Grüne fordern Tempolimit "Das letzte Recht des freien Mannes"
14.04.2011, 11:36 Uhr
Bei Tempo 120 wird weniger Sprit verbraucht als bei Tempo 200.
(Foto: picture alliance / dpa)
"Es kommt mir manchmal so vor, als würde man, wenn man ein Tempolimit auf Autobahnen einführte, dem freien Mann sein letztes Recht nehmen", sagt der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann. Dennoch werde es ein Tempolimit geben, weil "endlich was gegen den Klimawandel getan werden muss".
n-tv.de: Was ist für Sie das zentrale Argument für die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen?

Winfried Hermann ist der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses.
(Foto: picture alliance / dpa)
Winfried Hermann: Das zentrale Argument ist zweifellos, dass wir mit einem Tempolimit einen gleichförmigeren Verkehr auf Autobahnen hätten, das heißt weniger Stress für alle, weniger Unfälle, und wir hätten natürlich auch deutlich niedrigere Verbräuche, denn es ist klar, dass auch ein hoch effizienter Motor bei Tempo 200 sehr viel mehr Sprit verbraucht als bei Tempo 120. Es ist daher auch eine einfache schnell wirksame Klimaschutzmaßnahme, mit der wir jährlich sofort 3,3 Millionen Tonnen CO2einsparen könnten.
Warum ist ein Tempolimit ein so starkes Tabu in Deutschland?
Ich vergleiche das immer mit dem Waffenrecht in den USA. Das ist auch so eine kulturhistorisch nachvollziehbare, aber völlig irrationale Regelung, an der sich die Politik ständig die Zähne ausbeißt. In Deutschland kommt es mir manchmal so vor, als würde man, wenn man ein Tempolimit auf Autobahnen einführte, dem freien Mann sein letztes Recht nehmen. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass die Entscheidungselite in Medien, Wirtschaft und Staat zu denen gehört, die keine Zeit haben und schnell fahren oder schnell gefahren werden wollen. So kann eine kleine Minderheit, unterstützt vom großen ADAC, seit Jahren eine Mehrheit in der Bevölkerung ausbremsen.
Sehen Sie trotzdem eine Chance, dass das Tabu irgendwann fällt?
Ich glaube ja. Schließlich hat es die europäische Politik, vor allem aber auch die deutsche Bundesregierung, bislang nicht geschafft, den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich in nennenswertem Umfang zu reduzieren. Den Deutschen wird von Europa zu Recht vorgeworfen, immer alle möglichen Maßnahmen für den Klimaschutz zu fordern, aber die simpelste Maßnahme, die nichts kostet, im eigenen Land nicht durchzusetzen. Mittel- und langfristig hätte ein Tempolimit den Effekt, dass, wie in anderen Ländern auch, die Zahl der großen, schweren Limousinen, die viel Sprit verbrauchen, zurückginge und die Automobilindustrie sich auf kleinere, leichtere und ressourcenschonendere Autos umstellen könnte. Es ist doch einfach verrückt, Autos zu haben, die zweieinhalb Tonnen schwer sind und 250 km/h fahren können.
Studien zeigen, dass das Auto bei jüngeren Menschen kein Statussymbol, sondern ein Gebrauchsgegenstand ist. Wird das Folgen für die Tempolimit-Debatte haben?
Ich glaube schon, denn der Umgang mit dem Auto ist bei der jungen Generation sehr viel pragmatischer. Es gibt aber noch einen zweiten Trend, den zur Elektromobilität. Je schneller Elektroautos fahren, desto größer müssen die Batterien sein. Ein Elektroauto, das bis etwa 140 km/h fahren kann, ist relativ einfach zu konstruieren. Eines, das 200 fahren kann, kann nach heutigen Maßstäben nur ein Sportwagen sein, weil hinter den zwei Sitzen außer für die Batterie kein Platz mehr ist.
Wem trauen Sie eher den Mut zu, das Tabu Tempolimit anzugehen, SPD oder Union?
Weder noch. Die werden beide von Grünen, von Umweltschützern und von der schieren Not getrieben werden, dass nun endlich was gegen den Klimawandel getan werden muss. Und wahrscheinlich auch von ihren Wählern.
Sie kommen aus Baden-Württemberg. Wird es mit der neuen Landesregierung Änderungen geben?
Wir sind ja noch in den Koalitionsverhandlungen. Wir Grünen haben natürlich vorgeschlagen, dass es eine Bundesratsinitiative dazu geben soll. Da schreckt die SPD noch zurück, da suchen wir noch nach einer Formulierung. Was die eigenen Möglichkeiten im Lande anlangt, da kann es schon so sein, dass wir uns darauf verständigen, dass die Landesregierung den Handlungsspielraum, den sie hat, auch wirklich nutzt.
Mit Winfried Hermann sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de