Bhutto-Partei ganz vorn Debakel für Musharraf
19.02.2008, 07:11 UhrMehr als acht Jahre nach der Machtübernahme von Pervez Musharraf in Pakistan haben die Wähler der Politik ihres Präsidenten eine klare Absage erteilt. Bei der Parlamentswahl in der südasiatischen Atommacht erzielten die beiden großen Oppositionsparteien nach inoffiziellen Ergebnissen mit knapp 60 Prozent der Stimmen einen eindeutigen Sieg. Die regierende Pakistanische Muslim-Liga (Quaid), die Musharraf unterstützt, erlebte ein Wahldebakel und räumte ihre Niederlage ein. Die Islamisten blieben so gut wie bedeutungslos. Stärkste Kraft wurde die Volkspartei PPP der Ende Dezember ermordeten Oppositionsführerin Benazir Bhutto.
Die Spitzen der PPP und der Pakistanischen Muslim-Liga (Nawaz) des Musharraf-Gegners und Ex-Premierministers Nawaz Sharif wollen am Donnerstag Sondierungsgespräche über eine mögliche Koalition aufnehmen. Bhutto-Witwer Asif Ali Zardari und Sharif werden dazu in Islamabad zusammenkommen. Präsident Musharraf, der sich im Herbst noch vom alten Parlament für weitere fünf Jahre im Amt hatte bestätigen lassen, stand nicht zur Wahl. Die Abstimmung am Montag wurde gleichwohl als Referendum über die Politik Musharrafs gewertet. Der Ex-Militärmachthaber hat sich zur Kooperation mit dem künftigen Premierminister unabhängig vom Wahlausgang bereit erklärt.
Nach Angaben des Nachrichtensenders Geo TV gewann die PPP nach Auszählung der Stimmen in 259 der 272 Wahlkreise 87 Sitze (34 Prozent). Die PML-N folgt mit 66 Sitzen. Die regierende PML-Q konnte sich nur in 38 Wahlkreisen eine Mehrheit sichern. Das islamistische Parteienbündnis MMA, das 2002 stark abgeschnitten hatte, von dem diesmal aber ein Teil der Parteien die Wahl boykottierte, errang drei Sitze. Die restlichen Sitze verteilen sich vor allem auf Regionalparteien und unabhängige Kandidaten. Ein vorläufiges Endergebnis wird an diesem Mittwoch erwartet.
Sharif betonte, das Parlament müsse die Verfassungsänderungen Musharrafs während des Ausnahmezustands rückgängig machen. Die von Musharraf entlassenen unabhängigen Richter müssten wieder ins Amt eingesetzt werden. Sie müssten dann ein Urteil darüber fällen, ob Musharrafs Wahl für eine weitere Amtszeit im vergangenen Herbst rechtmäßig gewesen sei. Als das Verfassungsgericht im November drohte, die Rechtmäßigkeit der Wahl anzuzweifeln, hatte Musharraf ungeachtet internationaler Kritik den Ausnahmezustand verhängt und kritische Richter durch Gefolgsleute ersetzt.
PPP-Sprecher Farhatullah Babar sagte, das Wahlergebnis zeige, dass die Öffentlichkeit genug davon habe, dass Musharraf die Verfassung ändere, um an der Macht zu bleiben. "Die meisten Menschen in Pakistan wollen, dass Musharraf zurücktritt." Musharrafs Sprecher Rashid Qureshi betonte, der Präsident habe keine Rücktrittsabsichten. Musharraf sei "glücklich, dass die Menschen in Pakistan an der saubersten, ordentlichsten, sichersten Wahl in der Geschichte des Landes teilgenommen haben".
Ein Wahlbeobachterteam mit drei US-Senatoren nannte die Wahl am Dienstag generell frei und fair. Die Opposition hatte der PML-Q Wahlmanipulation vorgeworfen. Anhänger der Opposition tanzten noch in der Wahlnacht auf den Straßen, feuerten in die Luft und verteilten Süßigkeiten. Viele prominente PML-Q-Politiker konnten sich in ihren Wahlkreisen nicht durchsetzen. Der Sprecher der PML-N und künftige Abgeordnete Ahsan Iqbal sagte: "Die pakistanische Öffentlichkeit hat gegen Musharrafs Politik und für einen Wechsel gestimmt." Nach Angaben der Wahlkommission lag die Wahlbeteiligung bei 45 Prozent, drei Prozentpunkte über der des Jahres 2002.
Die Pakistaner stimmten über 272 der insgesamt 342 Parlamentssitze ab. 60 Sitze sind für Frauen und zehn weitere für Angehörige von Minderheiten reserviert, die die Parteien je nach ihren Stimmenanteilen vergeben dürfen. Bei der Wahl knapp acht Wochen nach dem Mord an Oppositionsführerin Benazir Bhutto war es zwar zu Zusammenstößen gekommen, bei denen nach Medienberichten 25 Menschen starben. Die befürchteten Terroranschläge blieben aber aus. Mehr als 80 Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen worden.
Neben dem Parlament in Islamabad wählten die Pakistaner die vier Provinzparlamente. Anders als 2002 blieben die Islamisten auch auf der Provinzebene erfolglos. Die Wahl war ursprünglich für den 8. Januar geplant, wurde nach dem weiterhin nicht aufgeklärten Mord an Bhutto aber verschoben.
Quelle: ntv.de