifferling wert ist", behauptete Witthaut. "Dieser Castor-Transport wird ein politisches Nachspiel haben müssen."
Die Atomkraftgegner dagegen beklagten, dass durch den harten Polizeieinsatz 355 Demonstranten verletzt worden seien, davon fünf schwer. "Die Nervosität und Aggressivität bei den Polizeikräften ist größer geworden", bilanzierte die Bäuerliche Notgemeinschaft, in der sich vor allem Landwirte aus der Region gegen das Atomlager Gorleben zusammengeschlossen haben.
Die Polizei sei überzogen gegen die Blockierer vorgegangen. Bis zuletzt hatten die Einsatzkräfte Wasserwerfer gegen einzelne Demonstranten eingesetzt. Diese sollen Beamte unter anderem mit Feuerwerkskörpern und nagelgespickten Golfbällen beworfen und Strohballen angezündet haben.
Der letzte Transport?

Innenminister Schünemann bescheinigt der Polizei einen fehlerlosen Einsatz (im Bild: eine Reiterstaffel geht gegen Demonstranten vor).
(Foto: dpa)
Dagegen betonte Innenminister Schünemann, die Polizei habe keine Fehler gemacht. "Die Einsatzkräfte sind bei den Sitzblockaden sehr besonnen vorgegangen", meinte er. Nach ersten Schätzungen seien auch etwa 100 Polizisten verletzt worden. Sie waren an vielen Orten in schwere Auseinandersetzungen verwickelt worden. Nach Angaben von Schünemann gab es insgesamt mehr als 100 Blockaden.
Schünemann hofft nun auf ein Ende der Atommüll-Transporte nach Niedersachsen. "Wir gehen erstmal davon aus, dass Niedersachsen seinen Beitrag geleistet hat", betonte er. Zwar muss Deutschland noch Atommüll aus der Wiederaufarbeitung im englischen Sellafield zurücknehmen, die Kraftwerksbetreiber können aber selbst entscheiden, ob sie ihn nach Gorleben bringen.
Der Castor-Transport war der letzte aus Frankreich. Auf der rund 1200 Kilometer langen Strecke von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague nach Gorleben hatten Tausende Atomkraftgegner den Tross immer wieder blockiert. Im Zwischenlager Gorleben stehen nun insgesamt 113 Behälter mit hoch radioaktivem Müll. Deutschland ist vertraglich verpflichtet, den Müll der deutschen Atomkraftwerke aus der Wiederaufarbeitung wieder zurückzunehmen.
Quelle: ntv.de, dpa