Politik

Clinton oder Obama Demokraten im Dilemma

Zu Beginn des US-Vorwahlkampfes hätten die Zeichen für die Demokraten kaum besser stehen können. Das Land hatte den Republikaner George W. Bush, seine Kriege und seine Politik gründlich satt, alle Zeichen standen wieder auf Wechsel.

Aus dem eigenen Lager kamen gute Kandidaten, kaum jemand bezweifelte, dass es am Ende auf einen Zweikampf zwischen Barack Obama und Hillary Clinton hinauslaufen würde. Genau so ist es nun gekommen, und doch könnte das Dilemma kaum größer sein.

Weder Obama noch Clinton werden vor dem 25. August, wenn in Denver der Nominierungsparteitag der Demokraten beginnt, bereits die Mehrheit der Delegiertenstimmen auf sich vereinen können. Derzeit steht Obama bei 1520, Clinton bei 1424 Delegierten, an den jetzt noch anstehenden acht Vorwahltagen in zehn Staaten und den Außengebieten Guam und Puerto Rico wird es für beide um jede Stimme gehen.

Tücke des Proporzes

Das "Momentum" müsste sich für einen der Kandidaten als so stark erweisen, dass Wahlergebnisse von 90 Prozent und mehr erreicht würden. Doch alle bisherigen Vorwahlergebnisse zeigen eine zutiefst gespaltene Wählerschaft der Demokraten. Wahlergebnisse wie in Texas, wo 48 Prozent der Demokraten für Obama stimmten und 51 Prozent für Clinton, zeigen, dass beide zusammen das demokratische Wählerlager beinahe perfekt abbilden, jeder einzelne aber tatsächlich auch nur die Hälfte.

So war Hillary Clintons Comeback in Texas auch nur ein halbes, denn sie nahm zwar 65 Delegiertenstimmen aus diesem Sieg mit, Obama jedoch mit 61 beinahe ebenso viele. Damit liegt Clinton insgesamt weiter hinter Obama, hat allerdings wieder etwas aufgeholt, aber wiederum auch nicht so viel, dass man von einer Wende sprechen könnte. Wegen des bei den Demokraten vorherrschenden Proporzsystems erhalten beide auch bei den weiteren Urnengängen jeweils ihren Anteil an Delegierten. Das De-Facto-Patt als Dauersituation bis Denver - so wird keiner sich aufgerufen sehen, hinter dem oder der Anderen zurückzutreten.

Keine Wähler verschrecken

Experten sehen zudem weder in einem Rückzug Obamas noch in der Aufgabe Clintons die Ideallösung, denn Clinton punktet nach wie weiterhin vor allem bei Frauen, Arbeitern und Bürgern lateinamerikanischer Herkunft sowie den unentschlossenen Wählern. Der Senator aus Illinois kann sich vor allem auf die schwarzen Wähler, auf junge Menschen und Akademiker stützen. Jede dieser Wählergruppen könnte sich von dem jeweils anderen Kandidaten nicht repräsentiert fühlen und ihre Stimme beim entscheidenden Urnengang gegen den republikanischen Bewerber McCain am 4. November für sich behalten. So wären die Republikaner allen Umfragen zum Trotz, dass McCain sowohl von Obama wie auch von Clinton zu schlagen wäre, am Ende die lachenden Sieger. Clinton trat nach dem Sieg in Ohio vor ihre Anhänger: "Wir machen weiter, wir sind stark, und wir gehen den ganzen Weg." Nach Aufgabe sieht das nicht aus. Und auch Obama betont, dass er derzeit bei den Delegiertenstimmen führe. Warum sollte er klein beigeben?

Eine zweite Alternative könnte in einem Zusammengehen Clintons und Obamas liegen. Clinton hat bereits überraschend angedeutet, sie könne sich vorstellen, gemeinsam mit Obama bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Er wäre dann natürlich ihr "running mate", also der Kandidat für das Vizepräsidentenamt. Die politischen Unterschiede zwischen den beiden Demokraten sind tatsächlich nicht sehr groß. Aber würden die Amerikaner tatsächlich eine Frau und einen Schwarzen ins Weiße Haus wählen? Nicht nur Parteistrategen bezweifeln, dass diese Kombination für viele US-Bürger vielleicht doch zu viel des Neuen wäre.

Eine Tandemlösung Clinton-Obama wäre dabei möglicherweise noch zu vermitteln; Clinton hat Obama zwar angegriffen, aber meist auf der Ebene der Erfahrung. Die könnte er ja dann an ihrer Seite sammeln. Obamas Botschaft vom "Wandel" und "Neuanfang" hingegen klingt in der Verbindung mit Clinton nur noch schal und leer, ein Hoffnungsträger ergibt sich dem politischen Establishment. Keine gute Idee für die Marke Obama. Zudem ist die Vizepräsidentschaft für Obama nicht unbedingt verlockend. Ein Idealist, der sich im politischen Tagesgeschäft verbraucht, verliert viel von seinem Glanz. Nach maximal acht Jahren in der zweiten Reihe wäre er ein Mittfünfziger, wenn er dann selbst den Griff aufs Präsidentenamt versuchen könnte. Garantien gibt es dann für einen Sieg, siehe Al Gore, auch nicht.

Was ist mit Florida und Michigan?

Nun fordern die Clinton-Anhänger, die Delegierten aus den Vorwahlen in Florida und Michigan sollten doch zum Nominierungsparteitag zugelassen werden. "Man kann nicht einfach fünf Millionen Amerikaner von den Vorwahlen ausschließen", verlangt beispielsweise Floridas Gouverneur Charlie Crist, ein Republikaner. Tatsächlich hatte die demokratische Parteiführung die Delegierten von der Entscheidung ausgeschlossen, als Strafe, weil beide Staaten ihre Vorwahlen entgegen einer Absprache mit der Partei vorverlegt hatten. In Michigan stand Obamas Name nicht einmal auf dem Wahlzettel, in Florida flog Clinton kurz vor der Abstimmung ein, in beiden Bundesstaaten ging sie als klarer Sieger hervor. Hier droht ein Streit mit harten Bandagen, schon ist von möglichen "Neuwahlen" die Rede. Der Vorsitzende der Demokraten, Howard Dean, lehnte dies ab. "Wir werden die Regeln nicht mitten im Spiel ändern", sagte Dean. Medienberichten zufolge würde eine Wiederholung allein in Florida 25 Millionen Dollar kosten.

Doch der alles entscheidende Kampf geht um die sogenannten Superdelegierten beim Parteitag in Denver. 300 dieser einflussreichen Staats- und Parteimänner, die bei der Nominierung letztlich den Ausschlag geben, haben sich noch nicht zwischen Obama und Clinton entschieden. US-Medien berichten, Clinton habe allein 20 Wahlkampfmanager, die diese Partei-VIPs hauptamtlich "bearbeiten". Experten vermuten hier die Stärke des Clinton-Netzwerkes im demokratischen Establishment.

So gehen die Demokraten wahrscheinlich in einen sogenannten offenen Nominierungsparteitag, bei dem am Ende Sieger und Verlierer demontiert sein könnten.

Quelle: ntv.de

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