"De facto eine Kürzung" Das bringt die Bafög-Reform
20.08.2014, 17:53 UhrDie Inflation ist seit 2010 um knapp sieben Prozent gestiegen, am Bafög hat sich seitdem nichts getan. Jetzt hat das Bundeskabinett eine Erhöhung beschlossen. Doch viele aus der heutigen Studentengeneration werden davon nichts mehr haben.
Schüler und Studenten, die Anspruch auf Bafög haben, bekommen deutlich mehr Geld. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Steigerung des Bedarfssatzes um sieben Prozent gebilligt. Der Haken an der Sache: Den heutigen Studenten ist damit kaum geholfen, denn die neuen Sätze gelten erst ab dem Wintersemester 2016/17. Das bedeutet für die Betroffenen zwei weitere Nullrunden. Zuletzt wurde die Ausbildungsförderung 2010 angehoben.
Das ändert sich im Einzelnen
Bedarfssätze: Bislang bekommen Schüler zwischen 216 und 645 Euro, Studenten zwischen 422 und 670 Euro. Wie hoch der Bedarfssatz ausfällt, hängt davon ab, ob die Empfänger noch bei ihren Eltern wohnen und ob sie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssen. Die Bedarfssätze werden um sieben Prozent angehoben, der Wohnzuschlag steigt noch stärker, nämlich von 224 auf 250 Euro. Damit soll den gestiegenen Mietkosten Rechnung getragen werden. Im Höchstfall bekommen Studenten somit künftig 735 Euro.
Einkommensfreibeträge: Bafög gibt es nur, wenn die Eltern nicht genug verdienen, um die Kinder in der Ausbildung zu unterstützen. Mit der Reform werden die Einkommensfreibeträge der Eltern angehoben. Künftig sollen so zusätzlich rund 110.000 junge Menschen Förderung bekommen können.
Auch das eigene Einkommen der Schüler und Studenten kann den Bafög-Anspruch schmälern. Momentan können sie 406 Euro im Monat verdienen, ohne dass das Geld aufs Bafög angerechnet wird. Künftig liegt die Grenze bei 450 Euro. Auch das gilt aber erst ab dem Wintersemester 2016/17.
Vermögensfreibeträge: Bafög-Bezieher dürfen nur sehr begrenzt eigenes Vermögen besitzen. Bis jetzt liegt der Freibetrag bei 5200 Euro. Künftig steigt er auf 7500 Euro. Angerechnet werden übrigens nicht nur Sparbücher, Bausparverträge oder Immobilien, sondern auch das eigene Auto.
Kinderbetreuungszuschlag: Studenten mit Kind bekommen einen Kinderbetreuungszuschlag zwischen 85 und 113 Euro im Monat. Künftig gibt es einheitlich 130 Euro für jedes Kind.
Übergang zwischen Bachelor- und Masterstudium: Viele Studenten setzen auf den Bachelor-Abschluss gleich noch den Master drauf. Problem: Bislang gilt als Ausbildungsende die letzte Prüfung, nicht die Bekanntgabe des Abschlusszeugnisses. Deshalb stehen die Betroffenen in der Übergangszeit ohne Bafög da. Künftig soll das Abschlusszeugnis maßgeblich sein, das Geld fließt damit bis zu zwei Monate länger.
Studenten aus Nicht-EU-Ländern: Wer aus humanitären oder familiären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis hat oder geduldet ist, kann künftig schon nach 15 Monaten legalen Aufenthalts in Deutschland einen Bafög-Antrag stellen. Bislang müssen die Betroffenen vier Jahre legal in Deutschland leben.
Weniger Papierkram: Der Bafög-Antrag ist aufwendig und muss jedes Jahr aufs Neue ausgefüllt werden. Spätestens ab Mitte 2016 soll das aber auch über ein Online-Formular möglich sein.
Künftig zahlt allein der Bund
Immerhin greift eine wichtige Neuerung bereits im nächsten Jahr: Ab 2015 liegt das Bafög komplett in der Verantwortung des Bundes, die Länder sind bei der Finanzierung raus. Bislang müssen sie 35 Prozent der Kosten mittragen. Die frei werdenden 1,2 Milliarden Euro sollen sie zur Finanzierung von Schulen und Hochschulen einsetzen – ob das tatsächlich wie vorgesehen passiert, ist allerdings fraglich, denn der Bund kann die Verwendung der Gelder nicht vorschreiben. Niedersachsen hat bereits angekündigt, lieber in den Kita-Ausbau zu investieren.
Mit den Verbesserungen wird nach den Worten von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) das Bafög "an die Lebens- und Ausbildungswirklichkeit derer angepasst, die auf die Leistungen angewiesen sind". Doch diese Anpassung komme reichlich spät, moniert der Hochschulpolitiker der Grünen, Kai Gehring. "Mit ihrem Plan, das Bafög erst im Herbst 2016 zu reformieren, nimmt die Koalition billigend in Kauf, dass immer weniger junge Menschen Förderung erhalten und der Bildungsaufstieg von Arbeiterkindern blockiert bleibt."
2013 ist die Zahl der Bafög-Empfänger um 20.000 gesunken. Gefördert wurden 293.000 Schüler und 666.000 Studierende. Ein großer Wurf sei die Bafög-Novelle nicht, so Gehring. Vielmehr handle es sich um ein halbherziges Werk mit Warteschleifen.
Ähnlich sieht das der studentische Dachverband fzs (freier Zusammenschluss von StudentInnenschaften), der schon lange ein eltern- und altersunabhängiges Bafög fordert. Die beschlossene Erhöhung sei de facto eine Kürzung, sagt fzs-Sprecherin Katharina Mahrt: "Sieben Prozent höhere Förder- und Freibeträge von 2010 bis 2016 gleichen nicht einmal die Inflation aus. Diese ist laut Statistischem Bundesamt von Oktober 2010 bis heute schon um 6,8 Prozent gestiegen."
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) begrüßte den Kabinettsbeschluss zwar, fordert für die Zukunft aber eine regelmäßige Anpassung der Förderung an die Preis- und Lohnentwicklung: "Wichtig ist, dass nicht noch einmal viele Jahre und mehrere Generationen von Bachelor-Studierenden ins Land gehen, ohne dass sich beim Bafög etwas tut", sagte DSW-Generalsekretär Achim Meyer.
Quelle: ntv.de, ino/dpa